Von Jens Huiber aus Wien
Ein lapidarer Rückhand-Passierball, der ein paar Zentimeter ins Aus flog - der brachte nicht nur Jo-Wilfried Tsonga dessen ersten Satzball im letzten Viertelfinale des ATP-World-Tour-500-Turniers in Wien, sondern auch die Zuschauer von ihren Sitzen. Vorangegangen war ein Ballwechsel, in dem Alexander Zverev all das gezeigt hatte, was den Deutschen auszeichnet: unglaubliche Defensivkunst, gepaart mit großartigem Kampfgeist. Drei Punkte später allerdings verwertete Tsonga seine zweite Chance nach einem couragierten Netzangriff - und das, nachdem die deutsche Nummer eins zu Beginn ganz schnell mit 3:0 geführt hatte.
Zverev hat 2017 ein überaus anstrengendes Jahr hinter sich, die Partie gegen Tsonga vor ausverkauftem Haus war seine 73. der Saison. Und nach Wien wird keineswegs Schluss sein: Der gebürtige Hamburger wird in der kommenden Woche in Paris-Bércy das letzte ATP-Masters-1000-Turnier des Jahres bestreiten, danach noch den krönenden Saisonabschluss in London. Im vergangenen Jahr hatte Zverev zum gleichen Zeitpunkt seine Kampagne schon beendet.
Dass Zverev, wie er nach dem Match in der Pressekonferenz erklärte, seit zwei Tagen mit einem Magen-Darm-Virus kämpfte, machte die Aufgabe umso schwieriger. Letztlich unmöglich.
Der Turnierfavorit legte dennoch auch im zweiten Satz gegen Tsonga mit Break vor, der Franzose, der noch Außenseiter-Chancen auf einen Platz im Teilnehmerfeld des Saisonfinales hat, schlug umgehend zurück. Auch weil Zverev offensichtlich zwar noch den Willen hatte, in die Vorschlussrunde vorzustoßen, sein Körper aber andere Ideen hatte. Tsonga agierte immer mehr mit dem Sliceball, auch von der Vorhand-Seite, Zverev gelang es nur noch selten, von der Grundlinie Druck zu entwickeln.
Starke Bilanz
Am Nachmittag hatte sich Zverev nur kurz auf dem #NextGen-Court eingeschlagen, unter der Aufsicht seines Vaters Alexander senior. Im vierten Spiel wehrte "Sascha" zwei Breakbälle ab, schaffte vor allem dank seines Aufschlags den Ausgleich. Wenige Minuten später hatte Tsonga dann mehr Erfolg, zog auf 4:2 davon. Und ließ sich den Vorsprung nicht mehr nehmen. Nach 92 Minuten durfte der Routinier seinen Einzug in die Vorschlussrunde feiern.
Im Halbfinale wartet nun mit Philipp Kohlschreiber ein Mann, der in diesem Jahr das österreichische Double schaffen könnte - schließlich hat die langjährige deutsche Nummer eins im Sommer in Kitzbühel gewonnen. Im internen Vergleich mit Kohlschreiber führt Tsonga mit 10:1-Siegen. Zuletzt waren die beiden vor Jahresfrist in Wien aufeinander getroffen - Tsonga hatte sich da in zwei Sätzen durchgesetzt.