Von Florian Goosmann aus London
Alexander Zverev ist nach Niederlagen... nun, wie soll man es freundlich formulieren: nicht gerade der Sonnenschein des Lebens. Was im Übrigen eine gute Eigenschaft ist, denn sie zeigt, mit wie viel Herz und Willenskraft der 20-Jährige gewinnen will, egal, bei was. Am liebsten allerdings im Tennis.
Wenn also Alexander Zverev nach seiner Niederlage gegen Roger Federer davon spricht, "sich positiv" zu fühlen, muss man zwei Mal hinhören. Aber er hat es tatsächlich gesagt: "Die Leute, mich nach Niederlagen schon gesehen haben, kennen mich mehr dann sehr enttäuscht. Ich fühle mich sehr positiv gerade. Weil ich das Gefühl habe, dass wenn ich mein Niveau halte und so spiele, sehr große Chancen habe, im Halbfinale zu stehen", sagte er rund eine Stunde nach dem Matchball.
Das kann man unterschreiben. Es war vielleicht kein Match für die Ewigkeiten gegen Federer, es war ein taktisches Spiel, beide versuchten sich zu neutralisieren, statt auf die schnellen Punkte zu gehen, in vielen brenzligen Situationen war der Aufschlag entscheidend. Die Spannung, die Intensität - sie waren enorm hoch. Beide Akteure vergaben zwar große Chancen, Zverev ein 4:0 im Tiebreak, Federer ein Break in Satz zwei, blieben aber stets dran, zumindest bis zum dritten Satz. Federer gelang hier das frühe Break, Zverev verlor kurzfristig seine Konzentration, das war's.
Paris-Sieger Sock als Last-Minute-Mann
Gegen Sock könnte es ein offeneres Duell werden, weniger taktisch. Zverev muss - klar - die Brutalo-Vorhand des US-Amerikaners aus dem Spiel halten und im Fall der Fälle defensiv gut arbeiten, Länge finden, den Aufschlag neutralisieren, selbst versuchen zu agieren. Dann wäre er, das Gesamtpaket betrachtet, im Vorteil. "Ich gehe mit viel Selbstvertrauen ins Match gegen Sock", sagte Zverev.
Sock selbst lebt nach wie vor seinen Traum. Als ihn während Paris der erste Journalist auf eine mögliche Chance für London angesprochen habe, so berichtete er, habe er zunächst gar nicht davon gewusst. Mit dem Sieg, seinem größten bislang, war Sock dann als achter Teilnehmer fixiert.
Sein Match gegen Roger Federer hing nur an ein paar Punkten, am allerersten Aufschlagspiel, am Doppelfehler bei 4:4 im Tiebreak von Satz zwei. Gegen Cilic gewann er genau die entscheidenden Punkte, holte ein 0:3 in Satz drei auf, konterte im Tiebreak einen Netzroller des Kroaten mit Übersicht und Gefühl in die lange Ecke statt mit dem logischen Ball kurz cross, machte aus einem 2:4 ein 7:4.
Zverev: Starkes Jahr, mittelguter Herbst
In der direkten Bilanz gegen Zverev steht's 1:1. Zverev gewann 2016 in Peking in zwei Sätzen (auf Hartplatz), Sock siegte 2016 in Stockholm in drei engen Sätzen (in der Halle). Was für Sock spricht, ist die Bilanz der letzten Wochen, 6 Siege und nur 1 Niederlage; Zverev kam nach den US Open nur auf 8 Siege bei 6 Niederlagen, was im Rahmen seiner gesamten Jahresbilanz von 53 zu 19 etwas verschoben wirkt.
Genau diese Jahresbilanz aber scheint dem Hamburger die innere Sicherheit zu geben, gegen Sock zu siegen und vielleicht am Sonntag seine Revanche gegen Federer zu bekommen. "Wenn ich das Level halte, sehe ich ihn vielleicht am Wochenende wieder" sagte Zverev. Am Wochenende, oder genauer gesagt: im Finale.