Roger Federer ließ sich nicht lumpen. Ein Mann, ein Wort. Deshalb verzichtete der Tennis-Maestro auch auf jegliche Form von Gegenwehr, als er jüngst während eines Matches von einer Gönnerin in einen Schottenrock gehüllt wurde. "Wenn mir jemand einen Kilt bringt, spiele ich damit", hatte Federer kurz zuvor und während eines Charity-Duells gegen Andy Murray in Glasgow angekündigt.
Die rüstige Dame gab daraufhin ihr traditionelles Kleidungsstück her - und der 36-jährige Schweizer machte auch in einem ungewöhnlichen Outfit eine gute Figur. Es war die perfekt lockere Ouvertüre für das am Sonntag in London beginnenden ATP-Finale, bei dem Federer eine traumhafte Saison mit seinem siebten Saisonabschluss-Titel krönen könnte. Sechs Jahre nach seinem letzten Triumph in der o2-Arena.
"Fedal" im Finale?
Es würde ins Bild passen, wenn das Endspiel am 19. November vor 17.500 Zuschauern lauten würde: Federer vs Nadal. Ausgerechnet die Großmeister, die selbst von einigen ausgewiesenen Experten nach der vergangenen Spielzeit schon (fast) abgeschrieben wurden.
"Wir haben wahrscheinlich beide selbst nicht daran geglaubt, solch ein Jahr spielen zu können", sagte Federer und erinnerte an das Treffen mit Rafael Nadal (31) in dessen Akademie auf Mallorca Ende 2016, als beide Superstars Blessuren auskurierten und meilenweit den eigenen Ansprüchen hinterherhinkten.
Zwölf Monate später scheint alles wie früher. Die Grand-Slam-Titel teilten sich der Eidgenosse und sein spanischer Dauerrivale erstmals seit sieben Jahren wieder untereinander auf: Federer (insgesamt 7 Titel) triumphierte bei den Australian Open und in Wimbledon, Linkshänder Nadal (insgesamt 6 Titel) bei den French Open und US Open.
"Es war schwierig, sich genau das vor acht, neun Monaten vorzustellen. Aber: Hier sind wir - Roger und ich!", sagte Nadal nach seinem Flushing-Meadows-Coup. Auch "Rafa" hatte berechtigte Zweifel daran gehabt, dass eine der faszinierendsten Rivalitäten im Weltsport eine Renaissance erleben würde: "Man wusste tatsächlich nicht, wie es weitergeht."
Bereits vor dem Showdown im Osten von London steht fest, dass Nadal als Branchenführer ins neue Jahr gehen wird. Federer (Nr. 2) folgt derzeit im Ranking dahinter - noch vor Alexander Zverev (Hamburg/Nr. 3), gegen den er in der kommenden Woche in der Boris-Becker-Gruppe spielt.
Am Sonntagmittag trifft Federer zum Auftakt der Veranstaltung zunächst auf Jack Sock (USA/Nr. 8), ehe am Abend Zverev gegen den früheren US-Open-Champion Marin Cilic (Kroatien/Nr. 5) sein Debüt beim Saisonabschluss-Event feiert.
Vierfach-Papa Federer ist der einzige im Achterfeld, der das letzte Turnier des Jahres bereits gewinnen konnte. Der abergläubische Nadal muss dagegen im 13. Anlauf versuchen, den Silber-Pokal endlich zu holen.
Die Mission an der Themse jedenfalls begann für Federer mit einigen Ehrungen. Der 19-malige Major-Sieger gewann insgesamt drei ATP-Awards. Schon zum 15. Mal (!) in Serie wurde der "FedExpress" zum Lieblingsspieler der Fans gewählt. Dass er auch den Preis für den Comeback-Profi des Jahres erhielt - eigentlich müßig zu erwähnen.