Von Florian Goosmann aus Stuttgart
Als Mischa Zverev am Mittwoch gebeten wurde, seinen Comebackweg aufzuzeichnen, da holte er noch einmal weit aus. Zverev begab sich ins Jahr 2014, in den Sommer, und in die Zeit, zu der sein Bruder Alexander zum ersten Mal im Blickfeld der Öffentlichkeit erschien - während er frisch vom OP-Tisch gerollt war. "Er hat eine Woche danach in Hamburg das Halbfinale erreicht. Ich hatte den tiefsten Punkt erreicht, er den höchsten. Aber es war für mich ein positives Erlebnis, weil wir viel Zeit miteinander verbracht haben."
Die Ansage des Bruders: "Du darst nicht aufgeben!"
Er, Mischa, habe damals mit dem Gedanken gespielt, ins Coaching einzusteigen. Aber Alexander hatte andere Pläne: "Du wirst weiterhin spielen können, du wirst in die Top 100 zurückkommen, du darfst nicht aufgeben", habe er gepredigt. Alexander habe, so erklärte es Mischa, diese positive Einstellung, die Naivität gehabt, die man mit 17 nun mal hat. Und die dabei hilft, die realen Tatsachen zu überwinden, sie zur Seite zu schieben. Und seien es sogar die eines anderen, konkret die des fast zehn Jahre älteren Bruders.
Mischa Zverev schob erfolgreich. "Wir haben 2014 die Off-Season zusammen verbracht, haben in Amerika trainiert." Sein Ziel sei es gewesen, Alexander herauszufordern, ab und an einen Satz zu gewinnen. "Das ist mir ein paarmal gelungen. Da dachte ich: Vielleicht spiele ich ja doch noch ganz ordentlich?" Mischa machte weiter, und er erlebt die Zeit seines Lebens: Im Vorjahr katapultierte er sich bis auf Rang 51, aktuell, auch dank des Laufs in Melbourne, wo er Andy Murray entzauberte und sich zu John McEnroes Lieblingsspieler serve-and-vollierte, steht er auf Rang 31. Siegt er im Stuttgarter Viertelfinale, stünde er erstmals unter den Top 30 - so hoch wie nie. "Ich habe vor, noch viele Jahre zu spielen. Mir macht es Spaß, und ich möchte auch mit meinem Bruder weiterhin reisen", sagt Zverev.
Bekommt Tommy Haas sein Traumfinale?
Tommy Haas sagt das nicht mehr. Sein Leidensweg - er ist mittlerweile fast ein Stück deutsche Tennisgeschichte. Haas betont regelmäßig, ein Ende finden zu wollen, das er selbst bestimme, nicht sein Körper. "Bei der nächsten OP ist Schluss" - lange Zeit eine Ansage, an die sich der 39-Jährige selbst nicht hielt. Nach seinem Sensationscomeback 2013, wo er die Nummer eins der Welt, Novak Djokovic, besiegte und mit Rang 11 noch mal kurzfristig an den Top Ten anklopfte, ging es nach seinem Rückzug im Rahmen der French Open im Jahr darauf wieder auf den OP-Tisch. Mit dem erneuten Ziel, noch mal auf dem Platz zu stehen.
Es klappte nur so halb: Haas kam zurück - und zog schnell wieder die Reißleine, nachdem die Schulter erneut nicht hielt. Seit Anfang des Jahres ist er nun wieder regelmäßig auf Turnierreise und erlebt "sportlich eine Katastrophe", mit einem im Gesamtbild allerdings erneut nicht zu erwartenden Verlauf: In Stuttgart gewann er, aktuell die Nummer 302 der Welt, erstmals in 2017 zwei Matches in Folge, und das ausgerechnet gegen Kumpel Roger Federer. "Ein Schock" sei es gewesen, gab er im Anschluss zu Protokoll, aber dass er noch mal alles rausholen möchte in Stuttgart, wurde nich zuletzt durch seine Doppel-Absage am Donnerstag deutlich. Die inoffizielle Ansage: Vielleicht geht ja was in Richtung Titel?
Es wäre im Leben des Tommy Haas nicht mal auszuschließen, dass er am Sonntag tatsächlich die Siegertrophäe in den Himmel reckt. Und schließlich sagt: "Freunde, das war's."