Blickt man an diesem Montag in manche Zeitung, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, Boris Becker habe am vergangenen Wochenende eine Pressekonferenz nach der anderen gegeben, zum Tennisvolk gesprochen und stets Fakten von größter Relevanz von sich gegeben - und ganz nebenbei habe es dann noch ein Davis-Cup-Spiel gegeben, das Deutschland gegen Belgien verloren hat.
Die Frage, ob Becker in irgendeiner oder sogar einer sehr maßgeblichen Rolle wieder bei der deutschen Tennisauswahl tätig werden könnte, beschäftigt jedenfalls in erstaunlicher Breite die Diskussion auf gedrucktem Papier oder auch im Internet - mit Becker lässt sich Tennis immer noch bestens verkaufen. Und bei Becker wirkt es immer so, als sei in einer Zwangsfixierung jeder bemüht, nur nichts zu verpassen. Und in diesem Fall sind es schon kleinste, geringwertige Nachrichtenteilchen zur Causa BB, die teilweise sogar die Berichterstattung zur eigentlich nachrichtenstarken Davis-Cup-Pleite der Truppe von Michael Kohlmann überlagern.
Viel ist ja in Wahrheit nicht passiert, eher noch gar nichts. Becker und die DTB-Spitzenleute haben bei Beckers Besuch in Frankfurt ein nettes, angenehmes, unverbindliches Gespräch geführt - über Gott und die Welt, sein starkes TV-Expertengastspiel bei den Australian Open und auch über die Lage der DTB-Männerauswahl. Natürlich sprach man auch darüber, ob und wie man Becker irgendwie einbinden könne, alles andere wäre ja auch töricht. Aber das alles blieb so sehr im Vagen und Ungefähren, dass man sich schon wundern musste, dass anderntags sogar Spekulationen aufkeimten, er könne Nachfolger von Kohlmann werden.
Selbst ein Suchender
Becker hatte, für viele im Verband, allerdings ein erstaunliches Interview am Rande des Sportpresseballs gegeben und verlauten lassen, zwischen ihm und dem DTB sei etwas "in der Mache". Das war zwar selbst relativ nebulös, ging aber doch schon über das hinaus, was passiert war - ein doch sehr allgemein gehaltener Gedanken- und Meinungsaustausch.
Ein Gespräch, das schon deshalb auch nicht einmal den Ansatz von Handfestem haben konnte, weil Becker sich ja selbst noch in einer Such- und Findungsphase befindet. Will er wieder einen Spieler oder eine Spielerin betreuen? Will er seine Expertenrolle im Fernsehen ausbauen? Becker weiß es (noch) nicht, er soll gegenüber dem Verband auch darauf hingewiesen haben, dass er viele andere Verpflichtungen habe.
Der DTB wäre schlecht beraten gewesen, wenn er auf Beckers Interview nicht so reagiert hätte, wie er reagierte. Nämlich mit der diplomatischen Formel, man habe jederzeit Interesse an einer Integration Beckers. Nur entwickelte sich schon aus diesem Statement heraus wieder eine Eigendynamik in der Debatte, die einige Verbandsfunktionäre am Sonntag und Montag den Kopf schütteln ließ.
Natürlich ist vorstellbar, dass Becker als eine Art Außenminister des Teams, als Supervisor und beratende Instanz dereinst einmal eingesetzt werden könnte, aber daran knüpfen sich viele andere, komplett ungeklärte Fragen. Fragen der Hierarchie und Hackordnung, auch Fragen finanzieller Natur. Und letztlich auch die Frage, wo Deutschland nach diesem Davis-Cup-Jahr landet. Die Diskussion um Becker hat sich jedenfalls weit entfernt von der Wirklichkeit.
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