"Irgendwie fühlst du dich wie Indiana Jones", schreibt Millman bei PlayersVoice über allerseine ersten Reisen zu internationalen Turnieren. "Du schläfst auf dem Boden in irgendwelchen Bahnhöfen oder Flughäfen, und spielst eigentlich nur, damit du dir irgendwie ein Ticket für die Abreise leisten kannst."
Eines der witzigsten Erlebnisse auf der Futures-Tour passierte Millman bei einem Event in Korea, bei dem er mit Landsmann Matthew Barton, einem ehemaligen Top-200-Spieler, aufschlug. "Wir hatten das Essen beim Turnier-Buffet satt, wollten uns aber auch kein Taxi zu unserem Hotel leisten", erzählt Millman.
John Millman: "Diese Momente genießt du am meisten"
Der Shuttleservice des Turniers ließ immer länger auf sich warten, weshalb die beiden entschieden, sich eine Pizza direkt zum Turnier liefern zu lassen. "Wir sitzen also am Center Court und sehen das letzte Doppel-Match des Tages, als plötzlich ein Tuk Tuk bis zum Platz vorfuhr. Der Pizzalieferant sprang heraus und verlangte von jenem Spieler, der sich im Champions Tiebreak gerade für den Return bereitmachte, dass er ihn bezahlt. Wir konnten es nicht glauben, die Szene war der Hammer."
Die Zeiten haben sich mittlerweile geändert, Millman gönnt sich mittlerweile Taxis zu den Hotels und Restaurants der Turnierorte, denn er steht erstmals in seiner Karriere unter den besten 40 Spielern der Welt. Dennoch ist der Mann aus Brisbane einer, der jeden Moment aufsaugt und wertschätzt. "Du vergisst solche Dinge schnell, wenn dir im Hauptfeld von Grand Slams alles gereicht wird", meint Millman.
Erst im Herbst letzten Jahres fuhr er etwa mit dem offiziellen Transportdienst eines Challengers in Thailand, den er später gewinnen sollte, in Richtung Unterkunft. "Das Ding hatte kein Dach, keine Sitzgurte, und wir flogen über den Highway damit - eigentlich lebensgefährlich", erzählt Millman. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Feds oder Rafa das machen würden. Manchmal sind es aber genau jene Momente, in denen dir nichts auf dem Serviertablett gereicht wird, die du am meisten genießt."
John Millman, der Finanz-Praktikant
Genießen kann Millman derzeit auch sein Tennis, das ihn immer mehr ins Rampenlicht bringt. Vor exakt einem Jahr stand der Rechtshänder, der vom Deutschen Jonas Luetjen trainiert wird, im Ranking noch auf Platz 235. Gebremst durch Verletzungen an der Schulter und der Leiste musste er insgesamt drei Mal operiert werden und verpasste bereits in jüngeren Jahren den Durchbruch.
"Du spürst, dass deine Karriere an Fahrt aufnimmt, und dann kommt der Rückschlag. Das fühlt sich nicht gut an", erinnert sich Millman. Im Jahr 2013 verpasste er aufgrund einer Schulterblessur auf seinem Schlagarm ein ganzes Jahr auf der Tour, und nahm während seiner Auszeit sogar eine Praktikumsstelle bei einem Freund im Finanzsektor wahr.
"Es gab einfach so viele Zweifel in meinem Kopf. Es war gut, ein bisschen einen Tapetenwechsel zu bekommen, aber ich fühlte auch, dass ich wieder zurückkehren wollte. Es war einfach noch nicht die richtige Zeit für einen Bürojob. Ich bin mir sicher, dass ich zur Gruppe der Top-Spieler gehören kann."
Den besten Beweis dafür lieferte er vor wenigen Wochen, als er Roger Federer im Achtelfinale der US Open für eine schwache Vorstellung beinhart bestrafte. Trotz verlorenem ersten Satz kämpfte er sich ins Match zurück, kam mit den heißen, schwülen Bedingungen im Arthur Ashe Stadium besser zurecht und schlug den Schweizer in vier Sätzen.
John Millman im Head-to-Head gegen ÖTV-Spieler
Datum | Gegner | Turnier | Ergebnis (aus Sicht Millmans) |
23.07.2018 | Dominic Thiem | Hamburg (Sand) | 2:6, 2:6 |
19.06.2017 | Jürgen Melzer | CH Ilkley (Rasen) | 7:6(3), 6:4 |
29.08.2016 | Dominic Thiem | US Open (Hart) | 3:6, 6:2, 7:5, 4:6, 3:6 |
15.08.2016 | Dominic Thiem | Cincinnati (Hart) | 5:7, 1:6 |
John Millman: Allrounder, guter Return-Spieler, "Aussie Battler"
Dabei ist Millman keineswegs ein Spieler, der auf einen bestimmten Schlag besonders vertrauen kann. Seine Grundschläge sind solide, und er ist zu jeder Zeit in der Lage, gefährliche Winkel zu schlagen und den Gegner zu bewegen.
Ein Blick auf Statistiken macht aber deutlich, dass Millman beim Return überdurchschnittlich performt. Beim Return Rating der ATP liegt er gar auf Platz 20 und damit noch vor Juan Martin del Potro, Roger Federer und auch Dominic Thiem. Er nimmt seinen Gegnern überdurchschnittlich oft den Aufschlag ab, und benötigt in der Regel dafür relativ gesehen wenige Breakmöglichkeiten.
Als seine größte Waffe bezeichnet der elffache Challenger-Turniersieger aber seine mentalen Fähigkeiten. "Im Tennis geht es nicht nur darum, mit 220 Kilometern pro Stunde servieren zu können", erklärte Millman. "So gern ich das auch können würde, verlasse ich mich lieber darauf, zu absolut 100 Prozent auf meine Fähigkeiten zu vertrauen."
In den heimischen Medien wird er meist als "Aussie Battler", als australischer Kämpfer bezeichnet. Zu Beginn konnte er sich mit dem Spitznamen kaum anfreunden, zu sehr würde der Ausdruck suggerieren, dass er zwar immer tapfer spielen würde, doch meist den Kürzeren ziehe.
Heute gefällt ihm die Bezeichnung jedoch besser, da er sich selbst nun als erfolgreichen Kämpfer sieht. Er sei zu jeder Zeit in der Lage, einen Top-Spieler zu ärgern, wenn dieser nicht sein bestes Niveau abrufen kann. "Die Leute wissen mittlerweile, dass sie sich keine Schwächen erlauben dürfen, denn ich werde absolut alles geben. Das ist eines meiner Talente."
John Millman im ATP-Ranking zum Ende der letzten Jahre
Jahr | Ranking |
2017 | 128 |
2016 | 84 |
2015 | 92 |
2014 | 159 |
2013 | 175 |
2012 | 228 |
2011 | 539 |
2010 | 204 |
Davis Cup: John Millman baut auf Unterstützung von Lleyton Hewitt
In diesem Jahr brachte er Grigor Dimitrov bei seinem Heim-Turnier in Brisbane an den Rand einer Niederlage, wenige Tage später ließ er Borna Coric in der ersten Runde der Australian Open keine Chance.
Selbst bei den US Open, als der Großteil der Zuschauer für Federer jubelte, fokussierte Millman sich auf die Unterstützung aus seiner Box, und kämpfte sich so zum bis dato größten Matchsieg seiner Karriere.
Selbiges könnte auch in Graz passieren, wenn mit Lleyton Hewitt die Motivation in Person auf der australischen Bank sitzt, und eine kleine, aber feine Gruppe australischer Fans ihren "Battler" bejubeln. Dann ist es auch denkbar, dass Millman nicht nur Tuk-Tuk-Fahrer in Asien ärgert, sondern auch Dominic Thiem und Co. ein Bein stellen könnte.