SPOX: Frau Rittner, mit Angie Kerber, Laura Siegemund, Julia Görges und Carina Witthöft geht es gegen die Ukraine. Wie bewerten Sie die Chancen des Teams?
Barbara Rittner: Die Chancen stehen fifty-fifty. Die Ukraine hat mit Elina Svitolina eine Spielerin, die zwar momentan die Nummer 13 der Weltrangliste ist, für mich aber ganz klar das Potenzial für einen Platz unter den ersten drei hat. Sie ist eine unglaublich gefährliche Spielerin, die auch die letzten drei Partien gegen Angelique Kerber gewinnen konnte. Wir müssen unser bestes Tennis abrufen, wenn wir die Partie gewinnen wollen.
SPOX: Nach dem frühen Aus bei den Australian Open im Januar hatten Sie Kerber empfohlen, "etwas abzuschalten und Zeit für sich zu nehmen". Wie sehen Sie sie heute? Hat Sie Ihren Rat so befolgt, wie Sie sich das erhofft haben? In Mexiko sah sie zuletzt ja schon wieder besser aus.
Rittner: Der Rat war sicherlich richtig, aber es ist natürlich unheimlich schwer, diese Zeit zu finden. Als Nummer eins der Welt muss sie viele Sponsoren und Turnierveranstalter bedienen und ihren Kopf für Tennis im Allgemeinen hinhalten. Das kostet viel Energie und Angie ist niemand, dem das so leicht von der Hand geht. Sie macht es zwar gerne, aber es kostet Kraft und Zeit, die sie braucht, um zur Ruhe zu kommen. Sie ist eher ein introvertierter Mensch, der sich gerne zurückzieht und das fehlt ihr einfach.
SPOX: Wie äußert sich das?
Rittner: Sie ist insgesamt gestresster und immer auf dem Sprung. Sie ist oft in dem Zwiespalt, dass sie es vielen Leuten recht machen will, und muss lernen, auch einmal 'Nein' zu sagen. Das alles liegt ihr ein bisschen im Magen, aber sie kann von Woche zu Woche besser damit umgehen. Nach den Australian Open hat sie sich ihre Auszeit genommen und dann in Dubai ein gutes Turnier gespielt. Mit dem Viertelfinale in Miami und dem Finale zuletzt in Mexiko folgten nochmal zwei sehr gute Ergebnisse. Ihre Form ist auf jeden Fall besser geworden, aber es ist immer noch nicht das Tennis, das sie letztes Jahr an ihren guten Tagen gespielt hat.
SPOX: Würden Sie Angelique noch mehr Zeit für sich selbst wünschen?
Rittner: Natürlich würde ich mir das wünschen, aber das zeichnet Topspieler aus: Federer und Nadal haben ständig Termine. Auch Angie wird in diese Rolle hineinwachsen, aber es dauert eben. Allerdings hat es auch seine positive Seite: Man steht im Fokus, lernt viele nette Menschen kennen, verdient gutes Geld und erlebt Dinge, wozu andere nicht die Möglichkeit haben.
SPOX: Wie wirkt sich Angies Status an der Spitze der Weltrangliste auf das Team aus? Übernimmt sie mehr Verantwortung?
Rittner: Generell tut es dem Team einfach gut, die Nummer eins oder aktuell eben die Nummer zwei der Welt dabei zu haben, weil sich ihre Souveränität auf das Team überträgt. Von der Besten der Welt werden Punkte erwartet, das weiß sie. Das Betreuerteam muss ihr in der Trainingswoche vermitteln, dass sich der Druck trotzdem auf mehrere Schultern verteilt. Wir treten als Team auf und sie kann mal verlieren - auch gegen die Ukraine. Angie macht einfach ihr Ding: Sie ist niemand, der sich um andere kümmert und sie mitreißt. Sie ist keine Spielerin, die verbal Einfluss auf die anderen Spielerinnen nimmt. Das geht auch gar nicht: Tennis ist und bleibt ein Einzelsport, auch wenn man ein paar Mal im Jahr als Team auftritt.
SPOX: Gegen Svitolina hat Angie eine 5:5-Bilanz, wobei es oft hart umkämpft war und die letzten drei Duelle gingen an die Ukrainerin. Überhaupt spielt Svitolina mit zwei Turniersiegen ein bärenstarkes Jahr. Was stimmt Sie dennoch zuversichtlich?
Rittner: Der Fed Cup hat eigene Gesetze, es herrscht eine besondere Anspannung. Man spielt nicht nur für sich, sondern das ganze Land. Angie hat es gerade die letzten Jahre ausgezeichnet, dass sie in den stressigsten Situationen ihr bestes Tennis abgerufen hat. Sie liebt es, für Deutschland auf dem Platz zu stehen. Dazu kommt der Heimvorteil: Die Zuschauer werden eine gute Stimmung in der Porsche Arena verbreiten und ich hoffe, dass wir dadurch ein paar Prozent mehr abrufen können.
SPOX: Die beste Doppelspielerin Julia Görges hatte sich in Hawaii beim Einzel verletzt und fiel für das Doppel aus. Auch in Biel hat sie letzte Woche angeschlagen aufgegeben. Wissen Sie schon, ob Sie diesmal wieder im Einzel antritt?
Rittner: Die Spielerinnen liegen sehr nah beieinander, deshalb werden die Trainingseindrücke und letzten Ergebnisse den Ausschlag geben. Jule spielt ein sehr konstantes Jahr und stand vor ihrer Handgelenksverletzung in Biel immerhin im Viertelfinale. Laura Siegemund hat das Jahr über noch nicht so gut gespielt, aber gerade erst in Charleston auf Sand überzeugt. Da werde ich das Training auf mich wirken lassen. Wer das zweite Einzel spielt, ist absolut offen.
SPOX: Wie schwer fiel es Ihnen, auf Andrea Petkovic zu verzichten?
Rittner: Sie fehlt dem Team menschlich sehr, weil sie die Stimmungsvollste und Extrovertierteste ist, aber wir werden auch so Spaß und eine gute Woche haben. Wir haben gemeinsam darüber geredet und für Andrea ist es im Moment die beste Entscheidung. Sie muss bei Turnieren Selbstvertrauen sammeln, sonst kann sie nicht der Rolle gerecht werden, die sie sich selbst im Fed-Cup-Team gibt, und die heißt: Verantwortung übernehmen und Punkte holen. Sie tut alles im Training, hat einen Ernährungsplan und irgendwann wird es hoffentlich Klick machen und sie wird wieder gutes Tennis spielen. Sie hat in den letzten Jahren unglaublich viel für das deutsche Tennis geleistet, aber sie in der jetzigen Situation zu nominieren, hätte nichts gebracht.
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SPOX: Ist die Nichtnominierung also als Schutzmaßnahme zu verstehen, um sie vor weiteren Rückschlägen zu bewahren?
Rittner: Durchaus. Aber abgesehen davon ist die Konkurrenz groß und es gibt einfach Spielerinnen, die im Moment besser spielen. Auch bei Mona Barthel fiel es mir schwer, dazu war noch Annika Beck im Gespräch. Es war eine schwierige Entscheidung, aber Andrea Petkovic hat in letzter Zeit einfach nicht gut gespielt.