Mona Barthel jubelte verhalten, beinahe sah es so aus, als würde sich die deutsche Tennisspielerin bei den Fans in Prag entschuldigen. Immerhin hatte Barthel durch ihren vierten Titelgewinn auf der WTA-Tour einen Heimsieg verhindert. Im Finale am Samstag, ihrem achten Spiel in den letzten acht Tagen, krönte die Qualifikantin ihren Siegeszug mit einem 2:6, 7:5, 6:2 gegen die Tschechin Kristyna Pliskova und zog damit endgültig einen Schlussstrich unter ihre lange Leidenszeit.
"Dieser Sieg ist etwas ganz Besonderes für mich, gerade im Hinblick auf das vergangene Jahr", sagte Barthel (26) kurz vor ihrem Rückflug ins heimische Neumünster dem SID. Der Titel sei "die Bestätigung", dass sich die Arbeit mit ihrem Team nach Monaten voller Rückschläge und Zweifel auszahlt.
Wiederauferstehung nach rätselhafter Viruserkrankung
Vor genau einem Jahr hatte Barthel nicht mehr gewusst, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Nur langsam erholte sie sich von einer ebenso heimtückischen wie rätselhaften Viruserkrankung, die sie zeitweise ans Bett fesselte und ihr "die Hölle auf Erden" bereitete. "Hilflos wie ein kleines Mädchen" habe sie sich gefühlt, erzählte Barthel, es ging nur noch darum, "ein normales Leben zu führen". Tennis war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr nebensächlich.
Was Barthel letztlich monatelang außer Gefecht gesetzt hatte, ist bis heute unklar. Sicher ist: Sie hat sich zurückgekämpft und darf zuversichtlich in ihre Tennis-Zukunft blicken.
Einen Großteil ihres Aufschwungs schreibt Barthel ihrem Coach Christopher Kas zu. In Prag führte sie ihr erster Weg nach dem Match zum Ex-Profi, der seine Trainerlaufbahn im Team von Sabine Lisicki begonnen hatte. "Seine Rolle ist unglaublich wichtig", sagte Barthel: "Es war auch für ihn im letzten Jahr schwierig, wir kannten uns noch nicht so gut, und er wusste nicht, was er mir zumuten kann." Noch während der Siegerehrung feierte Kas seinen ersten Erfolg als Trainer auf der Tribüne mit einem Glas Sekt.
Der "Kasi"-Faktor
Seit Wimbledon arbeiten Barthel und Kas zusammen, "genau an den richtigen Dingen", wie sie heute weiß. Dabei sei seine Spielerin, die sich bereits bei den Australian Open im Januar aus der Qualifikation ins Achtelfinale gespielt hatte, erst bei "80 Prozent", meint Kas. "Daher bin ich unglaublich stolz auf sie. Das war heute eine Energieleistung", sagte der frühere Doppelspezialist nach Barthels Erfolg über die Zwillingsschwester der US-Open-Finalistin Karolina Pliskova.
Seit Jahren gilt Barthel als außergewöhnliche Spielerin, 1,85 m groß, mit mächtigen Grundschlägen und ausreichend beweglich. 2012 holte sie in Hobart auf der Insel Tasmanien ihren ersten Titel, 2013 folgte der Triumph beim Hallenturnier in Paris. Auch 2014 gelang ihr im schwedischen Bastad ein Turniersieg, es sollte für fast drei Jahre ihr letzter bleiben.
Spätestens mit dem Titel in Prag ist Barthel auf dem Weg zurück in die Regionen des Rankings, in die sie dank ihres Potenzials gehört. Neben 43.000 Euro Preisgeld nimmt sie 280 Punkte mit und wird ab Montag wieder unter den Top 60 der Weltrangliste geführt. Dazu komme "viel Selbstvertrauen", sagte Barthel. Keine schlechte Ausbeute drei Wochen vor Beginn der French Open.
Das WTA-Turnier in Prag im Überblick