Wer bitte bleibt uns denn nun noch, uns Tennisfans der feinen Klinge? Okay, Roger Federer natürlich, Feliciano Lopez vielleicht, auch wenn der schon an die Zeit danach denkt und bald Turnierdirektor in Madrid wird. Aber sonst? Sieht's ziemlich mau aus, was den guten alten Slice und seine Freunde angeht. Denn wie Roberta Vinci hat den Slice schon lange keiner mehr gespielt.
Wenn Vinci ausholt, folgt kein technischer Schlag - es folgt Poesie in Bewegung, die ganze Ausführung ein kleines Kunstwerk, Schwung und Eleganz gepaart mit Herz; ein italienischer Slice, der, wenn er singen könnte, die wunderschönsten italienischen Arien trällern würde, kein antrainierter Metzger-Slice, wie ihn der Rest der Tour weghackt. Und hat man ihn drauf, wie Vinci, mag man den Gegner damit schön versetzen und ausspielen, an guten Tagen selbst Powerhitter wie Serena Williams.
Der Slice in Not
Natürlich hatten wir, die gemeinen Clubspieler, die mit einer einhändigen Rückhand gestraft waren, zum Slice immer eine besondere Beziehung. Geben wir's zu: Meist slicen wir, weil wir nichts anderes können, weil wir über 10, 20, 30 Jahre hinweg trotz zig Trainerstunden das Geheimnis einer durchgezogenen einhändigen Rückhand nie gelöst haben.
Natürlich wären wir um einige Klassen besser, hätten wir als Kind die beidhändige Rückhand gelernt. Denn was könnten wir damit alles zusätzlich anstellen: Winner ansetzen zum Beispiel! Im Match!!! Nicht nur den zufälligen Rückhand-Longline-Hammer, der uns im Training genau ein Mal im Jahr gelingt. Aber: Für den Tempowechsel ist der Slice perfekt - und viele Spieler kommen genau damit nicht zurecht.
Aber natürlich versuchen wir schon immer, die del-Potro-Schule umzusetzen: Umlaufen, wo und wann es nur geht und versuchen, mit der Vorhand zu diktieren, die eigene Rückhand aus dem Spiel zu lassen, so es der Gegner denn erlaubt. Und Spiele gegen druckvollere Gegner oder gar Linkshänder... ach, vergessen wir's lieber.
Trotz aller Schwächen: Einen eleganteren Schlag als den Rückhand-Slice gibt es kaum; speziell, wenn er fein gespielt ist. Und mit Übung: einen durchaus gefährlichen und unangenehmen. Denken wir an Steffi Graf, Stefan Edberg und Karsten Braasch... Oder den großen Ken Rosewall, der einst auf die Frage, warum er nie eine Rückhand-Topspin spiele, geantwortet hat: "Weil ich noch nie einen gebraucht habe."
Kiki Mladenovic huldigt Vinci
Wie's auf der Tour ohne Roberta Vinci weitergeht? Fraglich. Bis zum Turnier von Rom haben wir immerhin noch Zeit, Vinci bei ihrer Arbeit zuzusehen, auch wenn sie als aktuelle Nummer 117 der Welt nun die Qualifikationsmühlen durchschreiten muss.
Ein bisschen Hoffnung für die Zukunft macht Kristina Mladenovic. Auch sie hat den Slice unter Denkmalschutz gestellt - und versucht nun, ihrem großen Slice-Vorbild Vinci nachzueifern. Mal gespannt, was daraus wird!