Von Jörg Allmeroth aus Dubai
Angelique Kerber hat in den Tagen von Dubai auch noch mal zurückgeblickt. Auf die Zeit vor dem ersten Turniereinsatz 2017, auf die Vorbereitung für die australischen Wettbewerbe. "Du kannst Dich noch so gut fühlen im Training. Du kannst gute Arbeit gemacht haben", sagte Kerber, "aber wo du wirklich stehst, weißt du nicht. Es war trotz allem eine große Ungewissheit da."
Inzwischen sieht Kerber die Dinge klarer, sie selbst, aber auch alle, die sie beobachten und begleiten - und natürlich auch die liebe Konkurrenz. Kerber, kein Zweifel, ist wieder in der Spitze ihres Sports angekommen. Sie ist bereit und reif für die Höchstpreise, die es im Wanderzirkus der Profis zu verteilen gibt. Sie selbst sagt, es sei gut, "die Sicherheit im Spiel zurück zu haben."
"Das Service war der Schlüssel zum Sieg"
Die Sicherheit im eigentlichen Spiel. Aber eben auch die Sicherheit im Kopf, das Wissen, auch schwere, harte Herausforderungen meistern zu können. Und die Sicherheit, dass sich harte Trainingseinheiten und Neujustierungen bei manchen Schlägen mit erstaunlicher Präzision manifestiert haben. Im 6:4 und 6:3 gewonnenen Viertelfinalspiel gegen die Tschechin Karolina Pliskova bei den Dubai Duty Free Championships war das alles symbolisch zu erkennen: Kerber spielte agiler, kreativer und konzentrierter als ihre nominell höher eingestufte Rivalin.
Und fast wie eine ironische Note mutete an, dass es gegen die kraftvolle Aufschlägerin Pliskova der stark verbesserte Aufschlag Kerbers war, der letztlich diese Partie entschied. Nach einem frühen Break zum 1:0 jedenfalls im zweiten Satz verteidigte die 30-jährige Deutsche diesen Vorsprung entschlossen ins Ziel, nicht einmal einen Breakball ließ sie zu. "Das Service war der Schlüssel zum Sieg", sagte sie später. Auch über den Tag, dieses Turnier hinaus bleibt festzuhalten: Kerbers früheres Defizit, der schwache, wenig dynamische Aufschlag, hat sich verflüchtigt, die Bereitschaft, auch spät an der Karriere noch einmal an einem elementaren Bestandteil des Spiels zu arbeiten, hat sich mehr als gelohnt.
2017 ist komplett abgehakt: "Als ob ich eine Tür geschlossen habe"
Kerber wird nun wie im Vorjahr in Dubai im Halbfinale auf die Ukrainerin Elina Svitolina treffen. Die lebenslustige Youngsterin war in der vergangenen Saison so etwas wie die frühe Spielverderberin für Kerber, Svitolina lenkte Kerbers Wirken einige Male in die falsche Richtung. Sowohl in Brisbane wie in Dubai und später noch einmal beim Fed Cup gegen die Ukraine ging Kerber als Verliererin vom Platz. Aber 2017 ist 2017, abgehakt für Kerber, vergessen und vorbei, was zählt, ist der Moment, der Blick nach vorne auch.
"Ich habe das letzte Jahr richtig weggepackt. So, als ob ich eine Tür geschlossen habe", sagt Kerber, "ich bin einfach nur glücklich, wie ich jetzt wieder spiele. Wie ich das umsetze, was ich mir vornehme." Die Bilanz spricht jedenfalls eine deutliche Sprache. 15:2-Siege bis jetzt in dieser Spielserie. Der Turniersieg in Sydney, das Halbfinale bei den Australian Open. Rechnet man den Hopman Cup dazu sind es sogar 19:2-Erfolge. Und nun winkt hier in Dubai möglicherweise ein zweiter Pokaltriumph 2018. Überraschen würde das nicht, Kerber ist ja wieder berechenbar geworden. Aus besseren Gründen nun aber wieder.