Die altehrwürdige Royal Box von Wimbledon, sie ist Alleinstellungsmerkmal und Blickfang zugleich. Für Angelique Kerber, die inzwischen im wohlverdienten Kurzurlaub weilt, war sie vor einer Woche aber vor allen Dinges eines: Ein Tabu! Zumindest während ihres Finalsiegs auf dem bedeutendsten Centre Court des Tennis-Universums gegen Superstar Serena Williams (USA).
In der ersten Reihe des royalen und mit edlem Holz getäfelten Vierecks saßen beim Endspiel auch die Herzoginnen Kate und Meghan - ihres Zeichens Duchness of Cambridge beziehungsweise Duchness of Sussex.
"Wow" - die Royal Box war zunächst ein Tabu!
"Vor ein paar Wochen habe ich noch Meghans Hochzeit im Fernsehen verfolgt. Wow. Es ist ein besonderes Gefühl zu wissen, dass solche Leute einem zuschauen", sagte Kerber im Spiegel-Gespräch und meinte: "Ich habe das gesamte Spiel über nicht zu denen hochgeschaut, auch nicht in die Box von Serena."
Dort hatten unter anderem Golf-Ikone Tiger Woods, Formel-1-Pilot Lewis Hamilton und Vogue-Chefin Anna Wintour Platz genommen. Doch die Kielerin mied den Blick in den ebenso überfüllten wie illustren Williams-Exklusivbereich. "Wenn Serena gemerkt hätte, dass ich von meinem Plan abweiche, hätte sie das bestraft, dafür ist sie zu erfahren", erklärte Kerber ihre Strategie.
"Jetzt habe ich auch für mich Geschichte geschrieben"
Als Spielverderberin fühlte sich die 30-Jährige nach dem 6:3, 6:3 über Serena Williams (36) nicht wirklich. Obwohl Kerber natürlich genau wusste, dass es für die 23-malige Major-Gewinnerin aus Florida nach der Geburt von Tochter Alexis Olympia (knapp elf Monate alt) ein Traum gewesen war, zum achten Mal in Wimbledon zu triumphieren. "Aber auch ich habe eine Geschichte", betonte Kerber: "Noch mal gegen sie zu spielen nach der Niederlade von 2016, meine zweite Chance. Jetzt habe ich auch für mich Geschichte geschrieben."
Der Titel im Rasen-Mekka hat für "Angie" eine besondere Magie, er mache sie als Spielerin "vollständig". Der Coup an der Church Road war auch ein Sieg über sich selbst, über die Zweifel ("Die kommen schnell").
"Champions lernen aus Niederlagen, stehen wieder auf. Natürlich hat man Selbstzweifel, aber warum? Weil man weiß, dass man es kann, im Training alles beherrscht. Oft entscheiden ein, zwei Punkte den Spielausgang - Champions gewinnen deshalb Turniere, weil sie in diesen Momenten wissen, was sie zu tun haben", sagte Kerber. Mit mittlerweile drei Grand-Slam-Titeln darf sie sich längst als wahrer "Champ" fühlen.
"Starte ich zu früh, kann das der Tod sein"
Der Weg zum Wimbledon-Erfolg war nach der verpatzten vergangenen Saison mit unter anderem zehn Auftaktniederlagen steinig. Doch auch die persönliche Entwicklung trug ihren Teil zum beeindruckenden "Turnaround" bei. "2017 kam ein Moment", erzählte die Weltranglistenvierte, "in dem ich realisiert habe: Du musst dich als Person von dir als Tennisspielerin trennen. Ich musste lernen, stolz auf mich zu sein." Heute definiere sie sich nicht mehr nur über den Job, "sondern sehe mich als Menschen."
Und Kerber zog auch in anderer Hinsicht ihre Schlüsse. Nach einem Turnier beginnt "Angie" erst wieder mit dem Training, wenn sie sich physisch und psychisch bereit dafür fühlt, "auch wenn das mal zwei Tage länger dauert als gewöhnlich. Ich brauche das. Starte ich zu früh, kann das der Tod sein."
Vor den US Open in New York (27. August bis 9. September) plant Kerber, bei den Hartplatz-Events in Montreal (ab 6. August) und Cincinnati (ab 12. August) an den Start zu gehen. Künftig will die frühere Nummer eins, die als 21. des WTA-Rankings ins Jahr gestartet war, ihre Turnierplanung weiter anpassen.
Mit Fokus auf die Grand Slams und die anderen größeren Tournaments wie Indian Wells oder Miami, "dazwischen lege ich mehr Pausen ein."
Pläne für die Auszeit: Lange schlafen, keine Uhr - und ab ins Kino
Die Auszeiten möchte Kerber für sich nutzen. "Ich gehe laufen, mache Fitness, um ein bisschen zu schwitzen. Versuche, lange zu schlafen, nicht auf die Uhr zu schauen, gut zu essen, ins Kino zu gehen, alles so normal wie möglich", kündigte die frischgebackene Wimbledonsiegerin an.