Als Wim Fissette am Abend des Wimbledonsieges von Angelique Kerber auf der Terrasse des internationalen Pressezentrums stand, sprach er einen großen Satz mit großem Nachdruck aus: "Es gibt kein Turnier, das Angie in Zukunft nicht gewinnen kann. Sie muss sich vor niemandem fürchten."
Seit Dienstagmittag steht nun allerdings fest: Angelique Kerber kann durchaus überall im Wanderzirkus siegen, auch dort, wo sie es bisher noch nicht geschafft hat, etwa bei den French Open in Paris. Aber Fissette, der umtriebige Belgier, wird dann nicht mehr an ihrer Seite sein.
Eine gemeinsame WM war schnell kein Thema mehr
Unmittelbar vor den WTA-Finals in Singapur, der inoffiziellen WM im Frauentennis (ab Sonntag), setzte Kerber ihren 38-jährigen Coach vor die Tür. "Dieser Schritt wurde aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der zukünftigen Ausrichtung erforderlich", heißt es etwas verschraubt in einem Statement, das Kerbers Manager Aljoscha Thron verschickte.
Hinter der offiziösen Botschaft versteckte sich allerdings, kaum verhüllt, eine unmissverständliche Botschaft: Es geht nicht mehr weiter. Keinen Schritt. Und zwar ab sofort. Aus Kerbers erweitertem Umfeld hieß es, es sei nicht mehr denkbar gewesen, um der reinen Optik willen noch einmal in Singapur gemeinsam anzutreten: "Man musste hier reinen Tisch machen."
Das Vertrauensverhältnis war angeknackst
Das Verhältnis sei schon seit "einiger Zeit belastet gewesen." Es hieß auch, man wisse nun, warum Fissette bei anderen Arbeitgeberinnen schnell wieder seinen Hut habe nehmen müssen.
Tatsächlich steht der Name Fissette für schnelle und sogar spektakuläre Erfolge, im Falle der Arbeit mit Kerber sogar für deren lang ersehnten Wimbledon-Coup, aber eben auch für rasche Aufkündigungen seiner Dienste. Abgesehen von der frühen Kooperation mit seiner Landsfrau Kim Clijsters, währten Fissettes Allianzen im Damentennis nie länger als anderthalb Jahre - ob nun mit Johanna Konta, Victoria Asarenka, Sara Errani oder auch mit Sabine Lisicki.
Vieles erinnert an Lisickis Trennung von Fissette
Kerbers Schlussstrich weist verblüffende Parallelen zu Lisickis Fall auf: Die Berlinerin beendete nach dem Errreichen des Wimbledon-Endspiels 2013 später im Herbst dieser Saison das Vertragsverhältnis mit dem Belgier. Schon damals hatte Fissette das Image des Feuerwehrmannes weg, der Krisensituationen bereinigen kann, aber keiner für die Langstrecke ist.
Vielleicht auch wegen seines zuweilen übergebührlichen Selbstbewusstseins, das mit dem starken Ego seiner Chefinnen kollidierte. Bei Kerber hatte Fissette in der Saisonpause zwischen 2017 und 2018 angefangen, die ersten gemeinsamen Trainingseinheiten bestritt das Duo Ende November/Anfang Dezember in Kerbers polnischem Domizil Puczszykowo.
Ein Nachfolger soll erst nach Singapur gesucht werden
Kerber jedenfalls setzte sich am Montag allein ins Flugzeug nach Singapur, wo sie beim Saisonfinale der acht besten Spielerinnen noch einmal eine möglichst gute Rolle spielen will. Die Rückkehr in den mitunter grauen Touralltag war der 30-jährigen nach Wimbledon schwer gefallen, oft wirkte es, als könne sich die Kielerin nicht recht motivieren nach dem denkbar größten Erfolgsmoment im Traumsommer von Wimbledon.
In der Pressenotiz wird relativ kühl vermerkt, dass Fissette zum Erreichen der Saisonziele beigetragen habe, neben Wimbledon sei das der Sprung unter die Top 3 der Weltrangliste gewesen. An der anspruchsvollen Aufgabe, mit Kerber wieder gemeinsam einen Boden nach dem Höhenflug von London zu finden, scheiterte Fissette jedoch.
Die muss nun ein neuer Kopf bewältigen. Ein Nachfolger, so teilte Manager Thron mit, solle erst nach der WM im fernen Singapur gesucht werden.