Von Florian Goosmann aus Singapur
Man stellt sich nach einem glatten Match oft die Frage im Tennis: War man selbst zu stark? War der andere zu schlecht? Oder war beides der Fall?
Den Profis geht es teilweise genauso. "Irgendwann im ersten Satz habe ich gedacht: Spiele ich tatsächlich so gut?", meinte Caroline Wozniacki zum Ende des ungleichen Duells gegen Simona Halep im On-Court-Interview.
Die Rumänin hatte Wozniacki zu diesem Zeitpunkt schon lange zugestimmt. "Sie spielt großartig!", klagte sie bereits beim On-Court-Coaching zu Darren Cahill. "Okay, aber denkst du nicht, dass du etwas ändern kannst, wenn die die unerzwungenen Fehler reduzierst und deiner Rückhand etwas mehr Spielraum gibst?", gab Cahill zurück. "Es ist unmöglich", fand Halep.
Halep gab sich gegen Ende des Gesprächs zwar konstruktiver, am Verlauf änderte sich wenig. Wozniacki dominierte das Duell zweier Spielerinnen ohne die ganz große Waffe, und wenn Halep mal in die Offensive kam, sie Wozniacki also nach und nach außer Position gedrängt hatte, verzog die den abschließenden Ball zum Punktgewinn meist ins Netz. Und ansonsten... spielte Wozniacki tatsächlich einfach grandios auf.
Fast bezeichnend die letzten beiden Ballwechsel des Matches. Beim 0:6, 2:5, 30:30 baute Halep gut auf, um den abschließenden, simplen Volley ins Netz statt ins offene Feld zu legen; beim Matchball kam sie wieder nach vorne, wurde von Wozniacki diesmal tief angespielt - den harmlosen Flugball schlug die Dänin dann sicher an Halep vorbei zum Sieg 6:0, 6:2-Sieg.
Um die anfängliche Frage nach dem Gut oder Schlecht zu beantworten: Beides war der Fall an diesem Tag, was auch damit zu tun hatte, dass Wozniacki früh ein, zwei glückliche Schläge landete, sie aber auch mit ihrem starken Aufschlag schnell den Ton angab. 88 Prozent erste Aufschläge brachte sie in Durchgang eins ins Feld (insgesamt 69 Prozent), bereits bei ihrem Auftaktsieg über Caroline Garcia lieferte sie 72 Prozent. In beiden Matches ließ sie nur einen Breakball zu, gegen Halep wehrte sie ihn mit einem ihrer zwei Asse ab.
"Ich weiß nicht genau, wie ich das heute bewerten soll, aber ich habe in beiden Matches auf einem hohen Niveau gespielt. Es muss ziemlich frustrierend für die anderen Mädels sein", meinte Wozniacki in der Pressekonferenz - was ausgesprochen weder arrogant oder überheblich klang, sondern wie eine sachliche Einschätzung. Halep sprach davon, den Ball nicht gespürt und sich selbst etwas schwerer gefühlt zu haben. "Ich wollte dann manchmal zu viel. Wenn ich es geschafft hätte, den Ball länger im Spiel zu halten, hätte es besser laufen können. Aber ich habe zu viel verschlagen."
Garcia fliegt
Caroline Garcia ist nach Wozniacki womöglich die fröhlichste Dame im Feld. Die Französin kam nur durch den Wuhan-Peking-Doppelschlag nach Singapur und war elf Spiele ungeschlagen, bis Halep diese Serie am Montag beendete. Und so sehr das Wozniacki/Halep-Spiel an Einseitigkeit "glänzte", solch ein Auf und Ab war es zwischen Garcia und Svitolina.
Garcia vergab in Durchgang eins eine 4:2-Führung und einen 4:0- und 5:2-Vorsprung im Tiebreak, in dem sie zwei Satzbälle nicht nutzte und ihn mit 7:9 verlor. In Satz zwei lag sie beim 5:3 mit 0:40 zurück, gewann dann aber fünf Punkte in Folge zum Satzausgleich. Im dritten Durchgang sprach beim 5:3 alles für Svitolina, die jedoch plötzlich keinen ersten Aufschlag mehr traf. "Es war ein unglaublicher Kampf, bei jedem Punkt", freute sich Garcia nach ihrem 6:7 (7), 6:3, 7:5-Triumph.
Eine positive Winner/Unforced-Errors-Bilanz ist meist die Bestätigung für ein gutes Spiel, und genau das war am späten Abend in Singapur der Fall: Garcia schlug 58 Winner bei 31 unerzwungenen Fehlern, Svitolina gelangen 33 Gewinnschläge bei 22 unerzwungenen Fehlern. Den Punkt des Abends machte Garcia kurz vor Ende des Matches, in dem sie sogar eine einhändige Rückhand ansetzte ("Habt ihr die gesehen??? Die zweite in meiner Karriere, ich hab sie ganz vorsichtig gespielt").
Noch alles drin in der Roten Gruppe
Während in der Weißen Gruppe bereits Pliskova als Gruppensiegerin feststeht und Platz zwei im Duell zwischen Venus Williams und Garbine Muguruza ausgespielt wird (Donnerstag ab 13.30 Uhr MESZ), ist in der Roten Gruppe noch vieles möglich. Wozniacki ist nach ihren beiden glatten Siegen durch - das steht fest. Halep, Garcia und auch Svitolina haben jedoch alle noch Chancen auf ein Weiterkommen.