Von Jörg Allmeroth aus Stuttgart
Als am Samstagnachmittag die Fed-Cup-Kämpferinnen aus Deutschland und Tschechien die Stuttgarter Porsche Arena geräumt hatten, gab es für ein cleveres Grüppchen hartnäckiger Fans noch eine kleine Zusatzshow auf dem Centre Court. Wer geblieben war nach dem tristen Auftakt des Länderspiel-Duells, durfte live die erste Trainingsstunde von Maria Sharapova miterleben. Gleich vier Coaches und Betreuer umringten Sharapova, die mit verbissener Entschlossenheit die Bälle über den Centre Court prügelte.
Auch einen alten, neuen Weggefährten hatte sie im Sand-Kasten zur Seite: Den Schweden Thomas Hogstedt, der nun dafür sorgen soll, dass aus Sharapovas Leistungsstagnation wieder spielerischer und zahlenmäßiger Fortschritt wird.
"Ich will und muss effizienter sein, besser meine Chancen nutzen", sagt Sharapova, die in der Weltrangliste aktuell auf Platz 42 eingestuft ist, deutlich unter den eigenen Erwartungen und Hoffnungen.
Sharapova: Comeback beim weltweiten Partner Porsche
Stuttgart, das Turnier ihres weltweiten Werbepartners Porsche, ist wieder einmal eine entscheidende Wegmarke für die 31-jährige Russin, für eine der bekanntesten und polarisierendsten Sportlerinnen der Welt. Ein Jahr ist es her, dass Sharapova beim Grand-Prix-Wettbewerb im Schwabenland ihr aufsehenerregendes Comeback nach 15-monatiger Dopingsperre gab, es war ein Medienspektakel, ein Blitzlicht-Zirkus, wie ihn dieser Event nie zuvor in seiner 25-jährigen Geschichte erlebt hatte.
Sharapova zeigte damals, im Kreuzfeuer diverser hitziger Pressekonferenzen genau so wie auf dem Centre Court, Nerven aus Stahl. Nach der Zeit auf der Strafbank war es fast eine Sensations-Story des Kommens, Sehens und Siegens für Sharapova, erst im Halbfinale stolperte sie schließlich gegen die Französin Kristina Mladenovic.
Nur wenige im Wanderbetrieb der Tennistour stimmten allerdings in den Applaus über Sharapovas couragierte Rückkehr ein, kein Wunder, da die Russin nie ein Teil des Harmoniekosmos´ der WTA-Karawane war und bewusst keine Freundschaften mit anderen Spielerinnen pflegte. Ihr Standpunkt war und ist klar, sie vertritt ihn mit eisiger Klarheit: "Ich mache meine Arbeit, schließe das Büro und dann gehe ich nach Hause."
Sharapova Dauergast in Arztpraxen
Sharapova durfte sich gewiß nicht wundern, dass manche ihrer Rivalinnen mit kaum verhohlener Schadenfreude auf die schnell kompliziert gewordene Comeback-Mission reagierten. Denn nach dem Blitzstart in Stuttgart trübte sich die Bilanz der Rückkehrerin immer mehr ein, es gab Ausrutscher zur Genüge. Die fünfmalige Grand Slam-Gewinnerin kämpfte allerdings nicht nur gegen ehrgeizige Rivalinnen, die Erfolge gegen sie als außerordentliche Trophäe betrachteten, sondern auch gegen ihren eigenen, verletzungsanfälligen Körper.
Statt die Weltspitze zu attackieren, saß Sharapova in Arztpraxen herum - oder war in Zwangspausen zur Untätigkeit gezwungen. "Alles, was man sich vornimmt, zerplatzt dann. Du hast keine Wettkampfhärte, du hast keine Spielpraxis. Du hast keinen Rhythmus", sagt Sharapova.
Große Siege blieben eine Rarität, ein strahlender, wahrscheinlich sogar der alles überstrahlende Moment war der US Open-Auftakterfolg gegen die damalige Weltranglisten-Zweite Simona Halep (Rumänien). "Aber eine richtige Beständigkeit auf hohem Niveau war kaum möglich", sagt Scharapowa, "es gab immer wieder diese bitteren Rückschläge, diese ärgerlichen Verletzungen."
Reizfigur Sharapova
Hat Sharapova womöglich das Beste in ihrer Karriere hinter sich, die lange jahre bestverdienende Sportlerin des Planeten, diese Reizfigur des Tennis-Circuits? Schon einmal hatte man diese Frage gestellt und Zweifel geäußert; nach der Schulteroperation im Jahr 2008 war das.
Doch die Russin schaffte einen imponierenden Wiedereinstieg, obwohl sie wegen der angegriffenen Schulterpartie einen komplett neuen Aufschlag einstudieren musste. Sie holte weitere Grand Slam-Titel, hatte schließlich das komplette Quartett zusammen, die Titel von Melbourne, Paris, Wimbledon und New York.
Als Motivationshilfe habe ihr meist die Gegenspielerin Serena Williams gedient, die überragende Figur dieser Tennisepoche, sagt Sharapova: "Ich wollte wieder in die großen Matches mit ihr herein und sie schlagen."
Sharapova trennt sich von Groeneveld
Und nun, viele Jahre und eine Dopingsperre später, sucht Sharapova aufs Neue den Weg an die Spitze. Sie ist keine, die schnell aufgibt und die Geduld verliert. Und doch musste ihr treuer Gehilfe Sven Groeneveld, der schwedische Coach, kürzlich weichen, die Comeback-Mission hatte sich da hoffnungslos festgefahren. Sharapova hofft nun auf eine Initialzündung bei einem Turnier, auf einen Pokaltriumph, der Mut machen und den Stillstand beenden würde.
Stuttgart (erste Runde gegen Caroline Garcia/Frankreich) sei ein Ort, mit dem sich die Sehnsucht verbinde, "dass der Knoten mal richtig platzt", sagt Sharapova, "ich habe so viele gute Erinnerungen an das Turnier." Dreimal hat sie hier gewonnen, hintereinander sogar, 2012, 2013 und 2014.
Aber wahrscheinlich könnte keiner der vergangenen Siege mit einem zukünftigen Sieg mithalten. Mit einem Sieg am nächsten Sonntag.