Das doppelte "I Believe I Can Fly"

Maurice Kneisel
18. Juni 201209:41
CM Punk kratzt Daniel Bryan per Springboard Clotheline von Kanes Schultern2012 wwe, inc. all rights reserved.
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No Escape 2012 ist abgehakt und brachte wenig Neues. Im Main Event setzte sich John Cena mithilfe seiner Freunde sowie eines riskanten Sprungs gegen Big Show durch, John Laurinaitis wurde von Vince McMahon entlassen. A.J. musste bei CM Punks Titelverteidigung gegen Kane und Daniel Bryan gehörig einstecken.

Brodus Clay vs. David Otunga

In der SmackDown-Ausgabe vor No Escape lieferte man auf den letzten Drücker noch so etwas wie einen Mini-Aufbau für dieses Preshow-Match: der Lieblingsanwalt von Big Johnny nahm Clays Knie auseinander, wodurch das Aufeinandertreffen spannend gemacht werden sollte. Mit mäßigem Erfolg.

Erwartungsgemäß ging Otunga von Anfang an auf die neue Schwachstelle des Funkasaurus los und ebenso erwartungsgemäß kämpfte der sich immer wieder zurück. Überraschend war eigentlich nur das Ende: Otunga ließ sich bewusst auszählen, um nicht weiter von Brodus vermöbelt zu werden. Ringgong, Somebody call my Momma, Tanzeinlage, das war's auch schon. Sieger: Brodus Clay.

World-Heavyweight-Champion Sheamus vs. Dolph Ziggler

Hat irgendjemand ernsthaft geglaubt, dass Ziggler den Titel gewinnen würde? Natürlich nicht. Traurigerweise musste es nach der Darstellung der letzten Monate schon als Erfolg für den Showoff gewertet werden, wenn er mal keine deutliche Niederlage einstecken muss - wonach es aber gleich zu Beginn aussah. Dolph im Taktikgespräch mit Vickie Guerrero, der große Weiße kommt heran gerauscht und setzt den Brogue Kick an - WrestleMania Reloaded? Zum Glück nicht, denn Dolph konnte sich aus dem Ring retten.

In der Folge wurde der Ire zwar erwartungsgemäß stark dargestellt, sein platinblonder Gegner konnte sich aber immer wieder zurück kämpfen und die menschgewordene Kreidezeichnung mit Haltegriffen am Boden halten.

Einige Near-Falls und diverse angesetzte Sleeper Holds waren Ziggler vergönnt, ebenso wie ein spektakulärer Face Buster vom obersten Ringseil. Doch letztlich kam der Champion mit dem White Noise sowie dem Brogue Kick zurück und verteidigte.

Sheamus darf weiterhin alles und jeden dominieren, während Dolph, so bleibt zu befürchten, nach seinem Einsatz als Lückenbüßer wieder im Ranking abfallen wird. Sieger und weiterhin World-Heavyweight-Champion: Sheamus.

Santino Marella vs. Ricardo Rodriguez (Tuxedo-Match)

Erinnert sich noch jemand an die Bra-and-Panties-Matches der Attitude Era? Blöde Frage, natürlich erinnert Ihr Euch alle daran! Wir sind uns sicher auch einig, dass diese irgendwie ansehnlicher waren ein Match, in dem ein Kerl mit einer grünen Socke über dem Arm und nur einer Augenbraue und sein Gegenüber, der aussieht, als wäre er der Addams Family abhanden gekommen, versuchen, sich gegenseitig aus ihren Smokings zu pellen.

Sei's drum, die WWE hat's durchgezogen, beide Männer durften mal wieder ihr ausgeprägtes Comedy-Talent abfeiern und am Ende siegte natürlich Publikumsliebling Santino, dessen sensationelle Vorstellung bei No Way Out vor gerade mal vier Monaten nur noch als fernes Echo widerhallt. Interessierte hier irgendwen, dass Ricardo eigentlich ein talentierter Wrestler ist? Er verlor seinen Smoking, das Match (natürlich dank der Cobra) und am Ende auch mal wieder seine Würde - nach dem Justin-Bieber-Shirt neulich trug er dieses Mal schicke Unterwäsche mit Alberto Del Rios Konterfei auf dem Poppes. Ob man die wohl demnächst im WWE-Shop ordern kann? Sieger: Santino Marella.

Intercontinental-Champion Christian vs. Cody Rhodes

Gleich zu Beginn hatte Cody mit dem Arm seines Gegners eine Schwachstelle aufgetan, die er fortan bearbeitete. Christian musste wiederholt heftige Bumps aus dem Ring beziehungsweise vom obersten Ringseil hinnehmen und bewies dabei, dass er offensichtlich wieder topfit ist. Gegen Ende kickte Rhodes überraschend aus dem Killswitch aus und schien noch einmal ins Match zurück zu finden.

Er zog Richtung Seil, hob ab zum Beautiful Disaster und - sprang mitten rein in ein Spear von Christian! Ein spannendes, wenn auch leider etwas zu kurzes Match hatte seinen erwartungsgemäßen Sieger gefunden. Die Fehde hat sich damit vermutlich erledigt. Während Christian seinen IC-Titel wohl noch eine Weile behalten darf, sollte Cody bei Money in the Bank im Leitermatch stehen. Sieger und weiterhin Intercontinental-Champion: Christian.

Primo & Epico vs. Tyson Kidd & Justin Gabriel vs. Titus O'Neil & Darren Young vs. The Usos

Erinnert sich noch jemand an Primo & Epico? Richtig, bei WrestleMania waren die Cousins noch mit Tag-Team-Gold angereist, seitdem sind sie schon wieder in der Versenkung verschwunden. Die Storyline rund um AW verläuft erwartungsgemäß im Sande und auch bei diesem Nummer-Eins-Herausforderer-Match gab es wieder keinen Blumentopf zu gewinnen. Derweil führt die WWE erfreulicherweise den vor allem bei NXT und Superstars stattfindenden Aufbau einer jungen, attraktiven Tag-Division mit frischen Gesichtern fort.

Aktuell hat man sich dabei wohl in Ex-Football-Spieler Titus O'Neil und Darren Young verguckt, die seit Wochen als Prime Time Players in den kleinen Shows Siege einfahren und ankündigen dürfen, in Zukunft jede Menge Kohle zu verdienen. Am Ende hinterging AW dann auch schon seine vermeintlichen Schützlinge, als er einen belämmerten Primo zurück in den Ring rollte und somit Young zum Fraß vorwarf. Die PTP gewannen, AW feierte mit seinem neuen Team und anschließend setzte es noch Haue für Primo & Epico, die das Ganze natürlich nicht so dufte fanden.

Etwas enttäuschend war, dass das klar talentierteste Duo im Match, Kidd & Gabriel, mit dem Ausgang wenig zu tun hatte. O'Neil und Young haben sich derweil einen Titel-Shot gesichert und es bleibt abzuwarten, ob ihr Push auch gegen die Champs Kofi Kingston und R-Truth fortgeführt wird. Sieger: Titus O'Neil & Darren Young.

Divas-Championesse Layla vs. Beth Phoenix

Alles beim Alten: Beth fordert Layla, stellt mal wieder klar, dass ihre Gegnerin nicht mit ihr mithalten kann - und verliert am Ende. Zwischenzeitlich durfte Lay mal wieder ihr Comedy-Talent ausleben und die Glamazone imitieren, ansonsten gab es den erwartungsgemäßen Matchverlauf zu sehen: Phoenix dominierte, doch die Championesse kämpfte sich immer wieder zurück.

Der Glam Slam wurde zum gefühlt 613. Mal in diesem Jahr gekontert, ebenso ein Gorilla Press in einen spektakulären DDT. Beim Finish schien Beth wieder am Drücker, bevor Layla erneut mit ihrem Neckbreaker aus dem Nichts den Sieg einfuhr. Fraglich, ob der WWE nun für ihre Damen-Division auch mal wieder irgendetwas Neues einfällt. Siegerin und weiterhin Divas-Championesse: Layla.

Sin Cara vs. Hunico

Sin Cara ist seit ein paar Wochen zurück und durfte beim PPV dann auch gleich mal wieder seinen Lieblingsgegner besiegen. Interessiert dabei irgendwen, dass der einstige Sin Cara Negro aka Hunico eigentlich ein verdammt talentierter Wrestler ist? Natürlich nicht. Nach ein wenig Hin und Her plättete Sin Cara ihn auch schon mit seiner La-Mistica-Facebuster-Variante und das war's. Der mittlerweile rote Power Ranger hat seinen Comeback-Sieg bei einer Großveranstaltung und was aus Hunico wird, scheint den Writer eh schnuppe zu sein. Sieger: Sin Cara.

Seite 2: Punk vs. Bryan vs. Kane & Cena vs. Big Show

WWE-Champion CM Punk vs. Daniel Bryan vs. Kane

Im Verlauf der Veranstaltung bekamen wir Backstage-Segmente mit allen drei Teilnehmern zu sehen. Jeweils war A.J. dabei und verpasste ihnen einen Schmatzer. Von Punk gab es dafür ein rotziges "Luck's for Losers" zurück, Bryan konnte sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen und Kane knutschte gleich mal en retour. Soweit, so gut, ab zur Action! Dort fehlte die Diva, die mal wieder dermaßen Zucker aussah, dass sie das Diabetes-Risiko im Publikum und beim Autor dieser Zeilen munter in die Höhe trieb, zu Beginn.

Stattdessen kickten Punk und Bryan Kane erst mal gemeinsam in Grund und Boden, bevor sie sich zur Freude der Fans einander zuwandten. Das GoatFace wurde dann relativ früh außerhalb des Rings ausgeschaltet, woraufhin Kane CMs Rippen malträtierte, indem er ihn um den Ringpfosten wickelte und anschließend mit einer Nierenschere weiter zermürbte. Zurück im Match, zerstörte Bryan Punk mit einem sensationellen, ungemein stiff aussehenden Dropkick mitten in die Visage in der Ecke und schaltete Kane mit einem kräftigen Tritt in dieselbige aus, um anschließend weiter den Champ zu verkloppen.

In der Folge bekamen wir auch etwas Three-Way-Action mit allen drei Männern im Ring geboten, unter anderem in Form einer Variante des Doomsday Device, bei dem Kane Bryan auf den Schultern trug und Punk ihn per Springboard Flying Clotheline runter kratzte. Ein weiteres Highlight sah Daniel Kane ausschalten und Punk in den Yes-Lock nehmen. Der drehte das Submission-Move, wie schon bei Over the Limit, zu einem Pin durch.

Dieses Mal konnte sich D-Bry aber befreien, nur um den Go to Sleep einzustecken und anschließend von Kane aus dem Ring und aus dem Match genommen zu werden. Das Finish spielte sich zwischen Punk und der Big Red Machine ab, die im zweiten Versuch den Chokeslam from Hell durchbekam - doch Punk kickte bei Zweieinhalb aus dem Pin!

Kane mit dem Ansatz zum Tombstone, Punk strampelt raus, wartet noch kurz, damit A.J. genug Zeit hat, in die Halle und auf den Apron zu stürmen - und schubst das Monster in die Seile, wodurch die Diva auf den Hallenboden geschleudert wird. Ein verwirrter Kane musste dann zunächst einen Kick an den Kopf und anschließend den GTS einstecken, CM verteidigte.

Ein starker Three-Way mit für WWE-Verhältnisse hohem Anteil an drei-Mann-Action endete somit etwas eigenwillig. Abgesehen davon, dass Punk offensichtlich darauf warten musste, bis A.J. sich positioniert hatte, erschien auch die Szene im Ganzen mal wieder leicht unlogisch. Wieso kam A.J. erst so spät und nicht erst beim Chokeslam from Hell? Sei's drum, die Storyline wurde weiter voran gesponnen. Sieger und weiterhin WWE-Champion: CM Punk.

Ryback vs. Dan Delaney & Rob Grymes

Jobber-Promo, Goldberg kommt rein und schmeißt sie durch die Gegend, Ende. "Feed me more!" Bitte nicht, mehr gibt's nicht zu schreiben. Sieger: Ryback.

John Cena vs. Big Show (Steel-Cage-Match)

Erinnert sich noch jemand an die Zeit, als Big Show noch Momentum hatte? Ist gerade mal ein, zwei Wochen her - und hat sich wohl schon wieder erledigt. Zu Anfang durfte der Hüne unter den wachsamen Blicken von John Laurinaitis und Vince McMahon, die am Ring saßen, Cena natürlich dominieren und munter in das Stahlgerüst rein hämmern.

Als der Chain Gang Soldier dann ungefähr zur Halbzeit das Blatt wenden konnte, wurde Big Johnny aktiv, kloppte einen Referee nieder und verhinderte, dass sein Namensvetter den Käfig durch die Tür verlassen konnte. Dafür setzte es eine von VinnieMac und die beiden gerieten tatsächlich aneinander.

Im Ring versuchte sich Cena derweil am Attitude Adjustment und wurde stattdessen mit der WMD ausgeknockt. Nun wäre es an Big gewesen, aus der Tür zu spazieren - wenn da nicht Johns Superfreunde Brodus Clay, Zack Ryder, Santino, Alex Riley und Kofi Kingston gewesen wären. Mit vereinten Kräften verhinderten sie, dass der Riese den Käfig verließ und revanchierten sich so für die Kloppe der letzten Wochen.

Cena zeigte das AA und kletterte auf den Käfig, wurde aber von einem wild die Krücke schwingenden Big Johnny aufgehalten. Derweil versuchte Show sein Glück mal wieder durch die Tür - und Cena ließ sich vom Gerüst auf den Hallenboden fallen. Anschließend musste Laurinaitis noch das Attitude Adjustment durch das spanische Kommentatorenpult (wodurch auch sonst?!) einstecken, während Vince ihm sein bezauberndes "YOU'RE FIIIIIIRED!" ins Ohr säuselte.

Cena mal wieder mit einem Erfolg, was aus Big Show wird, bleibt abzuwarten und Mr. Excitement wird in Zukunft wohl eine nicht ganz so hoch dekorierte Rolle bekleiden müssen. Sieger: John Cena.

Fazit

Klarer Fall von Übergangs-Pay-per-View, bei dem sich letzten Endes nicht viel getan hat. Die großen Überraschungen blieben ebenso aus wie ein Titelwechsel. Der Fokus lag eindeutig auf den beiden Main Events, die reichlich Zeit spendiert bekamen, Christian vs. Rhodes hätte derweil gerne etwas länger gehen dürfen. Sheamus vs. Ziggler wird man aller Qualitäten der beiden Männer und vor allem des Showoffs zum Trotz bald wieder vergessen haben, der Matchlänge und Vielzahl an angesetzten Submission-Griffen zum Trotz hatte man zu keinem Zeitpunkt ernsthaft das Gefühl, Dolph könne sich tatsächlich den Titel holen.

Erwartungsgemäßes gab es auch Triple H's Promo zu hören: der Cerebral Assassin erklärte, Brock Lesnar und er seien beide Kämpfer und Arschtreter. Doch nach der hinterlistigen Attacke des Biestes sei er wieder fit und bereit für ein Match beim SummerSlam. Wenn Brock kein Feigling sei, würde er sich ihm dort stellen und die beiden laufenden Storyline-Klagen gegen die WWE fallen lassen. Auf Deutsch: der Weg für den kommenden Main Event beim "SummerFest" (schöne Grüße an Jeremy Piven!) ist geebnet, feine Sache.

Weshalb man zwar das reichlich überflüssige Tuxedo-Match vorab ankündigte, die klar ansehnlicheren Matches Sin Cara vs. Hunico und vor allem den Tag-Team-Four-Way aber außen vor ließ, bleibt das Geheimnis der WWE. Ich wage weiterhin zu bezweifeln, dass man auf diese Weise mehr PPVs verkauft, denn kein Mensch erwartet doch ernsthaft, dass kurzfristig noch ein echtes Highlight auf die Card gepackt wird.

Apropos Lückenfüller: wie oft soll Ryback eigentlich noch exakt das gleiche Match abziehen, wann ändert sich mal IRGENDETWAS? Selbst drei Jobber müsste man mittlerweile als Sensation ansehen. Unterhält dieser Schund außer den dazu angehaltenen Kommentatoren eigentlich jemanden? Auf diese Weise bekommt man ihn weder over, noch findet irgendeine Entwicklung statt.

Und nochmal apropos, dieses Mal zum Thema Entwicklung: nach dem groß angelegten Aufbau wirkte der Einsatz von A.J. im Three-Way reichlich unspektakulär. Bei RAW wird man sehen, ob sie sich nun gegen Punk wendet, doch zumindest ein früheres Auftauchen am Ring hätte Sinn gemacht. Dem Match nimmt das natürlich nichts von seiner Klasse, es war das unumstrittene Highlight des Abends und das einzige auf der No-Escape-Card, an das man sich Ende des Jahres noch erinnern wird.

Alle WWE-Champions im Überblick