"Och Mann, ernsthaftes Wrestling?!"

Maurice Kneisel
31. Januar 201414:05
In München besiegten Daniel Bryan und CM Punk die Wyatt Family2013 wwe, inc. all rights reserved
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Daniel Bryan entthronte beim SummerSlam 2013 John Cena und ist mittlerweile dreifacher WWE World Champion. SPOX traf das Goatface im Rahmen der WWE Live-Tour in München und sprach mit ihm über Vorbilder und Wunschgegner, Wrestling in allen Teilen der Welt und klärte die Frage, was beim Wechsel von den Indy-Ligen zur WWE die größte Herausforderung darstellt.

SPOX: Hallo Daniel. Sie wirkten in den letzten Wochen aufgrund Ihrer Probleme mit der Authority häufiger wütend. Ist es an der Zeit, dass Sie Ihre Behandlung bei Dr. Shelby wieder aufnehmen?

Daniel Bryan: Das könnte gut sein (lacht). Man kann eben nur eine bestimmte Menge an Nackenschlägen wegstecken, bevor man selbst zurück schlägt.

SPOX: Vermissen Sie Dr. Shelby?

Bryan: Na klar, er ist urkomisch! Es war toll, Zeit mit ihm zu verbringen.

SPOX: Bitte erzählen Sie uns, wie Sie zum Wrestling gekommen sind und was Sie veranlasst hat, sich dafür zu entscheiden.

Bryan: Ich habe mich bei Shawn Michaels' Wrestling-Schule angemeldet, als ich 18 Jahre alt war, da ich schon seit meiner Kindheit Wrestlingfan war und das schon immer machen wollte. Leute wie Dean Malenko, Eddie Guerrero und Rey Mysterio haben mich erkennen lassen, dass es auch jemand mit meiner Größe schaffen kann. Ich bin eben nur 1,73 Meter groß und wiege unter 90 Kilogramm. Rey ist gerade mal 1,60 Meter groß und wiegt nur 70 Kilo und wenn er da rausgehen und das durchziehen kann, kann ich es auch. Diese Leute waren sehr inspirierend für mich.

SPOX: Sie haben Shawn Michaels schon angesprochen - sind er und William Regal Ihre großen Vorbilder?

Bryan: Shawn Michaels war maßgeblich beteiligt, denn er hat mir die Basics beigebracht, als ich seine Schule besuchte. Aber als ich anfing, regelmäßig zu wrestlen, zog ich nach Memphis und begann, mit William Regal zu trainieren. Mein Stil ähnelt seinem deutlich mehr als dem von Shawn Michaels. William Regal war der bestmögliche Mentor, denn während meiner gesamten Zeit als Indy-Wrestler hat er mich stets angerufen oder mir SMSen geschrieben, um zu fragen, wie es bei mir läuft oder weil er meine Matches sehen wollte. Er gab mir Feedback zu meinen Matches und beschaffte mir meinen ersten Auftritt in England, wo ich für Brian Dixon (All Star Wrestling, Anm. d. Red.) antrat, sowie die Gelegenheit, hier in Deutschland zu wrestlen. All diese Gelegenheiten verdanke ich William Regal. Selbst heute ist die erste Person, von der ich mir nach jedem Match Ratschläge hole, William Regal. Er ist eine großartige Bezugsquelle.

SPOX: Sie haben Ihre Zeit in England und Deutschland schon erwähnt, waren unter anderem auch in Japan aktiv. Welchen Einfluss hatten diese Erfahrungen, die Sie auf der ganzen Welt sammeln konnten, auf Ihre Karriere und Ihren Stil im Ring?

Bryan: Es macht dich einfach selbstbewusst, in jeder Situation. Heute sind wir beispielsweise in München, gestern Abend in Glasgow, nächste Woche in England und danach geht es wieder zurück in die verschiedensten Ecken der Vereinigten Staaten. Jedes Mal, wenn wir an einen dieser Orte kommen, unterscheidet sich das Publikum vom letzten und du musst für dieses bestimmte Publikum wrestlen. Manche Leute gehen raus und wrestlen immer den gleichen Stil, aber ich bevorzuge es, mich dem, was die Fans mögen, anzupassen. Wenn ich merke, dass es ihnen gefällt, mache ich weiter und besitze auch überall, wo ich hinkomme, das nötige Selbstbewusstsein, da ich eben schon in Mexiko, Japan, Kanada, Europa und vielen anderen Gegenden gewrestlet habe. Das macht mich einfach zu einem vielseitigen Wrestler.

SPOX: Wie war es für Sie, unlängst mit Ihrem Mentor Shawn Michaels vor laufenden WWE-Kameras zu arbeiten?

Bryan: Oh mein Gott, das war so cool! Man vergisst fast, dass jemand anwesend ist, wenn er beispielsweise den Referee gibt, aber die nächste Nacht bei Raw war einfach großartig; und nicht nur das, denn meinen Mentor zum Abklopfen zu zwingen, war auch ziemlich cool.

SPOX: Ist Shawn Ihr Traumgegner für ein mögliches WresteMania-Match, oder würden Sie jemand anderen vorziehen?

Bryan: Nein, es ist definitiv Shawn Michaels. Nicht nur, weil er mich trainiert hat, sondern auch, weil Shawn Michaels einfach der Beste ist. Er ist einfach der vielseitigste Wrestler aller Zeiten. Im Ring ist er ein fesselnder Charakter - in der Hinsicht gibt es einfach keinen, der ihm das Wasser reichen kann - und hat eine Verbindung mit dem Publikum wie kein Zweiter. Meiner Meinung nach ist Shawn klar der Beste.

Seite 2: Bryan über den Wechsel von den Indys zur WWE

SPOX: Wie verlief Ihr Wechsel von den Indys zur WWE - fiel es Ihnen leicht, oder mussten Sie sich stark anpassen?

Bryan: Manche Dinge waren einfach, andere schwer. Das Schwierigste - und darüber denkt vorher niemand wirklich nach - ist der Entrance. In den Indys machst du eigentlich nichts Besonderes, du gehst einfach raus nach dem Motto "Hey, hier bin ich!", steigst in den Ring und es kann losgehen. Aber dann spielt plötzlich deine Musik, du kommst raus auf die Bühne und alle starren dich an! Tausende Leute starren dich an und du stehst praktisch nur in deiner Unterhose auf dieser erhöhten Plattform! Das ist doch ziemlich anders als im Independent Wrestling. Klar, damals bin ich auch in meiner Unterhose raus spaziert, aber ich stand eben nicht auf dieser erhöhten Plattform. Die Leute freuten sich auch damals, mich zu sehen, aber sie starrten mich nicht an und waren auch nicht so weit weg. Nun stehst du plötzlich auf dieser Plattform und alle sind so verdammt weit weg. Also hast du das Gefühl, irgendetwas machen zu müssen und fragst dich: "Was soll ich denn jetzt anstellen? Irgendwas werde ich wohl machen müssen" (lacht). Das war für mich das Schwierigste. Davon abgesehen musst du natürlich lernen, was die Leute hier von dir erwarten, was auch nicht einfach ist. Aber der Entrance - oh Mann! Das setzt dir ganz schön zu, wenn du nicht darauf vorbereitet bist.

SPOX: Und was hat Sie dann zu der Entscheidung veranlasst, Ihre Finger in die Luft zu strecken und "YES!" zu rufen?

Bryan: (lacht) Damit habe ich begonnen, als ich die World Heavyweight Championship gewonnen hatte. Ich war einfach RICHTIG begeistert. Damals habe ich damit angefangen, weil ich der World Heavyweight Champion war... aber wieso mache ich es noch immer? Ich habe keine Ahnung! In erster Linie, weil die Fans es mögen.

SPOX: Haben Sie erwartet, dass es bei den Fans dermaßen over kommen würde?

Bryan: Nein, das habe ich nicht erwartet. Ich habe damit einfach nur aus Spaß angefangen und es kam verdammt gut an. Es ist unerklärlich, welche Dinge sich im Wrestling durchsetzen (lacht). Ein Beispiel: der People's Elbow. Die Leute lieben diese Aktion, nicht wahr? Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, es sei das Dümmste, was ich je im Leben gesehen habe. Aber die Leute lieben es, das ist verrückt!

SPOX: Wie ist es für Sie, dass Big Show mittlerweile von Zeit zu Zeit Ihren Yes-Taunt nutzt?

Bryan: HAH! (lacht) Das ist eins dieser Dinge: sobald du etwas machst und es gut ankommt, werden andere Leute es übernehmen. Na ja, ich mag Big Show, deswegen macht es mich nicht sauer. Es ist einfach witzig. Okay, ich habe es zuerst gemacht, aber um ehrlich zu sein, habe ich dieses YES-Ding auch nicht erfunden. Der UFC-Fighter Diego Sanchez streckte natürlich nicht seine Arme in die Luft, bei ihm war es einfach ein Positive-Einstellung-Ding. Er kam zum Ring und sagte dabei einfach immer wieder "Yes! Yes! Yes!" vor sich hin. Diego Sanchez ist ein fantastischer Kämpfer, aber ich dachte mir: "Das ist das Nervtötendste, was du je gesehen hast". Also entschied ich mich, es zu übernehmen, aber sogar noch nervtötender zu machen! (lacht) Leute übernehmen ständig etwas von anderen, das passiert einfach. Es ist einfach witzig, wie die Welt funktioniert.

SPOX: Apropos witzig: wir haben zu Beginn ja schon Dr. Shelby angesprochen. Sie haben sich letztes Jahr vom reinen Wrestler Daniel Bryan zu dem Kerl entwickelt, der mit Kane Team Hell No bildete und eine Wutbewältigungstherapie benötigte. Wie haben Sie es erlebt, sich plötzlich mehr auf Comedy und das Schauspielerische zu konzentrieren - und dann auch noch so gut darin zu sein?

Bryan: Es hat riesigen Spaß gemacht, auch dadurch, dass Kane in seiner Karriere nicht so oft die Gelegenheit hatte, solche Dinge zu machen. Es ist eine Tatsache, dass ich im Main Event des SummerSlam John Cena gegenüber stand, aber auch schon ein zehnminütiges Umarmungs-Segment mit Kane im weltweiten Live-Fernsehen hatte - das verdammt gut ankam (lacht). Das ist echt cool, es macht riesigen Spaß, die verschiedenen Facetten des Wrestling zu entdecken. Es gibt noch viele Dinge, die ich nicht erlebt habe und mit denen ich viel Spaß haben kann, das ist das Interessante an der Sache. Ich dachte, meine Karriere geht in eine bestimmte Richtung und plötzlich machte ich Comedy und hatte so unglaublich viel Spaß dabei. Dann hieß es auf einmal, ich soll zurück zum ernsthaften Wrestling gehen und ich dachte nur: "Och Mann, ernsthaftes Wrestling?!" (lacht). Doch dann habe ich gegen die Jungs vom Shield gewrestlet und das hat riesigen Spaß gemacht, genau wie das, was ich aktuell mache. Das Coolste am Wrestling ist, wie stark es sich ständig verändert und dich dabei mental und physisch fordert.

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SPOX: Letzte Frage: haben Sie rückblickend das Gefühl, dass Ihre 18-Sekunden-Niederlage gegen Sheamus bei WrestleMania 28 Ihrer Karriere mehr geholfen als geschadet hat?

Bryan: Das denke ich tatsächlich. Es hat die Leute, die mich mochten, stinkwütend gemacht. Es waren eine Menge Leute in der Halle, die es liebten, mich auszubuhen, doch letzten Endes wollten sie mich natürlich sehen. Dadurch, dass sie dann nicht die Chance hatten, mich wrestlen zu sehen, sind sie richtig sauer geworden und das hat die ganze Yes-Geschichte erst ins Rollen gebracht. Ich glaube nicht, dass sie sich jemals hätten vorstellen können, dass ich einmal so populär werden könnte, wie ich es heute bin. Was mich nach vorne katapultiert hat, waren nicht zahlreiche gewonnene Matches, sondern eine einzelne Niederlage, die ich verdammt schnell kassiert habe (schmunzelt). Wie ich schon sagte: es ist verrückt, wie dieses Geschäft manchmal funktioniert. Wenn das Gleiche 1992 passiert wäre, hätte es Sheamus zu einem der größten Superstars der WWE gemacht. Aber 2012 ist stattdessen der Verlierer zu einem der Top-Stars geworden (lacht).

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