Er ist der Übervater der Wrestling-Welt, seit über 30 Jahren. Vince McMahon, Boss und Hauptgestalter der WWE, ist am 24. August 70 Jahre alt geworden. SPOX blickt zurück auf das Lebenswerk des nimmermüden Bösewichts und verrät wie er tickt: Warum er es aus einer Wohnwagensiedlung an die Spitze schaffte - und wieso immer noch keine noch so kleine Entscheidung ohne ihn getroffen wird.
Wrestling-Fans wissen: Alles beginnt mit dem Einzug in die Arena. Ob nun Glas splittert und Stone Cold Steve Austin die Rampe herunterstürmt, oder The Rock zu seinem eigenen "If you smell...!" in an den Ring schreitet: Der richtige Auftritt, der erste Eindruck ist die halbe Miete. Die passende Musik, die entsprechende Körperhaltung, ein nettes Gimmick vielleicht noch, und dann muss selbst für einen WWE-Novizen klar sein, wen er da vor sich hat: Face (der Gute), Heel (der Böse), oder vielleicht auch mal ein Mittelding.
Wer also wissen möchte, was Vince McMahon in diesem "WWE-Universum" symbolisiert, der kann sich durch Interviews, Wikipedia und YouTube-Clips wühlen - oder er schaut sich dessen Aufmarsch in den Ring an. "You've got no chance! No chance in hell!" dröhnt es aus den Lautsprechern, wenn sich der Pate, der Big Daddy der Wrestling-Welt auf in Richtung Ring macht.
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Und dann dieser Laufstil. Selbstsicher, nein selbstverliebt geradezu, die Arme grotesk zuckend, ein "Power-Walk": Hier bin ich, Welt. Du kannst mir gar nichts! Unfassbar übertrieben, lächerlich, aber auch irgendwo Respekt abnötigend. Und spätestens jetzt ist klar: Dieser Typ mit dem teuren Maßanzug und dem breiten Kreuz macht keine halben Sachen.
"Ich bin bettelarm aufgewachsen. Wenn man so aufwächst, dann steht jeder 'über dir'. Es hat mich immer geärgert, wenn andere dachten, sie seien besser als ich."
Vince McMahon wird 1945 in einer Wohnwagensiedlung in North Carolina geboren. Er lebt bei seiner Mutter und einer Reihe von gewalttätigen Stiefvätern. Seinen leiblichen Vater Vince Sr. trifft er im Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal. Der Junge ist fasziniert vom Wrestling-Promoter, ist als Teenager ebenfalls ein guter Ringer und steigt nach einem Uni-Abschluss in Marketing selbst ins Familiengeschäft ein. Doch schon damals weiß er: "Ich muss das auf meine eigene Art machen."
Und die lautet eben: Keine halben Sachen. Das Wrestling-Business ist zu dieser Zeit aufgesplittet in diverse lokale Promotionen, die ihre Shows in örtlichen Fernsehsendern vertreiben. Jeder hat sein Territorium, man respektiert sich. Diese Zeiten sind vorbei, als Vince seinem Vater 1982 das Familiengeschäft abkauft: Die World Wrestling Federation. Zu dieser Zeit hat er sich bereits einen Namen als gewiefter Promoter gemacht, die Firma vergrößert. Aber: "Hätte mein Vater von meinen Plänen gewusst, er hätte nie an mich verkauft."
Die regionalen Zeiten sind vorbei: Vince, der zu dieser Zeit noch selbst als Announcer am WWF-Pult sitzt, setzt auf direkte Konfrontation mit der Konkurrenz. Seine Shows werden überregional ausgestrahlt, er wirbt Wrestler anderer Organisationen ab. Er setzt auf Verbindungen zur Popkultur, Verbindungen zu MTV, seine Shows bereisen das Land - und mit Hulk Hogan findet er 1984 seinen ersten Megastar. Als er 1985 mit großem finanziellen Risiko das erste WrestleMania stemmt, im Madison Square Garden, ist klar: Ein Fehlschlag und er ist draußen. 19.000 Fans und eine Million Zuschauer später ist klar: Er ist ganz oben.
"Vince schläft fast nie. Er arbeitet mehr als jeder andere. Er hat ein Imperium aufgebaut und sich den Arsch aufgerissen, um es zu schaffen." (Steve Austin)
Die World Wrestling Federation schafft es in den kommenden Jahren in die Wohnzimmer Amerikas. Zuerst TV, später Kabel und Pay-per-View, was neue Einkommensquellen erschließt. Viel wichtiger jedoch als die Wohnzimmer sind die Kinderzimmer: "Hulkamania" ist ein Phänomen über den Ring hinaus, er und andere Ikonen wie "Macho Man" Randy Savage ziehen eine neue Generation fanatischer Fans heran - Fanartikel natürlich inklusive. Als Hogan 1987 Andre the Giant bei WrestleMania III in die Höhe stemmt, schauen im Pontiac Silverdome über 93.000 Fans zu. McMahon expandiert, ruft im Laufe der Jahre ein gutes Dutzend weitere Pay-per-Views ins Leben.
Doch natürlich kann es nicht immer aufwärts gehen. Anfang der 90er hängt das Business in der Flaute, abgehängt vom Rivalen WCW. Die beiden Wrestling-Giganten liefern sich die "Monday Night Wars", in denen die WWF-Einschaltquoten den Kürzeren ziehen - bis McMahon eine neue Phase einläutet: Die "Attitude Era". Weg von familienfreundlichen Kiddie-TV. Stattdessen: Neue Antihelden, blutige, harte Matches mit irren Stunts, zynische Storylines. Aus dem freundlichen Kommentator Vince wird Oberschurke "Mr. Macmahon", der sich mit Stone Cold legendäre Fehden liefert.
Plötzlich ist die WWF wieder Kult - und gewinnt den Kampf mit der WCW, die sie 2001 für eine lächerlich geringe Summe schluckt. "Die andere wurden einfach müde: Das ganze Jahr herumreisen und TV machen. Sie hatten einfach nicht die gleiche Leidenschaft, da war es nur eine Frage der Zeit", so McMahon.
Spätestens jetzt gibt es keine Konkurrenz mehr für die WWF, auch dann nicht, als sie die "Attitude Era" beendet und sich in WWE, "World Wrestling Entertainment" umbenennt. Aus der Popkultur ist sie bis heute nicht mehr wegzudenken, Stars wie "The Rock" schaffen auch in Hollywood den Durchbruch. Aus der WWE ist ein milliardenschweres Business geworden, das weltweit ausgestrahlt wird.
Und immer ganz vorn dabei: Vincent Kennedy McMahon.
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"Ich gehöre nicht in Country Clubs. Ich bin der Normalbürger schlechthin, bis heute. Ich fahre zwar ein schönes Auto und so, aber ein Hauptgrund für den Erfolg der WWE ist der, dass ich mich nicht verändert habe."
Wo andere ihr Unternehmen von oben steuern und vor allem darauf achten, dass die Kasse klingelt, ist McMahon im Herzen der zwölf Jahre alte Wrestling-Fan von damals geblieben. Der Unterschied: Jetzt darf er mitreden. Und das tut er. "Das schlimmste Geräusch in unserem Geschäft ist Schweigen. Das bedeutet, dass es ihnen egal ist." Das zu verhindern, ist seine Mission.
Und so gibt es keine noch so kleine Entscheidung in der riesigen Maschinerie WWE, in der ihr Vorsitzender seine Finger nicht im Spiel hat. Es gibt zwar ein Autorenteam, aber die letzte Entscheidung über die Storylines liegt bei McMahon. Neue Wrestler und ihre Gimmicks? Sie müssen erst einmal an McMahon vorbei.
Das gefällt nicht jedem: Als John Cena vor einigen Jahren den kinderfreundlichen, unbesiegbaren WWE-Helden gab, protestierten die Hardcore-Fans der Attitude Era lautstark, und nicht wenige waren der Meinung, dass der Chairman seinen Finger nicht länger am Puls der Zeit habe.
Ändern wird sich das jedoch nicht, entspringt McMahons Rolle als Übervater der Szene doch seinem Selbstverständnis. Er als der im Herzen Otto Normalverbraucher gebliebene weiß am Besten, was die Fans dieser "Daily Soap für Männer" sehen wollen: Muskelbepackte Helden, schöne Frauen, ein leicht zu verfolgender Plot - sowie jede Menge Kleinholz und blaue Flecken.
Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt: McMahon bestimmt nicht nur - er macht auch jeden Scheiß mit. Ob er sich im "Kampf der Milliardäre" von Donald Trump den Schädel rasieren lässt, von Stone Cold eine Gartenschlauch-Bierdusche verpassen lässt oder auch selbst im Ring den Weg durch Holztische findet: keine halben Sachen eben.
"Ich habe keine Angst vor einem Fehlschlag. Ich mag es nicht, ich hasse es sogar. Aber ich habe keine Angst davor."
70 Jahre alt, steinreich und an der Spitze der Wrestling-Welt - doch eine einzige Erfolgsgeschichte ist die Laufbahn von McMahon nicht. Schon früh leistete er sich teure Fehlschläge wie ein Minor League Hockey-Team, welches in den 70ern nach nur einer Saison den Betrieb einstellen musste. Ein WWE-Restaurant in New York erwies sich als millionenschwerer Flop, und nur Hardcore-Fans erinnern sich noch an die XFL, seine 2001 gegründete Alternative zur NFL. Nach einem Jahr war Schluss, und selbst McMahon musste einen "kolossalen Fehlschlag" eingestehen.
Auch die WWE kämpft mit den Schatten ihrer Vergangenheit. Die mit Steroiden aufgepumpten Wrestler zahlen einen hohen Preis für den Ruhm, die harten Matches und den jahrelangen Zirkus ohne Offseason: Kaum ein Jahr vergeht ohne den frühen Tod eines Superstars - seien es Drogen, Herzprobleme oder Selbstmorde. McMahon selbst wurde in den 90ern vor Gericht angeklagt - er habe seine Wrestler angewiesen, Annabolika zu nehmen.
Was im Ring passiert - nun ja. Für jede gelungene Storyline finden sich ein halbes Dutzend Ideen, die spätestens heute einfach nur peinlich sind: Von derben Klischees bis hin zu rassistischen Gimmicks, Schlammcatchen mit leicht bekleideten Diven - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das kann auch mal ins Auge gehen: Nachdem McMahon seinen Superstar Bret "Hitman" Hart mit dem berühmten "Montreal Screwjob" bei dessen Abschied übers Ohr gehauen hatte, schlug der backstage wenig später zurück. Im wahrsten Sinne des Wortes.
"Bis er diese Erde verlässt, wird Vince McMahon über jeden Aspekt der Firma entscheiden." (Chris Jericho)
Wo geht die Reise also hin? Ihren Platz an der Popkultur-Sonne hat die WWE mittlerweile zementiert: Über die Pay-per-Views, ganz besonders WrestleMania, wird in Mainstream-Medien mittlerweile genauso berichtet wie in ESPN oder Sports Illustrated. Sportler, Schauspieler und Entertainer geben sich im Ring den Klappstuhl in die Hand.
Finanziell ging McMahon vor einiger Zeit ein großes Risiko ein, als er das WWE Network gründete, sich von den Kabelsendern lossagte und nun über das Internet direkt an den Endverbraucher vermarktet. Es könnte sich als teurer Fehler erweisen - oder als voller Erfolg und leuchtendes Beispiel für Nachahmer. Ganz so wie McMahon es gern hat.
Steht er dann immer noch an Spitze seines Babys? Körperlich hat er noch lange nicht nachgelassen: In der Zeitschrift Muscle and Fitness zeigte er sich vor kurzem muskelbepackt wie sonst nur seine Performer im Ring: 112 Kilo bei fünf Prozent Körperfett. "Der Fitnessraum ist meine Kirche. Das ist heiliger Boden", erklärte er.
Seinen Nachfolger hat er mit Schwiegersohn Triple H trotzdem bereits herangezogen. Der kennt das Business aus jahrzehntelanger eigener Erfahrung, doch es sind große Fußstapfen, die er zu füllen hat. Um es mit den Worten von Mr. McMahon zu sagen: "Ich habe Eier so groß wie Grapefruits - und du wirst am Sonntag die Kerne ausspucken."
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