Wrestling-Fans wissen: Alles beginnt mit dem Einzug in die Arena. Ob nun Glas splittert und Stone Cold Steve Austin die Rampe herunterstürmt, oder The Rock zu seinem eigenen "If you smell...!" in an den Ring schreitet: Der richtige Auftritt, der erste Eindruck ist die halbe Miete. Die passende Musik, die entsprechende Körperhaltung, ein nettes Gimmick vielleicht noch, und dann muss selbst für einen WWE-Novizen klar sein, wen er da vor sich hat: Face (der Gute), Heel (der Böse), oder vielleicht auch mal ein Mittelding.
Wer also wissen möchte, was Vince McMahon in diesem "WWE-Universum" symbolisiert, der kann sich durch Interviews, Wikipedia und YouTube-Clips wühlen - oder er schaut sich dessen Aufmarsch in den Ring an. "You've got no chance! No chance in hell!" dröhnt es aus den Lautsprechern, wenn sich der Pate, der Big Daddy der Wrestling-Welt auf in Richtung Ring macht.
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Und dann dieser Laufstil. Selbstsicher, nein selbstverliebt geradezu, die Arme grotesk zuckend, ein "Power-Walk": Hier bin ich, Welt. Du kannst mir gar nichts! Unfassbar übertrieben, lächerlich, aber auch irgendwo Respekt abnötigend. Und spätestens jetzt ist klar: Dieser Typ mit dem teuren Maßanzug und dem breiten Kreuz macht keine halben Sachen.
"Ich bin bettelarm aufgewachsen. Wenn man so aufwächst, dann steht jeder 'über dir'. Es hat mich immer geärgert, wenn andere dachten, sie seien besser als ich."
Vince McMahon wird 1945 in einer Wohnwagensiedlung in North Carolina geboren. Er lebt bei seiner Mutter und einer Reihe von gewalttätigen Stiefvätern. Seinen leiblichen Vater Vince Sr. trifft er im Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal. Der Junge ist fasziniert vom Wrestling-Promoter, ist als Teenager ebenfalls ein guter Ringer und steigt nach einem Uni-Abschluss in Marketing selbst ins Familiengeschäft ein. Doch schon damals weiß er: "Ich muss das auf meine eigene Art machen."
Und die lautet eben: Keine halben Sachen. Das Wrestling-Business ist zu dieser Zeit aufgesplittet in diverse lokale Promotionen, die ihre Shows in örtlichen Fernsehsendern vertreiben. Jeder hat sein Territorium, man respektiert sich. Diese Zeiten sind vorbei, als Vince seinem Vater 1982 das Familiengeschäft abkauft: Die World Wrestling Federation. Zu dieser Zeit hat er sich bereits einen Namen als gewiefter Promoter gemacht, die Firma vergrößert. Aber: "Hätte mein Vater von meinen Plänen gewusst, er hätte nie an mich verkauft."
Die regionalen Zeiten sind vorbei: Vince, der zu dieser Zeit noch selbst als Announcer am WWF-Pult sitzt, setzt auf direkte Konfrontation mit der Konkurrenz. Seine Shows werden überregional ausgestrahlt, er wirbt Wrestler anderer Organisationen ab. Er setzt auf Verbindungen zur Popkultur, Verbindungen zu MTV, seine Shows bereisen das Land - und mit Hulk Hogan findet er 1984 seinen ersten Megastar. Als er 1985 mit großem finanziellen Risiko das erste WrestleMania stemmt, im Madison Square Garden, ist klar: Ein Fehlschlag und er ist draußen. 19.000 Fans und eine Million Zuschauer später ist klar: Er ist ganz oben.
"Vince schläft fast nie. Er arbeitet mehr als jeder andere. Er hat ein Imperium aufgebaut und sich den Arsch aufgerissen, um es zu schaffen." (Steve Austin)
Die World Wrestling Federation schafft es in den kommenden Jahren in die Wohnzimmer Amerikas. Zuerst TV, später Kabel und Pay-per-View, was neue Einkommensquellen erschließt. Viel wichtiger jedoch als die Wohnzimmer sind die Kinderzimmer: "Hulkamania" ist ein Phänomen über den Ring hinaus, er und andere Ikonen wie "Macho Man" Randy Savage ziehen eine neue Generation fanatischer Fans heran - Fanartikel natürlich inklusive. Als Hogan 1987 Andre the Giant bei WrestleMania III in die Höhe stemmt, schauen im Pontiac Silverdome über 93.000 Fans zu. McMahon expandiert, ruft im Laufe der Jahre ein gutes Dutzend weitere Pay-per-Views ins Leben.
Doch natürlich kann es nicht immer aufwärts gehen. Anfang der 90er hängt das Business in der Flaute, abgehängt vom Rivalen WCW. Die beiden Wrestling-Giganten liefern sich die "Monday Night Wars", in denen die WWF-Einschaltquoten den Kürzeren ziehen - bis McMahon eine neue Phase einläutet: Die "Attitude Era". Weg von familienfreundlichen Kiddie-TV. Stattdessen: Neue Antihelden, blutige, harte Matches mit irren Stunts, zynische Storylines. Aus dem freundlichen Kommentator Vince wird Oberschurke "Mr. Macmahon", der sich mit Stone Cold legendäre Fehden liefert.
Plötzlich ist die WWF wieder Kult - und gewinnt den Kampf mit der WCW, die sie 2001 für eine lächerlich geringe Summe schluckt. "Die andere wurden einfach müde: Das ganze Jahr herumreisen und TV machen. Sie hatten einfach nicht die gleiche Leidenschaft, da war es nur eine Frage der Zeit", so McMahon.
Spätestens jetzt gibt es keine Konkurrenz mehr für die WWF, auch dann nicht, als sie die "Attitude Era" beendet und sich in WWE, "World Wrestling Entertainment" umbenennt. Aus der Popkultur ist sie bis heute nicht mehr wegzudenken, Stars wie "The Rock" schaffen auch in Hollywood den Durchbruch. Aus der WWE ist ein milliardenschweres Business geworden, das weltweit ausgestrahlt wird.
Und immer ganz vorn dabei: Vincent Kennedy McMahon.