WWE - Problemfall Universal Championship: Die Unendlichkeit der Einfallslosigkeit

Von Maurice Kneisel
Brock Lesnar verteidigte die Universal Championship bei WrestleMania 34 erfolgreich gegen Roman Reigns.
© WWE

Als Braun Strowman vergangenen Sonntag unter lautem Gegröle seinen frisch gewonnenen Money in the Bank-Koffer Richtung Hallendach der Allstate Arena reckte, dürfte selbst seinen größten Kritikern nach Jubelschreien zumute gewesen sein. Dieses Ergebnis macht Hoffnung auf das Wiederaufleben des seit über einem Jahr festgefahrenen Universal-Title-Rennens rund um Brock Lesnar und Roman Reigns.

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Die WWE hat zwei World Title. So offensichtlich diese Tatsache erscheinen mag, so dringend muss sie nach den letzten knapp 16 Monaten doch betont werden. Denn während der WWE-Champion-Titel bei SmackDown in diesem Zeitraum regelmäßig verteidigt wurde, war das im Juli 2016 neu eingeführte Raw-Pendant praktisch nicht präsent.

Seit der 50 Jahre alte Bill Goldberg bei Fastlane 2017 in unter 20 Sekunden Kevin Owens entthronte, war der Titel verdammt. Ein dank der Chemie zwischen Owens und Chris Jericho extrem unterhaltsamer Run wurde geopfert für die dritte Auflage von Goldberg vs. Lesnar. Bei WrestleMania 33 gewann Lesnar den Gürtel von der WCW-Legende und startete den längsten und statischsten Run der neueren WWE-Geschichte.

Während seiner aktuell 14 Monate währenden Regentschaft hatte Lesnar, wenn überhaupt anwesend, nur einen ernsthaften Herausforderer: Roman Reigns, Vince McMahons neuen Posterboy, der aufgrund jahrelanger Booking-Fehler von einem signifikanten Teil des Publikums lautstark abgelehnt wird.

Der Koffergewinn des 2,03 Meter großen und 175 Kilo schweren Strowman, der sich in den letzten drei Jahren von einem vermeintlich ungelenken, talentfreien Big Stiff zum imposantesten Big Man der WWE-Geschichte entwickelt hat, trägt die Hoffnung darauf, dass dem Universal-Title-Picture endlich wieder Leben eingehaucht wird. Doch blicken wir zunächst auf die Gründe für diese Entwicklung.

Problemfall #1: Brock Lesnar

Seit knapp vier Jahren kann man mit 99,9-prozentiger Sicherheit den Ablauf jedes Lesnar-Matches präzise voraussagen: Zahlreiche Suplexe, ein bis mehrere F-5s (falls der Gegner Reigns heißt) und vielleicht ein bladender Lesnar. Mehr wird nicht geboten, seine Matches knacken nur noch selten die Zehn-Minuten-Marke.

Nach seinem WWE-Comeback 2012 zeigte Lesnar durchaus noch ansehnliche Kämpfe, konzentrierte sich auf sein MMA-Arsenal inklusive brutaler Kniestöße und dem Kimura. Erst mit dem Squash-Sieg gegen John Cena beim SummerSlam 2014 wurde Lesnars Moveset extrem eingeschränkt. Vermutlich kamen die Verantwortlichen zu der Überzeugung, er benötige keine weiteren Moves mehr, um seine Dominanz zu beweisen.

Brock Lesnar: Nicht existente Titelrennen

Lesnars im April diesen Jahres unterzeichneter neuer Vertrag soll ihm laut WWE-Insider Dave Meltzer (Wrestling Observer Newsletter) neben diversen anderen Vergünstigungen und Sonderzahlungen 500.000 US-Dollar (ca. 432.000 Euro) pro Match und 100.000 Dollar (über 86.000 Euro) pro Auftritt einbringen. Summen, die dazu geführt haben, dass die WWE ihn mittlerweile noch seltener einsetzt als zuvor.

Da Lesnar die Money-Matches gegen die meisten WWE Top-Stars bereits absolviert hat, wäre dies an sich kein Problem, man könnte ihn lediglich für Highlights wie WrestleMania oder den SummerSlam booken. Doch stattdessen hält er seit 14 Monaten die Universal Championship und verteidigte sie in dieser Zeit lediglich sechsmal bei Pay-per-Views.

Das World-Title-Rennen bei Raw ist somit praktisch nicht mehr existent, der Weg in den Main Event blockiert. Main-Event-Kaliber wie Seth Rollins müssen sich mit der Intercontinental Championship begnügen. Neben Reigns hat Lesnar den Universal-Titel 2017 zwar auch gegen Samoa Joe und Strowman verteidigt. Allerdings wurden beide Gegner in den Matches nicht sonderlich stark dargestellt und gingen eher geschwächt als gestärkt daraus hervor.

Problemfall #2: Roman Reigns

Der zweite Grund für den Stillstand der Division ist Lesnars Dauerherausforderer Roman Reigns. Dabei muss betont werden, dass dies weniger an dessen Können im Ring liegt. Der 33-Jährige aus Pensacola, Florida ist mittlerweile absolut dazu in der Lage, ordentliche Matches abzuliefern, mit guten Gegnern sogar hochklassige.

Auch schauspielerisch und am Mikrofon hat sich der Big Dog seit seiner Shield-Zeit merklich verbessert. Obgleich er offensichtlich nicht über das charismatische Talent eines Rock oder John Cena verfügt, das Vince McMahon in ihm zu sehen scheint, liegt sein Hauptproblem seit jeher bei seinem Booking. Um es noch deutlicher zu formulieren: Roman Reigns ist der am schlechtesten gebookte Main Eventer in der Geschichte der WWE.

Seine Darstellung ist ein liebloser Abklatsch von Cena, die für Roman geschriebenen Promos teilweise an Peinlichkeit kaum zu überbieten (Stichwort "Sufferin' Succotash!"). Immer wieder scheitern die Verantwortlichen mit kläglichen Versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, zuletzt etwa mit einer Fehde gegen den unpopulären Ex-WWE-Champ Jinder Mahal.

Roman Reigns: Scheitern mit Ansage

Dass diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt sein können, kommt für jeden Zuschauer, der sich schon etwas länger mit Wrestling befasst, mit lauter Ansage. Nur die Verantwortlichen scheinen diese Ansagen (bewusst) zu überhören.

Cenas Aufbau enthielt natürlich auch Elemente anderer Legenden, wie beispielsweise eines Hulk Hogan, kann aber nicht als Blaupause für den nächsten Top Face dienen! Spätestens die negativen Reaktionen, die er Ende der letzten Dekade als unbesiegbarer Superman zog, haben dies deutlich gezeigt. Doch man verschloss lieber die Augen davor, statt für Reigns ein eigenes Konzept zu entwerfen.

Nun hat man formell ein neues WWE-Aushängeschild, das zwar den Look und das Können eines Main Eventers besitzt, aber aufgrund dieser lieb- und einfallslosen Kopie eines Aufbaus völlig verbrannt wurde. Reigns kann nur noch ein radikaler Kurswechsel retten, der seit Jahren vieldiskutierte Heel-Turn wäre die naheliegendste Maßnahme.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die WWE diesen Schritt tatsächlich wagen wird, solange ein bedeutender Teil ihrer Zielgruppe (Kinder) den neuen Superman noch annimmt, dürfte verschwindend gering sein.

Die letzte Hoffnung: Braun Strowman

Nie zeigte sich Reigns' Scheitern deutlicher als in der Fehde gegen Strowman. Das Monster among Men betrat diese Storyline als Heel, ging mit großer Brutalität gegen den Big Dog vor und stürzte u.a. einen Krankenwagen um, in dem laut Storyline der durch ihn schwer verletzte Roman lag. Doch statt Mitgefühl mit dem malträtierten Babyface zu zeigen, erzwangen die Fans einen Face-Turn Strowmans.

Es erscheint absurd, dass Vince McMahon sich bislang standhaft weigerte, einen Mann an die Spitze seines Unternehmens zu pushen, der seinem Prototypen eines WWE Main Eventers exakt entspricht: Ein muskulöser Hüne, der der Bezeichnung "Larger than life" alle Ehre macht. Neben dem Look und der schier unmenschlichen Kraft verfügt Strowman auch über das nötige schauspielerische Talent, die Mic Skills und eine Beweglichkeit, die ein Mann seiner Statur eigentlich nicht besitzen dürfte.

Zumindest fanseitig hat Strowman Reigns den Rang längst gnadenlos abgelaufen. Dennoch erschien es, bei all seinen Erfolgen, wie zuletzt dem Triumph beim Greatest Royal Rumble, fraglich, ob man seinen Push tatsächlich zu Ende führen würde.

Strowman: Chance auf dem Servierteller

Strowmans Gewinn des Money in the Bank-Koffers könnte ein Umdenken bei den Verantwortlichen signalisieren. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass man noch einen Supergau fabrizieren und Strowman gegen Lesnar oder Reigns erfolglos eincashen lassen wird. Oder aber er nimmt schlicht Lesnars Platz ein und dominiert auf Jahre das Titelrennen.

Doch die Chance, Strowman an die Spitze der WWE zu katapultieren, Reigns in diesem Zuge Heel zu turnen und die mit Abstand beste Fehde, die beiden Männer in ihrer jeweiligen Karriere bislang vergönnt war, mit vertauschten Rollen neu aufleben zu lassen, liegt praktisch auf dem Servierteller.

Ergreift die WWE diese Chance, könnte nach 16 Monaten Stagnation endlich das geschehen, was sich auch die Verantwortlichen wünschen müssten: die Wiederauferstehung des World-Title-Rennens ihrer Flaggschiff-Show!

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