Trotz Vertrag bis 2026: Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm hört nach vier Jahren auf und wechselt zum Schweizer Spitzenklub SC Bern.
Toni Söderholm war schon weit weg, als die sportliche Führung des Deutschen Eishockey-Bundes den unerwarteten und unverzüglichen Abschied ihres Bundestrainers öffentlich kundtat. Während der finnische Erfolgscoach am Mittwochmittag bereits die erste Einheit bei seinem neuen Arbeitgeber SC Bern leitete, kehrten DEB-Vize Andreas Niederberger und Sportdirektor Christian Künast mühsam die Scherben zusammen - aus einer eigentlich bis 2026 geklärten Personalie ist eine Großbaustelle geworden.
"Natürlich waren wir überrascht, als Toni an uns herangetreten ist", sagte Niederberger merklich zerknirscht: "Wir haben das gemeinsam besprochen und sind zum Entschluss gekommen, dass wir ihm keine Steine in den Weg legen werden."
Heißt: Söderholm, der erst im März für vier Jahre verlängert hatte, erhielt wie gewünscht die sofortige Freigabe für einen Wechsel zum Schweizer Topklub. Ob der DEB zumindest eine Ablösesumme für den 44 Jahre alten Finnen erhält, wollte Niederberger nicht kommentieren.
Söderholm selbst hatte zuvor in einem schriftlichen DEB-Statement erklärt: "Für mich war immer klar, dass ich eines Tages die Herausforderung der täglichen Arbeit im Klub suchen möchte. Die Chance, kurzfristig bei einem europäischen Spitzenklub, für den ich selbst gespielt habe, einzusteigen, ist attraktiv."
Söderholm: Starke Ergebnisse mit Rückschlag bei Olympia
Und weil nach Marco Sturm (Assistent Los Angeles Kings) der nächste Bundestrainer höheren Reizen erlag, wertete Künast den schmerzlichen Verlust des bis Olympia 2026 eingeplanten Söderholms auch gar nicht als Niederlage: "Bei Marco war es die NHL, bei Toni ist es der vielleicht größte Klub Europas. Das wertet uns auf, weil es zeigt, wie gut wir Trainer ausbilden."
Erst am Sonntag verteidigte Söderholm mit der Nationalmannschaft erfolgreich den Deutschland Cup in Krefeld. Dass es während des Turniers zwischen Söderholm und der DEB-Führung zu handfestem Zank gekommen sein soll und der Finne schon vor Cup-Ende hinschmeißen wollte, bestritt Künast.
Dennoch: Die Entwicklung rund um Söderholm, der im Dezember 2018 Nachfolger des Olympia-Silbermedaillengewinners Sturm geworden war und das deutsche Team bei der WM in Finnland mit der besten Vorrunde der Geschichte ins Viertelfinale geführt hatte, überrollte die DEB-Führung förmlich.
imago imagesSöderholm als Nachfolger von Johan Lundskog
"Am Sonntagabend ist Toni auf uns zugekommen. Den ganzen Montag haben wir uns damit befasst, am Montagabend signalisiert, dass wir eine Freigabe erteilen. Am Dienstag wurden die Details geklärt", sagte Künast. Und nach der öffentlichen Bekanntgabe am Mittwoch, beginnt ab Donnerstag die schwierige Suche nach einem Nachfolger.
Ob eine verbandsinterne Lösung wie U20-Coach Tobias Abstreiter oder eine externe, ob ein freier Trainer oder einer, der aus dem Vertrag herausgekauft werden müsste, ob ein "Hauptbundestrainer" oder ein Klubcoach in Doppelfunktion, ob ein deutscher oder internationaler Fachmann: "Im Moment ist alles denkbar", sagte Künast.
Die Zeit drängt nicht unbedingt, bis deutlich ins neue Jahr kann das Casting gefahrlos dauern, ohne die Vorbereitung auf die WM 2023 in Finnland und Lettland (12. bis 28. Mai) zu gefährden.
Anders als für den Verband ist es für Söderholm eine Win-Situation: Der ehrgeizige Finne unterschrieb in Bern - dort wurde er schon am Mittwoch offiziell vorgestellt - bei einem Topklub, für den er selbst von 2005 bis 2007 spielte und bei dem derzeit der deutsche Nationalspieler Dominik Kahun unter Vertrag steht.
Und Bern, das Anfang des Monats Vorgänger Johan Lundskog entlassen hatte, könnte für Söderholm zum nächsten Sprungbrett werden. Zum Sprung in die NHL - sein Traumziel. Wie schnell sich Perspektiven auftun können, weiß Söderholm schließlich.