Manager Christian Winkler und Coach Pat Cortina sind die Macher des EHC München und hauptverantwortlich für den Aufstieg in die DEL. Bei SPOX spricht die Manager-Trainer-Combo über die Probleme der DEL, das Potenzial der Sportstadt München und ihre große Vision. Außerdem stellt Coach Cortina seine Traum-Reihe zusammen.
SPOX: Köln und Krefeld hatten riesige Probleme, Frankfurt ist Geschichte, Meister Hannover stand vor dem Aus - und was mit Kassel ist, versteht niemand. Was denken Sie bei diesen Schlagzeilen, die die DEL in jüngster Vergangenheit produziert hat?
Christian Winkler: Es ist auf der einen Seite natürlich unschön, wenn man praktisch jede Woche mit einer neuen Hiobsbotschaft konfrontiert wird, aber auf der andern Seite schauen wir in München auf uns selbst und nicht auf die anderen. Es bringt mir nichts, über Hannover oder Kassel zu diskutieren, wenn ich meine eigenen Hausaufgaben nicht mache. Und auch wenn es sicher nicht positiv war, was in letzter Zeit passiert ist, sollten wir aufpassen, nicht alles gleich kaputt zu reden. Wir sollten froh sein, dass Hannover noch die Kurve bekommen hat. Es hätte nichts Schlimmeres geben können als eine Saison ohne den amtierenden deutschen Meister.
Pat Cortina: Ich finde es bedauerlich, was sich in der DEL bei verschiedenen Klubs abgespielt hat, aber das ist Teil unserer heutigen Gesellschaft. Überall in der Welt gibt es Crashs, der Eishockeysport ist dagegen nicht immun. Mein Fokus liegt auf dem EHC München. Ich freue mich einfach, dass wir in der DEL dabei sind.
SPOX: Müssen sich als Konsequenz aber nicht einige Dinge ändern bei den Vereinen?
Winkler: Es gibt keinen Masterplan, wie man solche Fälle verhindern kann. Ich hoffe aber, dass spätestens jetzt überall die Alarmglocken schrillen und jeder weiß, dass er nur so viel Geld ausgeben kann, wie ihm eben zur Verfügung steht. Das muss sich in Zukunft bessern. Auch diejenigen, die immer noch nicht kapiert haben, dass der Eishockeysport finanziell nicht mehr so viel hergibt wie vielleicht noch vor fünf, sechs Jahren, müssen das jetzt mal kapieren. Außerdem möchte ich auch an die Fans appellieren. Wir leben in einer Gesellschaft, in der nur Siege zählen und erwartet werden. Wenn das aber mit dem Budget des Vereins nicht vereinbar ist, wäre es angebracht, realistischer zu sein. Auch wenn es schwer fällt.
SPOX: Sie sprechen die Fans an. Was viele Fans aber sicher nicht verstehen, sind manche Entscheidungen der DEL. Die Playoff-Zeit ist die beste Zeit des Jahres. Warum nützt man das nicht aus und spielt alle Serien im Format "best of seven"?
Cortina: Ob best of seven, best of five, best of three - mir ist alles recht, solange wir die Playoffs schaffen (lacht). Nein, ich gebe Ihnen ja vollkommen Recht. In den Playoffs ist die Qualität der Spiele am höchsten. Im Best-of-seven-Format hätten wir also noch mehr Spiele dieser hohen Qualität. Aber ich sehe das nicht als großes Problem an. Die Hauptsache ist, dass die Qualität stimmt, egal in welchem System wir spielen.
SPOX: Okay, wie hoch ist die Qualität der DEL denn Ihrer Meinung nach? Selbst die Eisbären Berlin holen Spieler aus der unterklassigen East Coast Hockey League aus Nordamerika, weil die absoluten Top-Ausländer überall hingehen, aber nicht in die DEL.
Cortina: Nun ja, nur weil ein Spieler aus der ECHL kommt, heißt das ja nicht automatisch, dass er kein guter Spieler ist. Ich denke schon, dass das Niveau in Deutschland sehr hoch ist. Natürlich gibt es in Europa bessere Ligen, aber diese Erkenntnis ist nicht gerade neu. Das hier ist Deutschland - und Deutschland ist nun mal kein Eishockey-Land. Wenn man glaubt, mit der KHL mithalten zu können, sind das unrealistische Erwartungen.
SPOX: Die Münchner Fans wären wohl in erster Linie schon froh, wenn das Projekt "Eishockey in München" diesmal auf gesünderen Beinen steht als in der Vergangenheit. Was unterscheidet den EHC von den Vorgängern wie den Barons?
Winkler: Wenn wir uns das jüngste Projekt genauer anschauen, dann war es bei den Barons so, dass ein Team total aus dem Boden gestampft wurde. Es wurde ohne Zweifel toller Sport geboten, aber es war keine gewachsene Entwicklung. Von heute auf morgen wurden die Barons geboren und genauso schnell waren sie wieder weg. Auch bei Hedos wurde damals trotz der glorreichen Zeiten der Fehler gemacht, dass man zu schnell zu viel wollte. Diesen Fehler wollten wir nicht mehr machen. Wir sind in den letzten Jahren gesund gewachsen. Vor fünf Jahren sind wir in die zweite Liga aufgestiegen, vor zwei Jahren standen wir im Finale - und jetzt ist der logische nächste Schritt gekommen. An dieser Philosophie wird sich auch in der DEL nichts ändern. Wir werden nicht von den Top 8 herumposaunen. Ich hoffe, dass wir es in den nächsten drei Jahren schaffen, uns in der Liga zu akklimatisieren und zu stabilisieren, sodass wir dann eine gestandene Playoff-Mannschaft sind.
SPOX: Mit dem Basketball-Projekt des FC Bayern ist neue Konkurrenz in der Stadt entstanden. Sie teilen sich sogar die Olympia-Eishalle.
Winkler: Ich bin davon überzeugt, dass wir uns gegenseitig nur befruchten können. München outet sich immer als Sportstadt - da sollte es doch möglich sein, dass neben dem allgegenwärtigen Fußball auch Platz für zwei andere Sportarten ist, die die Fans begeistern. München ist schließlich eine Millionen-Stadt. Andere Großstädte machen uns vor, wie das funktionieren kann. Dazu kommt unsere Hoffnung auf eine erfolgreiche Olympia-Bewerbung, die dann den Bau einer neuen Multifunktions-Arena in München zur Folge hätte. Dort einmal zu spielen ist unsere Vision.
Teil 2: Pat Cortina über einen möglichen DEL-Shootingstar und seine Traum-Reihe
SPOX: Wie sehr Eishockey die Fans in Deutschland in den Bann ziehen kann, hat die WM im eigenen Land gezeigt. Wie haben Sie das Turnier erlebt?
Cortina: Ich war natürlich genauso wie jeder andere Mensch in der Eishockey-Welt vom sensationellen Erfolg des deutschen Teams extrem überrascht. Aber auch extrem glücklich darüber. Bei der WM hat man wieder einmal gesehen, was Tolles passieren kann, wenn man hart arbeitet. Uwe Krupp und sein Trainerstab leisten seit Jahren hervorragende Arbeit - jetzt wurden sie dafür belohnt. Ich hoffe, dass ich mit Uwe in dieser Saison häufig in Kontakt stehen werde, weil das heißen würde, dass er sich für einige meiner Spieler interessiert.
SPOX: Der EHC-Kader für die neue Saison ist inzwischen komplett. Wie lauten die konkreten Ziele?
Cortina: Für uns geht es erst einmal darum, uns in der Liga zurechtzufinden. Wenn wir es in die Top 10 schaffen, kann ab diesem Zeitpunkt immer alles passieren, aber daran sollten wir noch nicht denken. Für uns muss es darum gehen, dass wir Ende März noch Eishockey spielen.
SPOX: Ein potenzieller Shootingstar in der DEL ist Jordan Webb, der aus Kaufbeuren nach München gekommen ist. In der zweiten Liga hat er gescort ohne Ende. Kann er das auch in der DEL?
Cortina: Das glaube ich definitiv, sonst wäre er wahrscheinlich auch nicht hier. Es wird einige Zeit dauern, bis er sich an das höhere Niveau angepasst hat, aber ich bin guter Dinge, dass er uns weiterhelfen wird. Er ist ein extrem intelligenter und offensiv sehr kreativer Spieler. Er passt gut in unsere Mannschaft. Meine Teams sollen ehrlich und bescheiden auftreten und hart arbeiten. Ich will, dass wir offensiv effektiv sind und dass es defensiv für den Gegner schwierig ist, gegen uns zu spielen. Das muss alles nicht spektakulär sein. Spektakulär nur in der Hinsicht, wie hart wir arbeiten.
ImagoSPOX: Im Tor setzen Sie weiter auf ein deutsches Duo: Sebastian Elwing und Joey Vollmer. Gab es keine Überlegung, einen starken Ausländer als Nummer eins zu holen?
Cortina: Wir würden lügen, wenn wir sagen würden, dass wir nicht darüber nachgedacht hätten. Aber wir haben nicht lange darüber nachgedacht. Sebastian und Joey haben einen großen Anteil an dem, was wir hier erreicht haben. Sie haben sich diese Chance redlich verdient. Jetzt bekommen sie die Chance. Peppi Heiß wird mit ihnen arbeiten, und hoffentlich werden sie der Herausforderung gewachsen sein. Bei uns in München geht es ein bisschen anders zu als bei anderen Klubs. Es geht auch um Loyalität. Deshalb vertrauen wir den beiden Jungs.
SPOX: Wer Pat Cortina erlebt, der merkt, dass er praktisch ständig unter Strom steht. Nicht schlecht ist ihm nicht gut genug. Was macht Pat Cortina Ihrer Meinung nach aus, Herr Winkler?
Winkler: Pat ist ein im positiven Sinne Eishockey-Verrückter. Er lebt das vor, was er von seinen Spielern verlangt, und überlässt nichts dem Zufall. Darüber hinaus ist er aber auch ein fantastischer Mensch, der nie vergisst, dass es hinter dem Spieler auch einen Menschen gibt. Dieser Mix zeichnet ihn aus.
SPOX: Im Prinzip ist Eishockey für Sie ein 24/7-Job, Herr Cortina?
Winkler: (unterbricht) Sagen wir 22 Stunden. Die restlichen zwei Stunden wird gut gegessen.
Cortina: Es stimmt, dass Eishockey irgendwo mein Leben ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich der Sport an sich ist. Es ist mehr die Gruppendynamik, die tägliche Arbeit mit den Jungs, sie dahin zu bekommen, dass sie so spielen, wie ich es mir wünsche. Das macht den Job für mich aus.
SPOX: Einen Job, den Sie jetzt schon sehr lange machen. Mit 24 Jahren sind Sie aus Kanada weggegangen, um in Italien Coach zu werden. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Cortina: Ich habe meine Familie damals nicht verlassen, um Trainer zu werden, sondern um eine interessante Lebenserfahrung zu machen. Eishockey-Coach zu sein war meine Entschuldigung dafür, dass ich etwas Neues erleben wollte. Und dann ging es irgendwie Jahr für Jahr weiter. Ich kann gar nicht glauben, dass seitdem schon 23 Jahre vergangen sind. Es war eine tolle Zeit.
SPOX: Haben Sie eigentlich noch den Traum, einmal in der NHL zu coachen?
Cortina: (lacht) Nein, ich bin ein realistischer Mensch. Ich bin 46 Jahre alt, keine 23. Ich lebe meinen Traum in München.
Winkler: Pat ist sehr bescheiden. Man weiß nie, was noch kommt. Ich bin froh, dass er in den nächsten Jahren in München sein wird, aber wenn er danach in die NHL geht, kann ich ihn vielleicht anrufen und er kann mir ein Ticket besorgen (lacht).
SPOX: Eine Abschlussfrage an den Coach. Sie dürfen sich eine Traum-Reihe zusammenstellen, alle Spieler auf der ganzen Welt sind verfügbar. Wen nehmen Sie?
Cortina: (überlegt lange) Bryan Adams, David Wrigley, Ryan Ready. Nein, wenn ich mir wirklich eine Reihe zusammenstellen dürfte, würde die so aussehen: Alexander Owetschkin auf der einen Seite, Martin St. Louis auf der anderen Seite - und als Center entweder Jonathan Toews oder Sidney Crosby. Bei Owetschkin und St. Louis wäre ich mir sicher, aber zwischen Toews und Crosby müsste ich eine harte Entscheidung treffen.