Räikkönen siegt beim Crash-Fest - Vettel Dritter

Alexander MaackJochen Rabe
04. November 201218:25
Sebastian Vettel (r.) wurde nach seinem Start aus der Box noch Dritter. Kimi Räikkönen siegteGetty
Werbung
Werbung

Sebastian Vettel hat nach der Strafversetzung auf den letzten Startplatz beim Abu-Dhabi-GP noch den dritten Rang belegt und die Führung in der Fahrer-WM erfolgreich verteidigt. In einem verrückten Rennen sicherte sich Kimi Räikkönen im Lotus den ersten Sieg nach seinem Comeback. Fernando Alonso wurde im Ferrari Zweiter.

In einem actionreichen Rennen voller Überholmanöver, Unfälle und Safety-Car-Phasen fuhr Räikkönen im Lotus zu seinem ersten Formel-1-Sieg seit über drei Jahren. Der Weltmeister von 2007 kann aber ausgerechnet nach dem ersten Triumph seit seinem Comeback nach zweijähriger Rallye-Pause und nunmehr 198 Punkten nicht mehr in den WM-Kampf eingreifen.

"Beim letzten Mal habt ihr gemeckert, weil ich nicht genug gelächelt habe. Das könnte dieses Mal auch wieder der Fall sein", sagte der "Iceman" gewohnt cool auf dem Siegerpodest: "Heute haben die Jungs gesehen, dass sich die Arbeit lohnt. Ich hoffe, dass sich heute das Blatt gewendet hat und wir noch viele gute Rennen und Siege erleben werden. Wie gesagt: Ich freue mich, aber es gibt keinen Grund, um in der Gegend herumzuhüpfen."

Das Duell um die Fahrer-WM spitzt sich weiter zu, nachdem Alonso (245 Punkte) den Rückstand auf Vettel (255) zumindest ein wenig verringern konnte. Damit hat Titelverteidiger Vettel beim nächsten Rennen in den USA (18. November) den ersten Matchball zu seinem dritten WM-Titel in Folge.

Horner: "Sebastian ist ein fantastischer Champion"

Die Freude über Vettels Leistung war riesig. "Dass er hinter Fernando Alonso ins Ziel kommt, ist mehr als wir uns jemals erträumt haben", sagte Teamchef Christian Horner direkt nach dem Rennen: "Jeder der sagt, Sebastian sei kein Racer - heute hat er gezeigt, dass er fantastischer Racer und ein fantastischer Champion ist. Ich wäre mit Rang acht, ich wäre mit Punkten glücklich gewesen."

Das Riesenlob für den Doppelweltmeister kam an. "Einmal das Feld von hinten aufzurollen, reicht normalerweise, aber wir haben es heute zwei Mal gemacht", freute sich Vettel: "Es war ein gutes Rennen für uns, das unheimlich viel Spaß gemacht hat. Ich denke, wir hatten das gesamte Rennen über den Speed, und die zweite Safetycar-Phase hat uns mit Sicherheit geholfen."

Auch Alonso war mit seinem zweiten Platz mehr als zufrieden, nachdem er nur aus der dritten Reihe gestartet war. "Im Rennen lief es besser", sagte der Spanier: "In den letzten Rennrunden war Kimi etwas langsamer. Ich habe dann noch einmal angegriffen, aber letztlich war Platz zwei wirklich das Maximum."

Der Pechvogel war Lewis Hamilton, der wie schon in Singapur in Führung liegend ausschied. "Es lief eigentlich alles bestens. Dann gab es ein Problem mit der Benzinzufuhr. Die Benzinpumpe war offenbar defekt. Als ich in eine Kurve einbog, starb der Motor einfach ab", erklärte Hamilton auf "Sky Sports F1": "Es ist niederschmetternd, denn wir hatten wirklich einen tollen Speed. Es war fast sicher, dass wir hier einen Sieg hätten feiern dürfen."

Pechvogel Rosberg

Die anderen deutschen Piloten gingen leer aus. Der Pechvogel bei Mercedes war diesmal Nico Rosberg. Der 27-Jährige musste nach einer Kollision kurz nach dem Start mit dem Franzosen Romain Grosjean früh in die Box und wurde bis auf Platz 21 durchgereicht. In der neunten Runde wurde Narain Karthikeyan plötzlich langsamer, Rosberg konnte nicht mehr reagieren, flog über den HRT des Inders und rutschte in die Streckenbegrenzung.

Für Rosberg war es der dritte unverschuldete Ausfall in den letzten vier Rennen. "Ihm ist die Lenkung gebrochen und er ist dann auf die Bremse. Das konnte ich natürlich nicht vorhersehen. Ich sehe dann nur blauen Himmel und kann nur hoffen", sagte Rosberg, der unverletzt blieb. Rosbergs Teamkollege Michael Schumacher blieb im drittletzten Rennen seiner Karriere ein Punktgewinn knapp verwehrt. Der 43-Jährige, der nach dieser Saison seine Laufbahn beendet, landete auf dem elften Platz.

Auch Nico Hülkenberg ging in Abu Dhabi leer aus. Der Force-India-Pilot, der in der kommenden Saison zu Sauber wechselt, wurde in einen Startunfall verwickelt und blieb zum achten Mal in diesem Jahr ohne Punkte. "Ich wurde mehr oder weniger zerquetscht und dann war ein Kontakt nicht mehr zu verhindern", sagte der Emmericher bei "Sky": "Ich war definitiv auf halber Höhe von beiden anderen Autos. Die haben beide in mich reingelenkt und ich konnte nirgendwo mehr hin."

Timo Glock kam mit seinem technisch unterlegenen Marussia immerhin ins Ziel und wurde 14.

Schlüsselszenen des Rennens:

Vor dem Start: Vettel wurde ans Ende des Feldes versetzt, weil er nach dem Qualifying auf Geheiß von Renault sein Auto abstellte. Nur war nicht mehr genug Sprit im Tank. Red Bull zog den Wagen sofort aus dem Parc Fermé zurück und lässt den Heppenheimer nun aus der Box losfahren. So konnte das Set-up auf mehr Topspeed umgebaut werden.

Die Pole hat sich Hamilton vor Webber gesichtert, Alonso startet von Position sechs. Auf drei steht überraschend Maldonado im Williams.

Probleme bei HRT: Pedro de la Rosa kommt nicht vom Fleck. Der Spanier wird von seinen Mechanikern von der Startgeraden geschoben.

Re-LIVE: Das ganze Abu-Dhabi-Rennen zum Nachlesen

Start: Webber verschläft den Start. Räikkönen und Maldonado schlüpfen direkt durch. Auf der zweiten langen Geraden schiebt sich auch noch Alonso am Australier vorbei.

In der ersten Kurve wird Hülkenberg zwischen Teamkollege di Resta und Perez im Sauber eingeklemmt, kollidiert dann mit Senna und scheidet mit gebrochener Radaufhängung aus.

2. Runde: Rosberg muss an die Box. Sein guter Startplatz ist nach einer Kollision ebenfalls futsch. Räikkönen attackiert Hamilton, der einen Fehler gemacht hat. Aber der Brite bleibt knapp vorn.

8. Runde: Schon jetzt liegt Vettel auf Platz 13.

9. Runde: Rosberg fährt auf Karthikeyans HRT auf und hebt spektakulär ab. Vor dem Hotel bricht dem Inder in der Vollgas-Kurve die Lenkung, was ihn zur Vollbremsung verleitet. Rosberg hat keine Chance auszuweichen, steigt aber glücklicherweise unverletzt aus.

13. Runde: Daniel Ricciardo wärmt seine Bremsen auf der Gegengeraden auf, Vettel beschleunigt im selben Moment, um die Hinterreifen anzuwärmen. Der Deutsche muss ausweichen und fährt gegen ein Styropor-Schild. "Er hat die ganze Zeit gebremst. Was macht der denn?", schimpfte Vettel über Funk. Er muss in die Box, um den Flügel zu tauschen und ist wieder ganz am Ende des Feldes.

SPOXspox

16. Runde: Vettel überholt Grsojean in der zweiten DRS-Zone außerhalb der Strecke. Red Bull beordert ihn sofort zurück. Keine Strafe.

20. Runde: Hamilton rollt in Führung liegend aus. Räikkönen übernimmt Platz 1!

22. Runde: Maldonado leistet sich einen Fehler beim Anbremsen zu Kurve acht und Alonso rückt auf Platz zwei vor.

23. Runde: Jetzt versucht auch Webber vorbeizugehen. Doch der Australier lässt Maldonado keinen Platz. Die Wagen berühren sich, Webber dreht sich und verliert seinen vierten Platz.

26. Runde: Vettel geht an Schumacher vorbei und liegt schon auf Position acht. Webber kollidiert unterdessen auch mit Massa, der sich dadurch dreht.

31. Runde: Räikkönen kommt zu seinem Stopp an die Box. Er verlässt sie knapp vor Vettel, der mittlerweile auf Platz zwei vorgerückt ist.

37. Runde: Vettels Reifen sind hinüber. Alonso holt in jeder Runde viel Zeit auf. Vettel kommt nochmal an die Box und holt sich softe Pirelli.

39. Runde: Perez lässt di Resta keinen Platz. Beide berühren sich. Weil Grosjean versucht nach links auszuweichen, hat Webber keinen Platz mehr. Er kollidiert mit dem Lotus, bricht sich die Hinterradaufhängung und scheidet aus. Das Safety-Car kommt zum zweiten Mal auf die Strecke.

52. Runde: Nachdem Vettel seit dem Restart in Runde 43 Button unter Druck gesetzt hat, überholt er den Briten am Ende der zweiten DRS-Zone außen. Das hat heute noch keiner geschafft! Platz drei!

Ziel: Räikkönen holt seinen ersten Sieg seit seinem Comeback im Lotus. Alonso wird Zweiter vor Vettel, der eine grandiose Aufholjagd mit dem Podestplatz krönt.

Mann des Rennens: Sebastian Vettel. Trotz des ersten Siegs Räikkönens nach seinem Comeback: Vettel rollte zweimal das Feld von hinten auf, sicherte sich die schnellste Rennrunde und kam am Ende noch aufs Podium, was nach der Strafversetzung kaum jemand für möglich gehalten hätte. Eine bessere Schadensbegrenzung nach dem Benzindesaster wäre nicht möglich gewesen. Beeindruckend war, mit welcher Leichtigkeit der Heppenheimer an seinen Konkurrenten vorbeizog. Auch das Manöver gegen Button, das ihm den dritten Platz sicherte, zeigte seine Klasse.

Flop des Rennens: Mark Webber. Hätte der Australier nur den Start verschlafen, wäre alles in Ordnung gewesen. Doch statt Alonso weiter unter Druck zu setzen und zu einem Fehler zu zwingen, leistete sich der zweite Red-Bull-Fahrer selbst weitere Pannen. Zuerst ließ er Maldonado in Kurve acht keinen Platz und verlor dadurch Position fünf, dann kollidierte er mit Massa. Der letzte Crash ging allerdings nicht auf sein Konto. Nach dem Fehler von Perez wich Grosjean aus und zerstörte die Hinterradaufhängung des Red-Bull-Piloten.

Analyse: Das Spektakel des Jahres! Red Bulls Plan, Alonso durch Webber Punkte im WM-Kampf abzunehmen, scheiterte schon am Start, weil der Australier nicht vom Fleck kam. Der Spanier fuhr klug, riskierte nicht viel und konnte sich durch die gute Rennpace seines Ferrari trotzdem früh nach vorne arbeiten.

Auch Vettel zeigte in den ersten Runden, dass die Entscheidung sein Auto aus dem Parc Fermé zu holen und umzubauen richtig war. Er überholte die vor ihm fahrenden Piloten spielerisch, leistete sich allerdings gegen Grosjean einen dummen Fehler, als er den Franzosen außerhalb der Strecke überholte. Red Bull reagierte souverän und ordnete an, dass sich Vettel nochmals zurückfallen ließ. So entging der Heppenheimer einer Durchfahrtsstrafe.

Glücklich und unglücklich zugleich waren die Safety-Car-Phasen für Vettel. Als Bernd Mayländer das Führungsfahrzeug zum ersten Mal vor den Führenden steuerte, fuhr der Doppelweltmeister sich den schon zu Rennbeginn beschädigten Frontflügel am Heck von Daniel Ricciardos Toro Rosso kaputt und musste früh zu einem eigentlich nicht vorgesehenen Stopp in die Box.

Der zweite Einsatz des Safety-Cars spielte dem Heppenheimer dagegen in die Karten, weil dadurch das Feld wieder zusammengezogen wurde und er in der Mitte seiner zweiten Aufholjagd leicht Boden gutmachen konnte. Dass Vettel gegen Ende des Rennens Button unter Druck setzte und ihn schließlich auf neueren Reifen in der DRS-Zone überholte, komplettierte die famose Leistung.

Räikkönen kontrolliert und schnell

Im Crash-Chaos ging die Leistung von Räikkönen fast unter. Der Finne startete überragend und kassierte neben Webber auch Maldonado. Als Hamilton sich einen Fehler leistete, attackierte Räikkönen prompt, riskierte aber keinen Ausfall und ließ Hamilton die Führung.

Nach dem technisch bedingten Ausfall des Briten übernahm Räikkönen die Führung und gab sie nicht mehr her. Ab der 40. Runde absolvierte er eine neue schnellste Rennrunde nach der anderen und setzte sich damit immer mehr von Alonso ab, der mittlerweile auf Platz zwei lag.

Im Kampf um die Fahrer-WM hat sich durch die überragende Aufholjagd von Vettel nicht viel verändert. Der Titelverteidiger führt mit zehn Punkten vor Alonso. Der Plan des Spaniers, von der Strafversetzung des Deutschen zu profitieren, ging nicht wirklich auf, was jedoch nicht an seiner Leistung, sondern an der famosen doppelten Aufholjagd Vettels lag.

Der aktuelle Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM