Bestechung oder Erpressung?

SPOX
23. April 201419:06
Bernie Ecclestone ist zum dritten Mal verheiratet. Die Glückliche: Fabiana Flosigetty
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Nach Uli Hoeneß steht ab Donnerstag der nächste prominente Sportmanager vor dem Münchener Landgericht: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone muss sich wegen der Schmiergeldaffäre um die bayerische Landesbank verantworten. Der bestochene BayernLB-Risikovorstand Gerhard Gribkowsky gestand bereits vor zwei Jahren und ist verurteilt.

Die wichtigsten Fragen zum Prozess

Worum geht es?

Bernard Charles Ecclestone wird Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall vorgeworfen. Der Engländer hat dem früheren Risikovorstand der BayernLB, Gerhard Gribkowsky, genau 43.970.772 US-Dollar zukommen lassen. Die Gelder stammten aus seiner eigenen Kasse sowie aus der Stiftung seiner Ex-Frau Slavica Ecclestone. Es geht dabei um die Frage, warum Ecclestone die Millionen überwies. Wurde er von Gribkowsky erpresst, wie er selbst behauptet? Oder bestach er den Vorstand der Landesbank?

Wie verteidigt sich Ecclestone?

Der 83-Jährige schloss vor dem Prozess ein Eingeständnis der Schuld aus und lehnte einen Deal ab, der das Verfahren verkürzt und das Strafmaß gesenkt hätte. Er gibt an, dass Gribkowsky ihn erpresste. Der gebürtige Bremer habe gedroht, ihn bei den britischen Steuerbehörden anzuschwärzen, weil nicht seine Ex-Frau den maßgeblichen Einfluss auf die Stiftungen hat, sondern er selbst. Als Ecclestone 1996 sein Vermögen an Stiftungen in der Schweiz und Liechtenstein überwies, sparte der reiche Geschäftsmann riesige Geldbeträge. Hätte Großbritannien ihn schuldig gesprochen, hätten Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe gedroht. Die Staatsanwaltschaft führt an, Gribkowsky habe keine Beweise für die Steuerhinterziehung gehabt.

Welche Strafe droht?

Wird Ecclestone für schuldig befunden, drohen ihm achteinhalb bis zehn Jahre Haft. Ob er dann aber wirklich hinter Gitter muss, ist noch unklar. Eine Haftstrafe dient zur Resozialisierung, bei einem Rentner ist zudem nicht sicher, ob er gesundheitlich überhaupt haftfähig ist, die Strafe anzutreten.

Wie läuft der Prozess ab?

Insgesamt sind zunächst 26 Verhandlungstage bis zum 26. September 2014 angesetzt. Anfangs wird im Saal A101 verhandelt, wo sonst der NSU-Prozess stattfindet. 18 Bände Ermittlungsakten, 14 Sonder- und 24 Beweismittelbände müssen durchgearbeitet werden. 234 Seiten umfasst die Anklageschrift, 39 Zeugen sind darin aufgeführt - Gribkowsky ist der Hauptbelastende.

Wer ist der Richter?

Peter Noll heißt der Richter der 5. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I. Er ist derjenige, der im Juni 2012 Gribkowsky wegen Steuerhinterziehung, Bestechlichkeit und Untreue für achteinhalb Jahre ins Gefängnis brachte. Beim Urteil erwähnte er, Ecclestone habe "Charme und Raffinesse" genutzt und Gribkowsky "ins Verbrechen geführt". Noll kommuniziert fast ausschließlich Deutsch, Anglizismen lehnt er ab, englische Schriftstücke verliest er erst gar nicht. Er wolle den Zuhörern im Saal seine schlechte Aussprache ersparen. Beim Gribkowsky-Prozess begrüßte er Ecclestone mit den Worten "Grüß Gott in Bayern"- die Dolmetscher werden einiges zu tun haben.

Kommt Ecclestone nach München?

"Mir geht es darum, meine Unschuld zu beweisen, deshalb werde ich im Falle eines Bestechungsprozesses nach München kommen", verkündete der Greis noch bevor die Anklage zugelassen wurde. Freiwillig ist das aber nicht. Der Angeklagte in einem Strafprozess muss erscheinen. "Die Hauptverhandlung hat stets in Anwesenheit des Angeklagten stattzufinden", erklärte eine Gerichtssprecherin. Kommt Ecclestone nicht, wird ein Haftbefehl erwirkt, eine Ausreise aus Großbritannien und ein Besuch von Formel-1-Rennen wäre dann nicht mehr möglich. Lediglich ein Amtsarzt könnte ihn wegen gesundheitlicher Probleme von seiner Anwesenheitspflicht entbinden. SPOX

Welche Auswirkungen hätte eine Verurteilung für die Formel 1?

Das Gebilde der Formel 1 mit seinen Verträgen und Absprachen bestünde weiter, allerdings durchschaut die wohl nur Mr. E selbst. Ecclestone müsste aber zurücktreten, weil sonst Mercedes weg ist. Die Stuttgarter haben sich ein Kündigungsrecht gesichert. "Wir werden diese Klauseln auch nutzen, wenn es nötig ist", erklärte Christine Hohmann-Dennhardt, Daimler-Vorstand für Integrität und Recht. Also bräuchte die Rennserie einen neuen Geschäftsführer für das Tagesgeschäft, unter anderem wurde Red-Bull-Teamchef Christian Horner als Kandidat gehandelt. Toto Wolff spricht dagegen davon, dass die Aufgaben aufgeteilt werden sollen.

Welche Auswirkungen hätte eine Verurteilung für Ecclestone?

Hier sind die Auswirkungen ebenso groß. Der arbeitsbesessene Ecclestone würde zum Rentner, seine Machtposition würde er verlieren. Zudem deutet eine Verurteilung in München darauf hin, wie die Klage der Landesbank vor dem Londoner High Court ausgehen könnte. Sie fordert die fehlenden 400 Millionen Dollar als Schadensersatz in einem Zivilprozess von Ecclestone zurück.

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Die Chronologie der Ereignisse:

April 2002: Nach der Insolvenz des Medien-Imperiums von Leo Kirch bekommt die BayernLB eine Beteiligung in Höhe von 62,2 Prozent an der Formel-1-Holding SLEC. Für Ecclestone ändern sich damit die Arbeitsbedingungen: Unter Kirch hatte er weitgehend freie Hand, die Landesbank schaut genauer hin.

Mitte 2003: Gribkowsky ist als Vorstand der BayernLB für die Formel-1-Beteiligung zuständig. Er will Transparenz in die mannigfaltigen Verträge, Vereinbarungen und Geldströme bringen. Zwei Klagen in London folgen und bedrohen das System, das Bernie Ecclestone über Jahrzehnte aufgebaut hatte. Der F1-Boss lädt den Banker immer wieder zu Rennen und Privatveranstaltungen ein und ködert ihn angeblich mit einem Posten im Management der Rennserie.

April 2005: Laut Staatsanwaltschaft einigen sich Ecclestone und Gribkowsky zu diesem Zeitpunkt auf eine Bestechung in Höhe von 50 Millionen US-Dollar. Gribkowsky soll dafür sicherstellen, dass neben der Investorengruppe CVC, die Ecclestone als Geschäftsführer behalten will, keine anderen Angebote geprüft werden.

November 2005: Der Vorstand der BayernLB stimmt dem Verkauf an die Investorengruppe CVC Capital Partners für knapp 675 Millionen Dollar zu. In der Anklage wird der entstandene Fehlbetrag mit 350 Millionen Euro beziffert.

März 2006: Der Mehrheitsanteil der Formula-One-Group liegt bei CVC. Ecclestone wird wie erwartet Geschäftsführer, seiner Familienholding gehört ein Anteil von 13,5 Prozent. SPOX

Mitte 2006 bis Ende 2007: Ecclestone überweist in Raten über 44 Millionen Dollar an Gribkowsky. Zuerst zahlt die Stiftung von Slavica, dann er selbst über eine Briefkastenfirma auf Mauritius. Für den geizigen Geschäftsmann ist das offenbar zu viel Geld. Gribkowsky setzt im Vorstand der Landesbank daraufhin durch, dass Ecclestone für den Verkauf eine Provision in Höhe von 41 Millionen US-Dollar erhält.

2011: Die Münchener Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen Gribkowsky wegen angeblicher Bestechung auf. Der Banker gesteht letztlich umfassend, belastet Ecclestone schwer und wird 2012 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt.

2013: Die Staatsanwaltschaft München klagt Bernie Ecclestone an.

2014: Die Anklage wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue wird vom Landgericht zugelassen. Als Termin für den Prozessauftakt wird der 24. April festgelegt.

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Vom Gebrauchtwagenhändler zum Formel-1-Paten

Bernie Ecclestone liebt die ganz derben Scherze. In seinem Büro in Londons bester Lage hat er auf seinem Couchtisch eine Handgranate liegen. "Es war noch nicht der richtige Besucher da, um sie zu zünden", sagte der Brite einmal und lächelte sein berühmtes Lächeln, das eine Mischung aus Überheblichkeit und Unantastbarkeit verrät. Schließlich perlten an dem umstrittenen Strippenzieher alle Skandale und Vorwürfe stets ab - wie heißes Öl an einer Teflonpfanne. Bis jetzt.

Nun muss sich der Brite wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz verantworten. Das Oberlandesgericht München macht Ecclestone ab Donnerstag wegen der angeblichen Zahlung von 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld an den früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky im Zuge des Verkaufs von Formel-1-Anteilen der Bank an den britischen Investor CVC den Prozess. Damit droht dem mächtigen Manager nach über drei Jahrzehnten an der Spitze der Formel 1 das Aus, zudem muss der Chefvermarkter der Rennserie eine Gefängnisstrafe fürchten.

Aus seinen extravaganten Geschäftsmethoden hat der ehemalige Gebrauchtwagenhändler Ecclestone nie einen Hehl gemacht. "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, wir sind die Mafia", sagte der Formel-1-Pate einst. Er hält in der Rennserie seit den 1970er Jahren alle Fäden in der Hand und hat den PS-Zirkus seitdem in ein milliardenschweres Unternehmen und eine der profitabelsten Sportveranstaltungen der Welt verwandelt. Ein Rücktritt kam für ihn nie infrage: "Ich denke, wenn die Leute 100 Jahre alt werden, dann sollten sie anfangen, über die Pension nachzudenken." Doch bald sollte es ruhiger um den umtriebigen Manager werden.

Ecclestone macht Millionäre

Im Fahrerlager ist "Mr. E" noch immer beliebt, Ecclestone machte viele Menschen in der Formel 1 zu Millionären, fast alle schätzen ihn für seine Arbeit. Doch auch der Gegenwind wurde zuletzt immer schärfer. Aber egal, ob peinliche Aussagen über Adolf Hitler und Saddam Hussein oder ein drohender Prozess, nachhaltig konnte ihm bisher kein Skandal schaden. Ecclestone lächelte sie meistens einfach weg.

In der freien Wirtschaft wäre wohl jedem Manager eine einzige seiner skurrilen Aussagen längst zum Verhängnis geworden. Erst recht natürlich jene wie die 2009 über Hitler ("Er wurde mitgerissen und überredet", "Er war fähig, Dinge zu erledigen") oder ein Jahr später über den irakischen Diktator Hussein ("Wir haben etwas Schreckliches gemacht, als wir die Idee unterstützten, ihn loszuwerden", "Er hat aus dem Irak ein stabileres Land gemacht. Das ist doch bewiesen, oder?").

Ecclestone hielt sich an der Spitze und regierte sein Imperium gerade so demokratisch, wie es sein musste - auch wenn alle die Nase über ihn und seine Ausführungen zur Weltpolitik rümpften.

Die Formel 1 brauchte Ecclestone, wie Ecclestone die Formel brauchte. Viele werfen ihm zwar vor, dass er beispielsweise den Markt der neuen Medien nicht nutzt oder die Formel 1 mit seinem aufgeblähten Kalender einer manchmal fast unzumutbaren Belastung aussetzt. Doch genau so generierte der "Herr der Räder", der schon in der Schule Bleistifte und Radiergummis an seine Mitschüler verhökerte, stets frisches Geld und erschloss neue Märkte.

Sein legendärer Geschäftssinn hat der Formel 1 bisher um ein Vielfaches mehr genutzt als geschadet, deshalb blieb die große Rebellion aus. Das dürfte mit dem Prozess in München nun anders werden. Dem Paten drohen die Fäden zu entgleiten.

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