Nach jedem Grand Prix der Formel 1 bewertet SPOX die Leistungen der Fahrer am vergangenen Wochenende. Teil 11 der Saison 2017: der Große Preis von Ungarn in Budapest. An der Spitze trotzt Sebastian Vettel allen Problemen und setzt sich knapp vor Fernando Alonso durch. Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen muss sich damit abfinden, dass er bei der Scuderia nur die zweite Geige spielt und Paul di Resta springt vom Bügelbrett in den Williams.
Platz 1, Sebastian Vettel:
Dass der Heppenheimer in Ungarn seinen vierten Saisonsieg einfahren würde, kam aufgrund der Charakteristik seines Ferraris und des Streckenlayouts nicht wirklich überraschend. Erst recht nicht, nachdem er sich am Samstag die Pole Position sicherte und zu Beginn des Rennens vorneweg fuhr. Doch der Renngott wollte einem zunächst trägen Grand Prix offenbar ein bisschen Würze verleihen und legte Vettel eine dicke Hürde in den Weg: Lenkprobleme.
Nach 25 Runden etwa fing das Lenkrad des Wahl-Schweizers nämlich an, nach links zu hängen - wenn das Auto eigentlich geradeaus fuhr. Dadurch musste Vettel sein Ruder in den Kurven anders als gewohnt einschlagen und sich im weiteren Rennverlauf immer wieder neu anpassen. Zusätzlich wurde er von seinem Renningenieur angehalten, die Kerbs zu meiden, um das Auto vor starken Schlägen zu schützen. Eine konsequente Fahrt auf der Ideallinie? Unmöglich.
Doch Vettel meisterte die Schwierigkeiten mit Bravour und manövrierte seinen SF70H fehlerlos ins Ziel. Mit dem Wissen, dass Kimi Räikkönen, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas nur wenige Meter dahinter lauerten. Natürlich konnte der viermalige Weltmeister froh sein, dass Ferrari Teamkollege Räikkönen nicht vorbeilotste, seine Leistung schmälert das nicht.
Platz 2, Fernando Alonso:
Es war das Bild des Wochenendes: Während sich Vettel, Räikkönen und Bottas auf dem Podest mit Champagner begossen, relaxte Alonso vor einem riesigen Bildnis seiner Selbst gemütlich in einem Liegestuhl und wünschte den Formel-1-Fans schöne Sommerferien.
Dass der Asturier den Spaß gut gelaunt mitmachte, dürfte dabei nicht zuletzt am guten Ergebnis liegen, dass er am Ort seines ersten Siegs in der Königsklasse einfuhr. Mit den acht WM-Punkten, die er vor den Toren Budapests einsammelte, holte er nämlich das Vierfache seiner bisherigen Saisonausbeute und sicherte sich ganz nebenbei noch die schnellste Rennrunde.
Darüber hinaus gelang ihm nach rundenlanger Jagd auf Carlos Sainz Jr. das beste Überholmanöver des Rennens. Den Urlaub hat sich Alonso also definitiv verdient.
Platz 3, Kimi Räikkönen:
Der Iceman hatte die Chance auf seinen ersten Sieg seit dem Australien-GP 2013. Was dazu nötig gewesen wäre: Ein Team im Rücken, das ihn sein Tempo frei ausfahren lässt.
Doch Ferrari setzte auf die Karte Vettel und ließ den WM-Spitzenreiter in Front. Warum? Entweder, weil man den Vierfach-Champ als Nummer-1-Fahrer festgelegt hat. Oder, weil man den relativ wehrlosen Vettel nicht den beiden Mercedes ausliefern wollte. Die dritte und wahrscheinlichste Möglichkeit: eine Mischung aus beidem.
So oder so zeigte Räikkönen in seiner Inlap, dass ihm der Hungaroring liegt. Mit Sektorbestzeiten visierte er die Führung an. Und hätte Ferrari ihn nur eine Runde länger fahren lassen, wäre mit einem Overcut wohl an Vettel vorbeigekommen. So musste sich der Finne mit Rang zwei begnügen - immerhin seine achte Podiumsplatzierung in Ungarn.
An die eigene Nase packen muss sich der Schweiger aus Espoo für das Verpassen der Pole Position. Diese wäre für ihn definitiv drin gewesen, hätte er sich im entscheidenden Moment keinen Fehler geleistet.
Platz 4, Carlos Sainz Junior:
Mit dem Einzug ins Q3 hat der Toro-Rosso-Pilot das Bestmögliche herausgeholt. Im Rennen setzte er sich dann dank eines Top-Starts vor die beiden McLaren von Alonso und Stoffel Vandoorne. Seinen spanischen Landsmann hielt er dann fast 40 Runden hinter sich, bis dieser seine ganze Klasse auspackte und ihn außen in Kurve zwei (mit dem schnelleren McLaren) überholte. Somit kam Sainz als Siebter ins Ziel. Ein Ergebnis, das nach eigener Aussage wie "Gold in diesem Moment" war.
Platz 5, Lewis Hamilton:
Was vom Auftritt des Briten hängen bleiben wird? Seine Fairplay-Aktion gegenüber Teamkollege Bottas, den er in der letzten Kurve vorbei ließ. Mercedes forderte den Platztausch, insofern hat Hamilton vielleicht keinen ganzen Orden verdient, für eine Anstecknadel dürfte es aber reichen. Immerhin hat er auf ein Podium und drei wichtige WM-Punkte verzichtet.
Fahrerisch fiel Hamilton hingegen weniger glorreich auf. In seinem ersten Q3-Versuch patzte er, im zweiten reichte es lediglich für Platz vier. Beim Rennstart verlor er dann gleich zwei Positionen an die beiden Red Bulls, ehe er hinter Verstappen fest hing.
Nachdem der Niederländer über die Strategie überholt wurde und Bottas auf Anweisung Platz machte, jagte Hamilton die beiden Ferraris. Dass es nicht zu einem Angriff reichte, kann man dem Mercedes-Piloten auf dem überholfeindlichen Kurs aber nicht vorwerfen. Außerdem bleibt seine Pace im Vergleich zu Bottas lobend zu erwähnen.
Platz 6, Nico Hülkenberg:
Die Updates am Renault scheinen zu funktionieren. Nachdem Hülk in Silverstone glänzte, war sein Franzosen-Renner erneut konkurrenzfähig. Der Emmericher nutzte das im Qualifying mit Platz sieben.
Ins Rennen ging es dann wegen eines Getriebewechsels trotzdem außerhalb der Top 10 los. Doch die Pace des Emmerichers war so stark, dass er - auch dank eines mitspielenden Stallgefährten - zügig den Weg zurück in die Punkteränge fand.
Dass sich Hülkenberg am Ende mit leeren Händen in die Sommerpause verabschiedete, lag nicht an ihm. Beim Reifenwechsel verhakte sich das rechte Vorderrad, sodass er viele Sekunden verlor. Bei seiner erneuten Aufholjagd kam es dann zum Intermezzo mit Kevin Magnussen, das letztlich in einem Ausfall und einem nicht ganz jugendfreien Wortgefecht endete.
Platz 7, Valtteri Bottas:
Was für Hamilton gilt, gilt auch für Bottas: Man darf ihm keinen Vorwurf machen, dass er es nicht an den Ferraris vorbei schaffte. Dafür war der "Mickey-Mouse-Kurs" an diesem Wochenende einfach nicht ausgelegt. Beanstanden muss man allerdings, dass Bottas die Pace der Top 3 nicht mitgehen konnte, nachdem er Hamilton vorbei ließ. Mehrere Sekunden Abstand zum Teamkollegen in ein paar Runden sind zu viel.
Dass er es dennoch aufs Podest schaffte, verdankte er der Tatsache, dass Mercedes auf keinen Fall mit einer einseitigen Teamorder Schlagzeilen machen wollte und der Güte von Hamilton. Und dem Fakt, dass er es dank eines guten Qualifyings und eines soliden ersten Stints überhaupt in der Region des dritten Platzes fuhr.
Platz 8, Paul di Resta:
Samstag, kurz vor 11 Uhr. Paul di Resta steht am Bügelbrett und richtet sein Hemd für den anstehenden TV-Auftritt als Experte für Sky. Dann plötzlich die Nachricht: Felipe Massa fällt aus. Er, der Ersatzpilot bei Williams, muss im Qualifying und Rennen ran.
Ohne auch nur einen einzigen Meter im 2017er-Boliden gefahren zu sein, lieferte der Schotte aus dem Stand - und wohlgemerkt mit Massas Setup - konkurrenzfähige Zeiten, die ihn in der Startaufstellung sogar vor Saubers Marcus Ericsson brachten, mit nicht einmal acht Zehnteln Rückstand auf Teamkollege Lance Stroll. Eine beachtliche Leistung.
Im Rennen hielt di Resta die Sauber dann tatsächliche einige Zeit hinter sich, mit zunehmender Dauer des Geschehens musste er dann aber doch abreißen lassen. Schade für ihn, dass er seinen ersten GP seit 1344 Tagen wegen eines Öllecks dann vorzeitig beenden musste.
Platz 9, Sergio Perez:
Es sei das schwierigste Qualifying des Jahres gewesen, gab der Mexikaner zu. In der Tat war Platz 14 eine Enttäuschung. Doch dank eines guten Starts ging es schnell nach vorne. Zwar beschädigte er sich hier bei einer Berührung mit Ocon den Frontflügel, Auswirkungen auf seine Pace hatte das aber keine. In der Folge hing er hinter Alonso und Sainz fest, ohne eine Chance auf ein Manöver zu haben.
Platz 10, Esteban Ocon:
Zum zweiten Mal in dieser Saison schlug der Mercedes-Junior seinen Teamkollegen in der Qualifikation. Nutzen tat ihm das nur reichlich wenig: Dank schlechtem Start fiel er sofort hinter Perez, der ihm den Unterboden so beschädigte, dass Ocon laut eigener Aussage einen Performance-Verlust hinnehmen musste. Dem Druck von Vandoorne hielt er trotzdem wacker stand, sodass am Ende das zehnte Top-10-Ergebnis im elften Rennen heraussprang.
Härtefall, Max Verstappen:
Eigentlich hätte der Youngster einen der vorderen Plätze verdient gehabt. Er fuhr ein gutes Qualifying und wies auch im Rennen ein starkes Tempo vor. Dank einer alternativen Strategie, die einen langen ersten Stint vorsah, sammelte er sogar einige Führungsrunden.
Doch Verstappen überschritt in der Startphase - mal wieder - das Limit und fuhr seinem eigenen Teamkollegen in die Karre. Verstappen böse Absicht zu unterstellen, wäre falsch. Doch etwas überlegter darf sich ein Top-Pilot trotzdem anstellen. Immerhin hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits Hamilton kassiert und Ricciardo ließ ihm auf der Innenseite der Kurve reichlich Platz. So zerstörte Verstappen Ricciardos Rennen und wegen der 10-Sekunden-Zeitstrafe auch sein eigenes.