Beim Großen Preis von Großbritannien gewinnt Ferrari zwar wieder ein Rennen, verliert aber wichtige Punkte im WM-Kampf. Mick Schumachers Premieren-Zähler könnten sich als Gefahr herausstellen. Außerdem: Das Silverstone-Rennen zeigt, wie wichtig der Halo in der heutigen Zeit ist. Die Erkenntnisse zum Großbritannien-GP.
1. Die Premieren-Punkte bergen für Schumacher auch Gefahren
Im 31. Anlauf hat es dann endlich geklappt. Mick Schumacher ist nach seinem achten Rang beim Großen Preis von Großbritannien nun endlich im Club der "Punkte-Sammler" in der Formel 1 angekommen. "P8! Punkte! Punkte, Mick! Du hast es geschafft!", dröhnte es nach der Zieldurchfahrt in Silverstone in die Kopfhörer des 23-Jährigen.
"Endlich! Ich hatte es euch ja gesagt: Das ist das Wochenende. Oh mein Gott! Ihr Jungs seid verdammt genial! Entschuldigung für mein Fluchen! Beweise ihnen das Gegenteil und glaube an dich, das sage ich dazu", brach es aus dem Deutschen heraus.
Im Parc ferme prasselte dann von allen Seiten Lob auf Schumacher ein. Landsmann Sebastien Vettel erzählte, er habe im Auto mit lauten "Go Mick! Go Mick!"-Sprechchören mitgefiebert. Auch Haas-Teamchef Günther Steiner freute sich über das beste Resultat seines Schützlings. "Vor allem das Team hat [so ein Ergebnis] gebraucht. Wir waren in den jüngsten vier, fünf Rennen immer so nah dran, aber haben es nie geschafft. Es schien nicht für uns zu laufen. Jetzt können wir durchatmen. Denn das Auto war schnell, wir konnten kämpfen."
Für Schumacher könnte das Schaffen dieser Hürde endlich den Druck lösen, den Medien, Fans und auch Teile des Teams seit Wochen und Monaten auf ihn ausüben. Steiner sprach von einer "Frage des Selbstvertrauens". Er glaube, dass Mick es nun häufiger gelingen könnte, in die Top Ten zu fahren.
Steiner: "Dann heißt es wieder, er sei schlecht"
Doch genau dort liegt auch die Gefahr. Mit seinen ersten WM-Punkten steigt auch automatisch die Erwartungshaltung an den 23-Jährigen. "Er muss jetzt nur aufpassen, dass der Druck nicht wieder hochgehypt wird. Jetzt ist quasi die Erwartungshaltung da, jedes Mal Punkte holen zu müssen. Wenn er dann aber beim ersten oder zweiten Mal keine Punkte holt, dann heißt es gleich, er sei schlecht. Das ist schwierig zu managen", warnte Steiner vorsichtig.
Denn der Haas ist, das zeigte er auch in Silverstone wieder einmal, aktuell leider kein Auto, mit dem es möglich ist, dauerhaft zu punkten. Auch wenn Schumacher in Großbritannien einen absolut fehlerfreien und abgeklärten Auftritt hinlegte, ist der Punkte-Umstand eher der Tatsache geschuldet, dass mit Ocon, Gasly, Bottas, Russell und Zhou insgesamt fünf Boliden ausschieden, die von der reinen Pace eigentlich vor dem Haas einzuordnen sind.
So wird es mit dem VF-22 wohl nur bei Patzern der Konkurrenz möglich sein, WM-Zähler abzugreifen. Genau in diesen Situationen muss Schumacher künftig da sein und liefern. Keine leichte Aufgabe, ohne Frage. "Einfach ruhig bleiben und die Außenwelt ignorieren, einfach sein Ding machen", rät ihm Steiner.
2. So wird Ferrari die WM sicher nicht gewinnen
Zum ersten Mal seit sieben Rennen stand beim Großen Preis von Großbritannien wieder ein Scuderia-Ferrari-Pilot ganz oben auf dem Siegertreppchen. Carlos Sainz fuhr in Silverstone seinen ersten GP-Triumph überhaupt ein und sorgte bei den Roten für Jubelstimmung.
Einer aus dem italienischen Traditionsteam wollte sich aber nicht so richtig über den Erfolg freuen. Unmittelbar nach Rennende stürmte Sainz-Teamkollege Charles Leclerc zu Mattia Binotto und führte mit dem Ferrari-Teamchef eine augenscheinlich äußerst hitzige Diskussion. Der Grund: Aus der Sicht des Monegassen hätte die Scuderia-Strategie-Abteilung ihn um den verdienten Sieg in Silverstone und um wichtige WM-Punkte gebracht.
Und so unrecht sollte Leclerc damit auch nicht haben. Nachdem Alpine-Pilot Esteban Ocon in der Schlussphase des Rennens seinen Boliden aufgrund von technischen Problemen abstellen musste, entschied die FIA, das Safety Car auf die Strecke zu beordern. Aus der Spitzengruppe nahmen Sergio Perez (Red Bull), Lewis Hamilton (Mercedes) und eben Sainz die Chance wahr und holten sich an der Box frische Pneus ab. Bei Leclerc hingegen entschied sich Ferrari für keinen weiteren Reifenwechsel.
Das sollte dem Monegassen zum Verhängnis werden. Mit stumpfen Waffen kämpfend musste er zuerst seinen Teamkollegen passieren lassen, wenige Umläufe später schlüpften dann auch Perez und Hamilton durch. Leclerc wurde Vierter und war angefressen. "Ich möchte es nicht kommentieren. Ich möchte es erst mit dem Team besprechen, was die Gründe dafür waren", meinte er nach Rennende.
Binotto: "Bin glücklich darüber"
Nicht nur verscherzt es sich Ferrari mit solchen Aktionen mit seinem Nummer-eins-Fahrer, auf lange Sicht ist das Handeln der Roten gegen Leclerc auch in Sachen Weltmeisterschaft fatal. Wirft man einen Blick auf den bisherigen Saisonverlauf, wird man feststellen, dass Leclerc in neun von zehn Fällen der schnellere Fahrer ist. In Silverstone klebte er trotz beschädigtem Frontflügel und dem damit einhergehenden Verlust von zehn Aero-Punkten rundenlang in Sainz' Windschatten und machte seinem Kommandostand unmissverständlich klar, schneller fahren zu können. Eine Teamorder blieb aber lange Zeit aus aus.
Nach dem Rennen verteidigte Binotto das Vorgehen. Das Verhalten von Sainz, Leclerc nicht vorbeizulassen, sei "nicht nur okay" gewesen, "sondern ich bin sehr glücklich darüber", so der Ferrari-Teamchef. Er wisse, dass Leclerc "enttäuscht war. Aber ich habe ihm gesagt, dass er wieder ein fantastisches Rennen gefahren ist. Und wie er nach dem Safety-Car gefahren ist und sich verteidigt hat, war fantastisch und herausragend. Ich habe ihm also einfach gesagt, dass er ruhig bleiben soll, weil er fantastisch gefahren ist."
Für Ferrari mag der Sainz-Erfolg kurzfristig die Stimmung im Team heben, vor allem da dieser nun endlich seinen Premieren-Sieg eingetütet hat und nun vielleicht etwas befreit auffahren kann. Betrachtet man das große Ganze, hat die Scuderia aber die Chance verpasst, Leclerc in der WM wieder näher an Verstappen heranzubringen. Denn Sainz wird es mit dem Niederländer über die Saison hinweg kaum aufnehmen können. Das hat die Saison bis hierhin gezeigt.
3. Ein Dank geht raus an das Halo-System
Es war die spektakulärste Szene des Großbritannien-GPs. Nur wenige Meter nach dem Erlöschen der roten Ampel kam es im Startgetümmel zu einer Massenkarambolage, bei der insgesamt fünf Piloten die Kontrolle über ihre Boliden verloren und jeweils ineinander hinein krachten.
Mit Abstand am heftigsten erwischte es den Chinesen Guanyu Zhou im Alfa Romeo, welcher, nachdem er von Mercedes-Pilot George Russell unfreiwillig und schuldlos gedreht worden war, ungebremst und kopfüber über die Streckenbegrenzung hinweg flog und erst nach einem Einschlag im Fangzaun zum Stehen kam.
Erst mit der Sichtung der TV-Bilder entfaltete der Crash seine volle Heftigkeit. Da es anfangs keine Informationen über den Zustand des Chinesen gab, zeigte die Regie zunächst keinerlei Aufnahmen des Unfalls, auch die FIA reagierte und brach den Grand Prix umgehend ab. Erst nach gut 20 Minuten der Ungewissheit gab es von Seiten der Rennleitung Entwarnung, Zhou gehe es den Umständen entsprechend gut.
Dass ein derartiger Unfall überhaupt so glimpflich ausgehen konnte, ist einmal mehr dem Halo-System am Cockpit zu verdanken. Mehrere hundert Meter schlitterte Zhou mit dem Kopf zum Boden hin über den Kies. Nicht auszumalen, welche Verletzungen er davontragen hätte können, hätte es den Schutzring nicht gegeben. "Der Halo hat mich heute gerettet, und das zeigt, dass jeder Schritt, den wir zur Verbesserung unserer Autos unternehmen, echte, wertvolle Ergebnisse bringt", meinte auch der Verunfallte selbst später.
Halo verhinderte schon in der Formel 2 gefährlichen Crash
Wie wichtig das System in der heutigen Zeit generell im Formel-Rennsport ist, war bereits am Nachmittag in der Formel 2 sichtbar geworden, als - ebenfalls nach einer Kollision in der Startrunde - das Fahrzeug von Prema-Pilot Dennis Hauger genau auf Höhe der Cockpitöffnung des Autos von Roy Nissany (DAMS) einschlug. Der Metallbügel hielt dem Aufprall jedoch stand, und so konnte Nissany ebenso wie Hauger nach dem gefährlichen Unfall aus eigener Kraft und unverletzt aussteigen. Ohne Halo wäre eine schwere oder gar tödliche Kopfverletzung bei Nissany nicht unwahrscheinlich gewesen.
Überhaupt ist der FIA nach den Vorkommnissen am Wochenende ein Lob auszusprechen. Sowohl beim Zhou- als auch beim Nissany-Unfall schätzte man die Situation richtig ein und reagierte dementsprechend.
"Die Streckenposten und das medizinische Team an der Strecke haben fantastisch schnell reagiert. Außerdem muss ich mich bei der FIA und der Formel 1 für all die Arbeit bedanken, die sie geleistet haben und weiterhin leisten, um die Sicherheit unserer Autos zu verbessern", meinte Zhou, nachdem er einige Stunden nach seinem Crash - glücklicherweise unverletzt - aus dem Medical Center entlassen wurde.
Formel 1: Der WM-Stand (nach 10 von 22* Rennen)
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 181 |
2 | Sergio Perez | Red Bull | 147 |
3 | Charles Leclerc | Ferrari | 138 |
4 | Carlos Sainz | Ferrari | 127 |
5 | George Russell | Mercedes | 111 |
6 | Lewis Hamilton | Mercedes | 93 |
7 | Lando Norris | McLaren | 58 |
8 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 46 |
9 | Esteban Ocon | Alpine | 39 |
10 | Fernando Alonso | Alpine | 28 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 328 |
2 | Ferrari | 265 |
3 | Mercedes | 204 |
4 | McLaren | 73 |
5 | Alpine | 67 |
6 | Alfa Romeo | 51 |
7 | AlphaTauri | 27 |
8 | Haas | 20 |
9 | Aston Martin | 18 |
10 | Williams | 3 |
*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.
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