Es ist wieder so weit. Nach drei Monaten Winterpause ist die Formel 1 zurück und startet in die Saison 2022. Vor dem ersten Grand Prix am kommenden Sonntag in Bahrain klärt SPOX die wichtigsten Fragen. Wer macht das Rennen um den Titel? Wird es Sebastian Vettels letztes F1-Jahr? Und welche Schwierigkeiten stehen Mick Schumacher bevor?
Was ist zur Saison 2022 neu?
Die Königsklasse des Motorsports kommt in der kommenden Saison in einem komplett neuen Gewand daher. Die eigentlich schon für 2020 geplante Reglementrevolution tritt in diesem Jahr nun endgültig in Kraft, vor allem auf die Rennboliden hat das Auswirkungen.
Das grundlegende Ziel der F1-Bosse: Die Serie soll zu den Wurzeln zurückkehren. Engeres Kopf-an-Kopf-Racing, welches in den vergangenen Jahren vielen Fans deutlich zu kurz kam, soll 2022 sein Revival feiern. Dafür wurden die Autos vor allem aerodynamisch angepasst und vereinfacht. Font- und Heckflügel, Seitenkästen, Unterboden, Aufhängung, Reifen - beinahe jede Komponente musste sich einer gründlichen Änderung unterziehen.
Das Konzept schreibt hierbei ein bestimmtes Design vor, welches weniger Luftverwirbelungen erzeugt. Das Hinterherfahren - und idealerweise auch das Überholen - soll so deutlich einfacher werden. Hinzu kommt das Comeback des Ground-Effekts, den es schon zu aktiven Zeiten von Niki Lauda und Co. gab. Unter den Boliden wird ein Sog erzeugt, der ganz ohne komplexe Flügelsysteme für jede Menge Abtrieb sorgt.
Die Reifen sind von 13 Zoll auf 18 Zoll gewachsen, dies soll das berüchtigte "Reifenfenster" vergrößern, Racing am Limit erleichtern und damit einhergehend auch mehr taktische Tiefe bei Boxenstopps erlauben.
F1-Reglement: Feld soll enger zusammenrücken
Um die viel geforderte Chancengleichheit zu gewährleisten wurden viele Teile zudem vereinheitlicht und unter einen geregelten Kostendeckel gepackt. Individualisierungs-Möglichkeiten gibt es für die einzelnen Teams nur noch bei speziellen Komponenten, insgesamt soll das Feld dadurch enger zusammenrücken.
Auch auf dem Fahrermarkt hat sich im Vergleich zum Vorjahr einiges getan. Mit Kimi Räikkönen verliert die Formel 1 eine ihrer ganz großen Legenden, auch dessen Alfa-Teamkollege Antonio Giovinazzi und - bedingt durch die internationalen Sanktionen gegen Russland - Nikita Mazepin sind nicht mehr mit dabei. Dafür kehren mit Kevin Magnussen und Alexander Albon zwei bekannte Gesichter zurück, mit dem Chinesen Guanyu Zhou hat die F1 außerdem erstmals einen Fahrer aus dem Reich der Mitte im Feld.
Personelle Veränderungen gab es auch bei der Rennleitung. Nach dem kontroversen Saisonfinale in Abu Dhabi ist das Kapitel Michael Masi Geschichte. Für den Australier übernehmen der Deutsche Niels Wittich und der Portugiese Eduardo Freitas künftig die Leitung der GPs. Zudem wird im Hintergrund eine Videozentrale unterstützen, ähnlich dem "Kölner Keller" im Fußball.
Wer ist der Favorit?
Trotz der vielen verschiedenen Regeländerungen sind (zunächst) keine großen Verschiebungen im Vergleich zu 2021 an der Spitze zu erwarten. Eingespielte Abläufe, hochklassige Fabriken, (von der Budgetdeckelung ausgenommenes) Spitzenpersonal - vieles spricht dafür, dass die großen Topteams weiterhin Vorteile gegenüber den "Kleinen" genießen werden.
Das ruft dementsprechend zwei Teams auf den Plan: Red Bull und Mercedes. Beide Rennställe lieferten sich in der vergangenen Saison ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen um die Titel. Während Max Verstappen und Red Bull am Ende in der Fahrerwertung die lachenden Sieger waren, sicherten sich die Silberpfeile den Sieg bei den Konstrukteuren.
Vor allem Verstappen unterstrich seinen Favoritenstatus bei den abschließenden Testfahrten noch einmal in beeindruckender Manier. Nicht nur setzte der Niederländer die mit Abstand schnellste Rundenzeit, auch in Sachen Longrun-Simulationen und Zuverlässigkeit sah sein RB18 mehr als ordentlich aus.
Etwas mehr zu kämpfen hatte Mercedes, bei denen vor allem der Unterboden und das sogenannte "Porpoising", also das Hüpfen des Autos, noch Probleme machten. Insgesamt scheinen die Silberpfeile aber wieder ein äußerst rundes Gesamtpaket auf den Asphalt gezaubert zu haben.
Nicht außer Acht lassen sollte man außerdem die Änderung im zweiten Cockpit. Für den zu inkonstant performenden Valtteri Bottas übernimmt mit George Russell nun ein hungriges und schnelles Talent, das viele im Grid als zukünftigen Weltmeister auf dem Zettel haben. Die letztjährigen Vorteile RBs in Sachen Fahrerpaarung sind spätestens damit dahin.
Formel 1: Ferrari der Geheimfavorit?
Im Schatten der beiden Branchen-Primi der letzten Jahre hat sich während der Testfahrten aber noch ein anderes Team in den Vordergrund "gefahren". Die Scuderia Ferrari überzeugte in Sachen Speed und Zuverlässigkeit, für viele Experten sind die Roten schon jetzt der Geheimfavorit auf den Titel.
Ob der arg gebeutelte italienische Traditionsrennstall die plötzlich aufkeimenden Erwartungen tatsächlich erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Dennoch lässt sich festhalten, dass bei der Scuderia zum ersten Mal seit Jahren ein gewisses Maß an Zuversicht und Hoffnung herrscht.
Teamchef Mattia Binotto hat Ferrari seit seiner Übernahme 2019 kontinuierlich zurück an die "Big-Player" geführt. Die ruhige und konzentrierte Art des Italieners half den Roten vor allem in Krisenzeiten, die Regelrevolution scheint da genau zur rechten Zeit gekommen zu sein.
Wird es Sebastian Vettels letztes Jahr in der Formel 1?
Wenn Sebastian Vettel in diesen Tagen die Schlagzeilen füllt, hat das meist wenig mit den sportlichen Leistungen seiner Person zu tun. Klimaschutz, Menschenrechte, Russlands Angriff auf die Ukraine - der 34-Jährige setzt in turbulenten Zeiten wichtige Zeichen und ist in den letzten Jahren zu einer Art "gutem Gewissen" der Formel 1 mutiert. Auf der Rennstrecke liegen nennenswerte Erfolge des Heppenheimers aber mittlerweile einige Zeit zurück.
Sein letzter Rennsieg ist mehr als zweieinhalb Jahre her, in der vergangenen Saison blieben er und sein Rennstall Aston Martin weit hinter den hoch gesteckten Erwartungen zurück. "Letztes Jahr war schwierig", räumte er selbst vor dem Saisonstart in Bahrain ein. Ob 2022 nun unter einem glücklicheren Stern stehen wird lässt sich derzeit noch schwer einschätzen, wirklich gut sieht es aber nicht aus.
Neben einem positiven Corona-Test, durch den er das erste Rennwochenende verpassen wird, trübten vor allem die Testfahrten in Barcelona und Bahrain die Hoffnungen auf Besserung. Aston Martin - das sich auf dem zweiten Teilstück eines Fünfjahresplans befindet, der das Traditionsteam zurück an die Weltspitze führen soll - dürfte sich nach den bisherigen Eindrücken zumindest zu Saisonbeginn im breiten Mittelfeld einfinden. Große Performance-Sprünge? Fehlanzeige!
Zu wenig für Vettel, der seine Zukunft in der Formel 1 zuletzt ausdrücklich an der Konkurrenzfähigkeit seines Boliden festgemacht hatte. "Die ehrliche Antwort ist: Ich weiß es nicht", entgegnete er auf die Frage, ob er 2023 denn noch für Aston Martin in der Königsklasse des Motorsports antreten werde. "Wir schauen erstmal, wo wir stehen - und ab einem gewissen Punkt beschäftige ich mich mit der Zukunft. Nach meinen Erfolgen in der Vergangenheit dürfte es nur logisch sein, dass ich gewinnen will. Davon wird also meine Zukunft abhängen."
AM-Boss: "Seb will nicht auf Platz 15, zwölf oder acht herumfahren"
Da hilft es auch wenig, dass sich das Team demonstrativ hinter Vettel stellt und jegliche Kritik an dessen individueller Leistung im Keim erstickt.
"Wir haben mit ihm fahrerisch einen Top-Mann, bei dem wir keine Zweifel haben müssen, ob er der richtige Fahrer ist", sagte sein neuer Teamchef Mike Krack. Es sei "klar, dass jemand wie Seb nicht auf Platz 15, zwölf oder acht herumfahren will", führte der 49-jährige Luxemburger aus, "aber ich denke, Seb ist ein schlauer Kerl. Er wird seinen Fokus auf das langfristige Potenzial richten."
Doch will Vettel als dreifacher Vater und ausgesprochener Familienmensch wirklich noch so lange warten? Sein Vertrag bei den Briten läuft noch bis zum Jahresende, vieles deutet darauf hin, dass Aston Martin seine letzte Karrierestation in der Formel 1 sein wird. Sollte der AMR22 tatsächlich nicht mit der Weltspitze mithalten können, wird es wohl das letzte Jahr sein, in dem wir Sebastian Vettel in der Königsklasse bestaunen dürfen.
Macht Mick Schumacher den nächsten Karriereschritt?
Im vergangenen Jahr stellte sich für Mick Schumacher meist nur eine einzige Frage. Und zwar die, ob er das Rennen vor oder hinter seinem Teamkollegen Nikita Mazepin beenden würde. Eine Saison später lässt sich festhalten, dass er den Russen über weite Teile souverän im Griff hatte, für wirklich mehr reichte es aber eben auch nicht.
Das ist keineswegs Schumachers Schuld, schließlich war die 21er-Version des Haas' das mit weitem Abstand schlechteste Auto im Feld, die individuelle Leistung des 22-Jährigen lässt sich dadurch aber eben auch schwer bewerten. Große Patzer unterliefen ihm nicht, mit schnelleren Konkurrenten konnte er sich aber nie messen.
2022 soll für den Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher nun alles anders laufen. Mehr Fights, weniger Fehler, vielleicht sogar die ersten WM-Punkte. Die Eindrücke aus den Tests jedenfalls "waren gut, besser als letzte Saison", so Schumacher gegenüber dem SID. Tatsächlich scheint der US-amerikanische Rennstall die Winterpause gut genutzt zu haben, die früher gestartete Entwicklung des VF-22 könnte Früchte getragen haben. Der neue Bolide sieht deutlich schneller und konkurrenzfähiger aus als noch vor einem Jahr.
"Vielleicht werden sie die große Überraschung", meinte Ex-Weltmeister Damon Hill nach den Testfahrten, "sie haben ihre gesamte Energie in dieses Auto gesteckt." Eine weitere verlorene Saison für Schumacher ist daher sehr unwahrscheinlich. Damit steigt allerdings auch der Druck - und das aus verschiedenen Gründen.
Mick Schumacher: Erwartungen sind gewachsen
Im Teamduell sitzt mit Kevin Magnussen nun eine ganz andere Hausnummer auf der anderen Seite der Garage. Der Däne hat schon mehr als 100 Grands Prix auf dem Buckel und kennt das Team aus der gemeinsamen Zeit zwischen 2017 und 2020. "Ich weiß aber, was ich kann", meint Schumacher über seinen neuen Teamkollegen, "daher schüchtert mich das nicht ein. Und ich denke, ich kann von ihm profitieren." Behält der Deutsche intern weiterhin die Oberhand, ist das hoch zu bewerten - bei einer Niederlage im Teamduell könnte es aber auch den ersten Karriereknick geben.
So oder so muss sich Schumacher neu beweisen, er ist nun kein Rookie mehr. Im zweiten Jahr sei man nicht mehr zum Lernen da, sondern zum Können, meinte Onkel Ralf zuletzt gegenüber Sky. Dabei wird ihn nicht nur die Öffentlichkeit auf Schritt und tritt verfolgen, sondern auch ein namhafter Förderer.
Seit 2019 gehört Schumacher zur Ferrari-Akademie, die Scuderia hätte in Zukunft gerne den nächsten Schumacher im roten Auto. Dafür muss aber auch die Leistung stimmen. "Je besser dieses Jahr läuft", sagt er daher, "desto größer werden meine Möglichkeiten für die Zukunft sein." An der Perspektive hat sich nichts geändert, die Erwartungen an ihn sind aber gewachsen. 2022 wird für Schumacher ohne Frage schwieriger werden.
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