Finnische Tiefflieger im Doppelpack

Alexander Maack
13. Juni 201618:07
Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen fuhren keinesfalls auf Augenhöhegetty
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SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 7 der Saison 2016: Der Große Preis von Kanada in Montreal. Die Finnen Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas beweisen sich als Mathematiker und definieren die Extremwerte, Lewis Hamilton und Sebastian Vettel müssen sich Fragen gefallen lassen und Nico Rosberg bezwingt den Weihnachtsbaum.

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Platz 1, Valtteri Bottas: Wo kommt dieser Bottas denn plötzlich her? Diese Frage dürften sich am Sonntag einige gestellt haben, die sich das mittelmäßige 2:0 des DFB-Teams gegen die Ukraine bei der EM 2016 nicht antun wollten. Der Finne flog unter dem Radar. Das machte er gut.

Bottas verzichtete wie Hamilton auf einen zweiten Stopp. Er fuhr 47 Runden auf den Softs. Das spülte ihn an beiden Red Bull und dem in allerlei Schwierigkeiten steckenden Nico Rosberg vorbei. Das Beeindruckende an Bottas' Leistung: Der Williams ist eigentlich ein Reifenvielfraß. Letztlich ging die Taktik auf, weil die Temperaturen ungewöhnlich kühl waren. Kletterte das Thermometer am Freitag noch auf 40 Grad Celsius, betrug die Asphalttemperatur im Rennen lediglich 25 Grad.

Ausgerechnet Williams, die Taktikdeppen der Saison 2015, schätzte den Verschleiß der Slicks richtig ein und feierte einen Strategie-Coup. Bottas trug dazu entscheidend bei: Er wehrte trotz schonender Fahrweise den heranstürmenden Rosberg nach seinem Stopp ab und stellte so die Weichen für das erste Podium des Teams aus Grove in der Saison 2016.

Platz 2, Lewis Hamilton: Fünfte Montreal-Pole im neunten Versuch. Fünfter Sieg im neunten Kanada-Grand-Prix. Warum ist Hamilton auf der Ile de Notre Dame derart dominant? "Es kommt vor allem aufs Bremsen an. Ich war seit meinen Kindertagen ein Spätbremser. Wahrscheinlich liegt die Strecke deshalb meinem Stil so", begründet der Weltmeister seine scheinbare Überlegenheit.

Beim diesjährigen Rennen bewies Hamilton zudem, dass er eben nicht nur aggressiv fahren kann. Er hielt mit seinen Reifen Haus, er fuhr den längsten Stint auf den Ultrasofts und sparte sich so einen Stopp. Als Vettel sich nach seinem zweiten Reifenwechsel näherte, kontrollierte Hamilton die Lücke. In Angriffsposition kam der deutsche Ferrari-Pilot so nie.

Hamilton fuhr klug wie Bottas. Doch zwei Makel sind ihm anzukreiden. Es ist unerklärlich, warum er dauerhaft Probleme beim Start hat. Auch wenn Hamiltons Kupplung überhitzt, muss er sich die Frage stellen, warum es beim Teamkollegen regelmäßig besser klappt. Und dann wäre da noch das Verhalten in der ersten Kurve: Hamiltons Aggressivität kostete Mercedes einmal mehr Punkte.

Platz 3, Sebastian Vettel: Die Strategie, die ihn letztlich den Sieg kostete, war die der Ingenieure. Vettel war schuldlos daran. Die Taktik war richtig. Trotzdem kommt der Deutsche nur auf Platz 3. Weil er Fehler einstreute, wie fast jeder Pilot an diesem Wochenende.

Vettel forderte die Mercedes mit einer exzellenten Runde in Q3. Er legte einen phänomenalen Start hin, überholte die Mercedes auf der Innenbahn und bremste die erste Kurve schon wieder auf der Ideallinie an.

Doch insgesamt patzte der vierfache Weltmeister zu oft. Schon in der ersten Runde verpasste er die Schikane vor Start-Ziel. Im Schlussstint wiederholte er den Fehler, vor der VSC-Phase verbremste er sich vor Turn 1. Es waren zu viele kleine Mängel für eine Bestnote.

Platz 4, Max Verstappen: Dass der Teenie überholen kann, hat er bei Toro Rosso oft genug bewiesen. In Montreal zeigte er, dass er genauso gut verteidigen kann. Rosberg biss sich an Verstappen die Zähne aus, der die Innenbahn auf der langen Gerade entschieden dicht machte. Der Deutsche kam nur mit der Brechstange vorbei, um sich beim Anbremsen der Schikane dann auch noch zu drehen.

Abzüge bekommt Verstappen nur für seine Quali-Niederlage gegen seinen Red-Bull-Kollegen Daniel Ricciardo. Die machte der Niederländer immerhin schon in der ersten Runde wieder wett. Dafür, dass Verstappen noch in der Eingewöhnungsphase beim neuen Team ist, stellt er sich hervorragend an.

Platz 5, Carlos Sainz jr.: Toro Rossos Spanier fuhr ein herausragendes Rennen. Startplatz 20 verwandelte er bis zur Zieldurchfahrt in Rang 9. Den erarbeitete er sich mit einer Glanzleistung in Runde 1, als er Pascal Wehrlein, Jolyon Palmer und Rio Haryanto ebenso hinter sich ließ wie Felipe Nasr, der von Kevin Magnussen abgeschossen wurde.

Doch auch wenn Sainz der überragende Mann des Rennens war, besser als Platz 5 kann er nicht gewertet werden. Der Spanier schmiss sein Auto im Qualifying in die "Wall of Champions", weil er unbedingt Q3 erreichen wollte. Die Einstellung mag gut sein, doch Sainz räuberte derart heftig über die Kerbs des Circuit Gilles Villeneuve, dass dieser Unfall programmiert war. Der Unfall, der Getriebewechsel und Strafversetzung nach sich zog, war vollkommen unnötig.

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Platz 6, Fernando Alonso: Der zweifache Weltmeister erregte am Sonntag nur einmal Aufmerksamkeit: Er wollte kurz vor Rennende in die Box fahren. Aufgeben? Nicht mit Alonso. Er habe sich einen neuen Reifensatz holen wollen, erklärte der Routinier seinen Funkspruch nach der Zieldurchfahrt. 52 Runden war er insgesamt auf den soften Slicks unterwegs.

Alonso wurde einmal mehr durch den durstigen Honda gebremst. Noch immer ist der Benzinverbrauch zu hoch. Deswegen war Alonso im Rennen eine lahme Ente. Die fahrerische Leistung war gut, besonders im Qualifying. Der Sprung in die Top 10 muss die Konkurrenz im Mittelfeld der Formel 1 beunruhigt haben. Gerade in Kanada war McLaren in der Saison 2015 chancenlos. Das Auto ist gut. Der Fahrer ist gut. Nur Honda noch nicht.

Platz 7, Nico Rosberg: Ein frustrierendes Wochenende für den WM-Führenden. Sein Vorsprung? Fast komplett weggeschmolzen. Neun Zähler trennen ihn noch von Hamilton. Drei Rennen in Folge verpasste Rosberg das Podest. Letztmals kam das in der Saison 2013 vor. Doch hat er Fehler gemacht? Einer ist ihm definitiv anzukreiden.

Den letzten Versuch in Q3 versemmelte er schon vor der ersten Kurve mit einem Verbremser. An derselben Stelle wurde ihm zum Verhängnis, dass Hamilton mit Untersteuern hart seine Position verteidigte. Das Podium war außer Reichweite. Auch weil Rosbergs Display einem mit blinkenden Lichterketten gespickten Weihnachtsbaum glich. Der Ausritt aufs Gras verstopfte die Kühlung teilweise. Dafür hielt Rosberg sein Auto gut unter Kontrolle, auch wenn der Mercedes ähnlich wie der Red Bull zu seiner besten Zeit kein Wagen ist, mit dem Überholen ein Kinderspiel ist.

Platz 8, Pascal Wehrlein: Ausgerechnet der Teamkollege machte dem amtierenden DTM-Meister einen Strich durch die Rechnung. Rio Haryantos Unfall in Q1 unterbrach Wehrleins schnelle Fahrt. Im ersten Versuch hatte der Deutsche noch Daniil Kvyat, Jolyon Palmer, Romain Grosjean und beide Sauber hinter sich gelassen. Wehrlein schaffte es beim Start noch an Palmers Renault vorbei, bis ein Schaden am Unterboden ihn bremste. Deshalb musste er Marcus Ericsson im Sauber ziehen lassen.

Platz 9, Jenson Button: Der Engländer machte fehlenden Windschatten dafür verantwortlich, dass er Q3 verpasste. Wahrscheinlicher ist, dass er etwas zu viel Zeit verlor, als ihm vor der Haarnadel das Rad stehen blieb. Beim Start schnappte er sich den Force India von Sergio Perez. Button hielt locker mit Alonso mit, bis sein Honda-Motor mal wieder den Geist aufgab.

Platz 10, Daniel Ricciardo: Das Qualifying war sehr gut, doch der Australier erwischte einen gebrauchten Sonntag. Verstappen ließ er in der zweiten Kurve nach dem Start vorbei. Anschließend fuhr Ricciardo hinter ihm her. Sein zweiter Stopp erzeugte Stirnrunzeln. Warum von Soft auf Soft wechseln? Die Erklärung: Ricciardo hatte sich vor der Schikane kapital verbremst. Dass er in den Verkehr zurückfiel und hinter Kimi Räikkönen feststeckte, war sein Fehler.

Härtefall, Kimi Räikkönen: Beliebt ist diese Meinung vielleicht nicht. Doch Räikkönen enttäuschte einmal mehr. Mehr als eine halbe Sekunde fehlte ihm in Q3 zu Teamkollege Vettel. 0,589 Sekunden - eine ganze Galaxie auf dem kurzen Circuit Gilles Villeneuve. Im Rennen wurde es nicht besser. Durch Ricciardos Patzer kam er immerhin am Australier vorbei. Nur: Eine Minute Rückstand auf Vettel? Zu viel. Viel zu viel. Der Iceman duellierte sich mit Kevin Magnussen und Rio Haryanto um den letzten Platz im Driver-Ranking. Er vermied ihn, weil er sein Auto wenigstens nicht in die Mauer setzte.

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