Evolution statt Revolution

Christoph Köckeis
05. Februar 201321:41
Red Bull verzichtete auf ein komplettes Vanity-Panel und entwickelte das Auto akribisch weiterGetty
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Schlankheitswahn in der Formel 1: Die 2013er Boliden glänzen mit ihrer schmalen Taille. Saubers radikale Lösung beeindruckt - doch ist sie auch schnell? Während Red Bull sein Konzept vorantreibt, rüsten Ferrari und McLaren zum Großangriff auf. Und Mercedes? Die gehen auf Nummer sicher. SPOX ordnet die Innovationen der Top-6-Teams ein.

Red Bull Racing - RB9:

"Der RB9 ist eine Evolution. Es ging hauptsächlich darum, die Ansätze zu verfeinern", bekräftigt Adrian Newey. Bevor 2014 eine Technikreform die Kräfteverhältnisse neu sortieren wird, herrscht im Übergangsjahr Kontinuität. Das Vorjahres-Modell entwickelte man akribisch weiter, immerhin lässt sich am weltmeisterlichen Grundkonzept durchaus aufbauen.

Die optisch fragwürdige Stufennase wirkt jedenfalls durch die Eitelkeitsblende deutlich flüssiger. Warum die Kaschierung nur minimal ausfiel, begründet der Star-Designer ganz simpel: "Sie reicht nicht weit nach vorne, weil das Gewicht nicht zu rechtfertigen wäre." SPOX

Bislang unberührt: der Frontflügel. Wobei die Streben weiter nach hinten reichen, um die Luft zu kanalisieren. Erhalten wurde die altbewährte Pushrod-Aufhängung. Auch die ranke Linie prägt weiterhin das Bild. Nuancen machen hier den Unterschied.

"Der mittlere Teil mit Kühlung, Lufteinlässen, dem Paket aus Getriebe und hinterer Aufhängung muss eine möglichst optimale Konstellation darstellen. Danach sind großartige Änderungen nicht so einfach machbar", kennt Newey die Bedeutung. So entstand ein RB8 2.0.

Ferrari - F138:

Ferrari durchlief eine Generalüberholung: Nachdem Fernando Alonso den WM-Coup verpasste, geriet die Kommandobrücke zusehend in Bedrängnis. Tradition verpflichtet eben. Entsprechend bläst die Zentrale in Maranello zum Angriff.

Die Schönheitskur ist geglückt. Nicht zuletzt die Nase mit Vanity Panel, die auf maximaler Höhe waagrecht verläuft, mutet einer roten Göttin würdig an. Weiter vorne stechen die Pylonen, an denen der Flügel befestigt ist, hervor. Sie sind noch ausgeprägter als bei Red Bull.

Bei der Aufhängung hält die Scuderia am Pullrod-System fest. Es senkt den Schwerpunkt und bietet zusätzliche Freiheiten bei der aerodynamischen Gestaltung. Dank veränderter Geometrie hoffen die Ingenieure, die Kinderkrankheiten aus der Vorsaison behoben zu haben. Im Übrigen verbessert man die Strömung auf die Hinterräder.

Das Heck selbst ist schlanker und kompakter, soll einen Anstieg der Top-Speed-Werte bescheren. Simone Resta, Leiter des F138-Projekts, betont angesichts der weit außen liegenden Auspuffrohre: "In diesem Bereich versprechen wir uns den größten Performance-Gewinn."

McLaren - MP4-28:

"Wir hatten zum Schluss das schnellste Auto, geben uns damit nicht zufrieden. Deshalb haben wir einige Ideen einfließen lassen", erklärt Teamchef Martin Whitmarsh während der Präsentation. Bei der Vorderansicht folgt man mit dem Pullrod-System dem Vorbild Ferraris.

Beinahe waagrecht liegt die Zugstrebe. Eine gewagte Lösung, welche Abstimmung und Verständnis des Fahrverhaltens erschweren könnte. Technikdirektor Tim Goss ist dennoch überzeugt: "Wir brauchten einen größeren Schritt." Eine flachere Nase wird so ermöglicht, die Stufe bleibt verhüllt.

Dahinter wurden einzig Adaptierungen vorgenommen. Noch immer zeichnet sich die Flaschenform im Heck ab. Der Coanda-Auspuff scheint äußerlich unverändert, wurde aber nochmal optimiert: "Er harmoniert gut mit der Aerodynamik."

Eine neue Konstruktion findet sich an der Hinterradaufhängung. Sie ähnelt dem Red Bull, ist stark nach vorne gerichtet. Am Ende des Radträgers münden die Querlenker zusammen und sollen die Verwirbelungen reduzieren.

Seite 2: Lotus, Mercedes und Sauber

Lotus - E21:

2012 bestimmte Lotus oftmals die Schlagzeilen. Entweder flog Crashpilot Romain Grosjean durch die Luft. Oder Kimi Räikkönen knallte Traumzeiten auf den Asphalt. Speziell am Sonntag vermochte der Iceman zu glänzen. Er profitierte vom Grundspeed seines schwarz-goldenen Renners.

Daher übte sich die Fabrik in Enstone in vornehmer Zurückhaltung. "Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Und kleine Details können sich addieren. Einige Features wurden von Grund auf umdesignt. In anderen Bereichen haben wir die besten Teile unserer Philosophie der letzten Jahre optimiert", beschreibt Technikchef James Allison. SPOX

Von der Nasen-Blende sahen die Ingenieure bewusst ab, "das wären ein paar Gramm und ist tabu". Beim Flügel führte man "das Konzept, an dem wir seit 2009 feilen", zunächst fort. Die Seitenkästen schwingen sich aggressiver zurück und werden vom erstmals installierten Coanda-Auspuff - der Abtrieb generiert, aber Motorenleistung kostet - dominiert.

Die brückenartigen Sidepod-Wings an den Lufteinlässen sollen zudem die Strömungen beruhigen und an das Chassis pressen.

Mercedes - F1 W04:

Der Erfolgsdruck lastet schwer. Lewis Hamilton ersetzte Michael Schumacher. Toto Wolff übernahm für Norbert Haug. Über allem thront Niki Lauda. Sein Auftrag: Die erfolglosen Silberpfeile wieder auf Hochglanz polieren. Ob das mit dem F1 W04 gelingt, darf bezweifelt werden. Der Bolide passt nicht so recht in die Abteilung Attacke.

Konservativ, fast langweilig kommt er rüber. Teamchef Ross Brawn entgegnet: "Es gibt zahlreiche Neuerungen. Man muss jedoch genauer hinsehen, um sie zu erkennen." Vorne blieb alles beim Alten. Der dezente Nasen-Knick mündet in einen Entenschnabel.

Frei von Innovationen präsentiert sich der Frontflügel. Spätestens zum Auftakt in Melbourne wird dieser aber aus fünf Elementen bestehen. Die erwähnte Detailverliebtheit ist auf Höhe des Cockpits zu erahnen: Unter dem Spiegel soll ein Dreizack gezielte Verwirbelungen provozieren, selbiges gilt für die vertikalen Finnen über den Lufteinlässen.

Nüchtern hielt man die Seitenkästen. Sie schrumpften zwar um etwa fünf Zentimeter, fallen aber im direkten Vergleich wuchtig aus. An der Hinterachse setzt Brawn auf eine verkleidete Pullrod-Aufhängung, vorne verwendet man weiterhin Schubstreben. Einfallsreichtum sieht anders aus.

Sauber - C32:

Eine schmale Taille liegt im Trend. Geschlossen folgt die Königsklasse diesem. Wirklich revolutionär gestaltete sich der Sauber. Denn kein Team konstruierte radikaler. Das Chassis schmiegt sich eng Richtung Heck, nahm in der Breite rund zehn bis 15 Zentimeter ab. Eine Meisterleistung der Konstrukteure.

"Wir mussten Kühler und elektrische Boxen da unterbringen, das war eine große Herausforderung. Ebenso der Crashtest", erörtert Designer Matt Morris. Der Widerstand wird enorm verringert. Auf dem Unterboden bietet sich überdies mehr Platz für Leitbleche. Wenn das Konzept funktioniert, wäre der C32 für die Konkurrenz ob begrenztem Raum kaum nachzuahmen.

Interessant: Die Nase. Einzig die Kanten wurden hochgezogen und dadurch eine zusätzliche Röhre geschaffen. Die Luft soll kontrollierter über das Auto geleitet werden - der Verzicht auf das Vanity Panel hat auch aerodynamische Konsequenzen.

Der Formel-1-Kalender im Überblick