Sieger im Demolition Derby: Mark Webber

Alexander Maack
06. November 201212:46
Hatte die Nase lediglich im Demolition Duell von Abu Dhabi vorn: Mark Webberxpb
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Auch in der Formel-1-Saison 2012 bewertet SPOX nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt ein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 18: Der Abu-Dhabi-GP.

Ich räume schon an dieser Stelle ein, dass meine Bewertung nicht den Geschmack aller Leser treffen wird. Sie ist subjektiv. Persönlich. Und bei einem Rennverlauf wie in Abu Dhabi kann es keine allgemeingültige Meinung geben. Drei, vier eigentlich sogar fünf Fahrer hätten an diesem Wochenende den ersten Platz verdient. Das Rennen war ausgeglichen, das Feld eng beieinander und mehrere Fahrer überzeugten, teils im Verborgenen. Zudem fiel der Mann des Samstags ohne eigenes Verschulden aus. Kleinste Fehler machten am Ende den entscheidenden Unterschied aus.

Beeindruckend war auch Mark Webber. Allerdings eher auf negative Art. Der Australier sollte den Sonntag schnellstens abhaken oder sich selbst den Titel im Demolition Derby von Abu Dhabi verleihen.

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Die Wertung für den Abu-Dhabi-GP:

Platz 1, Kimi Räikkönen: Der Iceman hat endlich seinen verdienten Sieg eingefahren. Zum ersten Mal seit Spa 2009 stand der Finne in Abu Dhabi ganz oben auf dem Treppchen. Er selbst trug daran wesentlichen Anteil. Am Start war er fünf Plätze besser platziert als sein Teamkollege Grosjean, was keine Selbstverständlichkeit ist. Der Franzose führt in den Qualifikationsduellen gegen Räikkönen immernoch.

Was Räikkönen fabrizierte, als die Ampel ausging, war Weltklasse. Als Mark Webber fast stehenblieb, wich der Finne geistesgegenwärtig nach links aus, preschte am Red Bull vorbei und scherte dann direkt vor dessen Frontflügel wieder in die Mitte der Fahrbahn. So hatte er die bessere Linie als Pastor Maldonado, der im Williams ebenfalls vor ihm startete, und konnte den Venezolaner ebenfalls direkt hinter sich lassen. Es war also Räikkönen selbst, der sich in die glänzende Ausgangsposition brachte, die ihm letztendlich den Sieg ermöglichte.

Als Lewis Hamilton in der zweiten Runde plötzlich neben der Strecke war, weil er sich beim Anbremsen von Turn 7 seinen einzigen Fehler des Wochenendes leistete, beschleunigte Räikkönen seinen Lotus neben den McLaren des Briten, ließ ihm in der folgenden Linkskurve aber den Platz zum Atmen. Der Brite hatte an diesem Wochenende das schnellere Auto, Räikkönen aber fuhr taktisch geschickt und hatte das nötige Quäntchen Glück als er die Führung kampflos übernehmen konnte.

Zweimal erarbeitete er sich einen Vorsprung auf seine Verfolger, bis das Safety-Car auf die Strecke musste. 2,1 und 9,8 Sekunden verlor Räikkönen. Doch beide Restarts meisterte er souverän und leistete sich auch sonst keinen einzigen Patzer. Die lässigen Funksprüche waren das I-Tüpfelchen auf einem perfekten Wochenende, das dem Iceman den ersten Sieg SPOX-Driver-Ranking 2012 einbringt.

Platz 2, Lewis Hamilton: Der Brite war in Abu Dhabi der schnellste Mann im Feld. Trotzdem reicht es beim McLaren-Piloten nicht für Platz eins. Der Grund ist der eine Fehler, den sich Hamilton an diesem Wochenende leistete, den ich schon bei Räikkönen beschrieben habe. Natürlich ist die Entscheidung hart, zumal Hamilton bis zu seinem technisch bedingten Ausfall gleichbleibende Rundenzeiten hinlegte, während die der anderen Piloten bereits abbauten. Trotzdem entscheide ich mich an dieser Stelle bewusst für Räikkönen und gegen Hamilton: Ein hervorragender Start gegenüber einem kleinen Fehler bringen den entscheidenden Vorteil.

Platz 3, Sebastian Vettel: Dass der WM-Führende mit einer reinen Rennabstimmung nach dem Start aus der Box nach vorne kommen würde, war zu erwarten. Dass es aber für Platz drei reichen würde, nachdem Vettel in der ersten Safety-Car-Phase an die Box musste, um seinen Frontflügel wechseln zu lassen, schien dann doch höchst unwahrscheinlich. Vettel rangiert trotzdem auch im Driver-Ranking nur auf Rang drei.

Die Erklärung ist denkbar einfach: Ich denke, dass der Doppelweltmeister selbst für den Zusatzstopp verantwortlich war, bei dem er von den härteren auf die weicheren Pirelli wechselte. Dass Daniel Ricciardo im Toro Rosso seine Bremsen aufwärmen würde, musste Vettel eigentlich klar sein. Er selbst hatte sich ein ähnliches Manöver in Singapur geleistet, als ihm Jenson Button fast ins Heck gerauscht wäre. Die Kollision mit Bruno Senna wenige Runden zuvor ging aus meiner Sicht ebenso auf Vettels Kappe.

Außerdem machte der Heppenheimer beim ersten Überholvorgang gegen Grosjean einen Fehler, als er den Lotus-Piloten außerhalb der Strecke überholte. Hier riskierte Vettel unnötigerweise eine Strafe, wie er sie schon in Hockenheim kassiert hatte. Die Aufzählung der Fehler soll die Leistung Vettels keineswegs schmälern. Er fuhr herausragend. Trotz des Husarenritts wäre ein Sieg im Ranking im Vergleich zu den beiden vor ihm platzierten Fahrern aber für mich nicht angemessen.

Platz 4, Fernando Alonso: Startplatz fünf. Endresultat zwei. Der WM-Zweite hielt auch in Abu Dhabi seine Form und fuhr im Rennen deutlich weiter nach vorne, als er dazu im Qualifying in der Lage war. Die Rennpace des Ferrari ist weiterhin gut, was Alonso hervorragend umsetzt und in WM-Punkte umwandelt. Der Spanier fährt aktuell auf konstantem Niveau. Kein Ausreißer nach unten und keiner nach oben. Wobei meiner Meinung nach am oberen Ende aktuell auch nur ganz wenig Luft ist.

Platz 5, Pastor Maldonado: "Alles oder nichts" könnte das Lebensmotto des Venezolaners in Williams-Diensten sein. Maldonado lieferte eine bockstarke Qualifikation ab und stellte den Williams in die zweite Startreihe. Im Rennen schien sich dann das alte Bild zu bestätigen. Maldonado hält anfangs gut mit und leistet sich dann einzelne Fehler oder wird zu einfach überholt. Zu Beginn des Rennens blieb Maldonado problemlos hinter Räikkönen. Erst nach der ersten Safety-Car-Phase musste er abreißen lassen und wurde dann von Alonso überholt. Den Grund offenbarte sein Chefingenieur Mark Gillan nach dem Rennen. Maldonados KERS war ausgefallen. Unter diesen Umständen ist sein fünfter Platz noch höher einzuschätzen, da er ohne die zusätzlichen PS kaum Chancen hatte, seine Position zu halten.

Platz 6, Kamui Kobayashi: Das Rennen ist der Teil des Wochenendes, auf den es am meisten ankommt. Bestzeiten in Freien Trainings schön und gut, auch ein guter Startplatz ist angenehm. Doch was wirklich zählt, ist ein gutes Rennen. Das legte Kobayashi in Abu Dhabi hin. Er fuhr von Startplatz 15 noch auf den sechsten Rang nach vorne. In Runde 26 stoppte Kobayashi, wechselte von den soften auf die Medium-Slicks und begann danach seine Attacke, bei der er erst durch gute Rundenzeiten und später durch ein wenig Glück weit nach vorne gespült wurde. Gegen Ende des Rennens untermauerte er die gute Vorstellung, als er den Vorsprung auf Felipe Massa sukzessive vergrößerte.

Platz 7, Heikki Kovalainen: Der Finne in Caterham-Diensten hat sich wieder gefangen. Als 18. ging Kovalainen ins Rennen und lag nach zwei Runden plötzlich an Position zwölf. Dass er mit dem schwachen Caterham nicht mit den Toro-Rosso-Piloten mithalten kann, ist bekannt. Daher zählt bei Kovalainen vorallem das Duell gegen den eigenen Teamkollegen Witali Petrow. Das wiederum entschied er haushoch für sich. Vor der zweiten Safety-Car-Phase hatte der Finne fast 30 Sekunden Vorsprung angehäuft. Zum Vergleich: Im Ferrari-Duell kam Alonso verglichen mit Massa nur auf sieben mehr.

Platz 8, Michael Schumacher: In der 40. Runde war der Rekordweltmeister plötzlich Siebter. Wie er dahin kam? Er startete neben Vettel und Senna als einziger Pilot auf der härteren Pirelli-Mischung und konnte dadurch länger draußen bleiben als seine Konkurrenten. Schon am Start machte Schumacher drei Positionen gut, weil Nico Hülkenberg, Paul di Resta und Senna sich in der ersten Kurve keinen Platz ließen. Schumacher enthielt sich sämtlichen Rangeleien und wurde im gesamten Rennverlauf nur zweimal überholt. Einmal von Vettel in Runde 24 und von Felipe Massa in Runde 41 als sein Reifendruck aufgrund eines schleichenden Plattfußes sank. Der anschließende zweite Boxenstopp kostete Schumacher schließlich seine sicher geglaubten Punkte. Jean-Eric Vergne konnte er noch abfangen, für Ricciardo reichte es nicht mehr.

Platz 9, Bruno Senna: Wieder bewies der Brasilianer, dass er im Rennen locker mit Maldonado mithalten kann. Dabei begann das Rennen schlecht: Zweimal kollidierte Senna. In der Startkurve traf er auf Hülkenberg und kurze Zeit später auf Vettel. Danach arbeitete Senna sich immer weiter nach vorne, lag vor seinem Boxenstopp auf Platz fünf und kam schließlich als Achter ins Ziel. Eine gute Leistung, wenn man bedenkt, dass er nur als 14. gestartet war.

Platz 10, Jenson Button: So richtig läuft es für den Briten aktuell nicht mehr. Seit Suzuka kam er nicht mehr vor Hamilton ins Ziel. In Abu Dhabi machte er viel zu wenig aus dem Potenzial des McLaren und war zurecht enttäuscht über seine Leistung im Qualifying. Für Button wäre wesentlich mehr möglich gewesen als der sechste Startplatz. An seine hervorragende Longrun-Geschwindigkeit aus den Freitagssessions kam Button im Rennen ebenfalls nicht mehr heran. Dennoch verteidigte er seine Position und lieferte Vettel auf den härteren und älteren Reifen rundenlang einen packenden Kampf. Damit hat sich Button meiner Meinung nach noch einen Punkt verdient.

Härtefall, Mark Webber: Während Vettel sich mit seiner Aufholjagd ins bestmögliche Bild rückte, enttäuschte sein Teamkollege auf ganzer Linie. Ein grottenschlechter Start kostete ihn den zweiten Platz und zerstörte einen Teil der Red-Bull-Strategie, weil Webber noch in der ersten Runde Alonso passieren ließ. Eigentlich sollte der Australier vor dem Ferrari-Piloten ins Ziel kommen, falls Vettel doch keinen Husarenritt hinlegt, und so den Punktverlust gegenüber dem Spanier in der Fahrer-WM gering halten.

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Alonso unter Druck zu setzen gelang Webber daraufhin aber nicht mehr. Stattdessen begann er sein Demolition Derby, auch wenn er am endgültigen Ausscheiden unschuldig war. Zuvor wollte Webber Maldonado überholen, schnitt den Venzolaner aber viel zu extrem. Die Kollision und der Dreher, der ihn drei Plätze kostete, gehen daher eindeutig auf seine eigene Kappe. Hätte der Williams-Pilot nicht derart hart aufs Bremspedal getreten, dass seine Vorderräder stehen blieben, wäre Webber wohl schon hier ausgeschieden.

Auch am Dreher von Massa war der Australier nicht unbeteiligt. Zwar ließ ihm der Brasilianer in dieser Situation etwas zu wenig Platz, doch Webber rauschte mit hoher Geschwindigkeit durch die Auslaufzone zurück auf die Strecke und zwang Massa damit, nochmal zu bremsen. Dieses Durchbeschleunigen außerhalb der Strecke hätten die Rennkommissare meiner Meinung nach mit einer Strafe ahnden müssen.

Die Punkte für das Abu-Dhabi-Wochenende:

Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM