Das neue Qualifying-Format der Formel 1 hat bei seiner Premiere harsche Kritik geerntet. Direkt nach der Zeitenjagd um die Pole Position zum Großen Preis von Australien in Melbourne sprachen sich die Verantwortlichen für eine umgehende Änderung aus. Bernie Ecclestone hat einen irren Plan mit kruden Zeitstrafen.
"Die ganze Session war ein bisschen konfus", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Wir hatten den Eindruck, dass niemand so recht wusste, wann er rausfahren sollte." Später wurde er deutlicher: "Das neue Qualifying-Format ist ziemlicher Müll." Es müsse sofort überdacht werden.
Eine nüchterne Zusammenfassung: Bis zum Ende der vergangenen Saison durften alle verbliebenen Piloten den jeweiligen Abschnitt (Q1, Q2, Q3) bis zum Ende bestreiten, erst danach wurde in der Zeitentabelle abgerechnet. Nun scheidet nach einer Einrollphase in jedem der drei Abschnitte im 90-Sekunden-Takt der schwächste Fahrer aus. Fehler können nun noch schneller bestraft werden.
Vor allem bei der Zeitplanung gaben zahlreiche Teams in Melbourne eine schlechte Figur ab und schickten ihre Piloten zu spät auf die Strecke. Diese Timing-Probleme sind aber nicht dem Reglement anzulassen. Wenn die Rennställe nicht verstehen, dass sie nach einer schlechten Zeit ihre Fahrer direkt wieder auf die Strecke schicken müssen, liegt das Problem bei ihnen.
Im entscheidenden Q3 begann der Sudden-Death nach fünf Minuten und lief, bis nur noch der Polesitter übrig war. Allerdings stiegen sowohl Sebastian Vettel als auch Kimi Räikkönen früher als nötig aus den Ferrari-Boliden und gaben sich mit ihren Startplätzen zufrieden. 90 Sekunden vor dem Ende des Qualifyings kämpften offiziell nur noch Hamilton und Rosberg um die Pole Position - doch auch sie waren schon ihrem Auto entstiegen.
Langeweile am Ende auch ohne neues Format
Lag das am neuen Format? Nicht wirklich. Ferrari hatte sich dazu entschieden, Reifen zu sparen. Statt wie üblich pro Fahrer zwei Sätze der supersoften Slicks in Q3 zu nutzen, ließ die Scuderia bei beiden Piloten einen Satz in den Heizdecken, um ihn im Rennen einsetzen zu können.
Auch mit dem alten Format wäre die Fahrt der Italiener nach sechs Minuten beendet gewesen. Es hätten nur Rosberg und Hamilton um die Pole Position gekämpft.
Teamchefs kritisieren eigene Idee
Trotzdem ließen die Teamchefs eine Welle der Kritik folgen. Dabei hatten sie das neue Format selbst mit FIA und Formel-1-Management beschlossen - einstimmig.
"Aus meiner Sicht hat das Qualifying nicht wirklich funktioniert und wir sollten uns bei den Fans dafür entschuldigen. Wir haben keine großartige Show geliefert", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner: "Wir müssen daraus lernen. Wichtig ist, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, es richtig anzusprechen. Ich würde vorziehen, dass wir Modus zurückkehren, den wir vorher hatten."
Lauda: "Das war ein großer Fehler"
"Ich stimme Christian Horner vollkommen zu", antwortete Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda: "Wir brauchen eine kurze Diskussion vor Bahrain. Jeder macht Fehler. Das war ein großer Fehler."
Vettel, einer der Hauptkritiker der Neuerung, fühlte sich bestätigt. "Ich weiß nicht, warum alle so überrascht sind", sagte er: "Wir haben gesagt, dass es so kommt, dass das Format nicht funktioniert."
Format hat das Ziel teils erfüllt
Bis zum entscheidenden Abschnitt lief allerdings alles nach Plan. Die Wahrscheinlichkeit für Fehler sollte durch das neue Format erhöht werden. Neuling Haas verkalkulierte sich in Q1 prompt: Esteban Gutierrez und Romain Grosjean konnten ihre Zeit nicht verbessern, weil sie erst nach Ablauf der Shotclock über die Linie kamen. Zudem gab es unterhaltsame Bilder in der Boxengasse, als einige Teams im Rennstil die Reifen wechselten, um sich doch noch für Q2 zu qualifizieren. Beim alten Format hätte jeder sein Auto kurz in die Garage geschoben, in aller Ruhe umgebaut, kein Auto wäre mehr auf der Strecke gewesen. In Melbourne war dauerhafter Fahrbetrieb gesichert.
Lediglich gegen Ende der Quali-Teile verzichteten einige Teams darauf, noch einen Angriff zu wagen. Das war vorhersehbar. Die Teams haben schließlich nur eine begrenzte Anzahl an Reifen zur Verfügung. Dass durch das neue Format insgesamt mehr gefahren wird, war deshalb von Anfang an fernab jeglicher Realität.
Realistisch war lediglich, dass die Runs vorgezogen und zu unterschiedlichen Zeiten gefahren werden und ein Fahrer eventuell Probleme bekommt, weil er im falschen Moment die Verbesserungen der Konkurrenz nicht kontern kann. Das ist passiert. Kurzum: Es wurde nicht weniger gefahren, es wurde früher gefahren, ohne zwischendurch minutenlange Pausen in der Box einzulegen.
Verbesserungen für Q3 nötig
Q1 und Q2 haben also die Erwartungen erfüllt. "Ich fand es spannend, ich kann nichts anderes sagen", äußerte sich Ex-Pilot Jos Verstappen. Lediglich Q3 habe wirklich Verbesserungsbedarf.
Rosberg schlug vor, zumindest für den letzten Abschnitt zum alten Format zurückzukehren. Das wäre die perfekte Kombination aus neuem Zeitdruck und alter Spannung bis zum Schluss.
Eine andere Variante wäre, den Teams fürs Qualifying einfach mehr oder noch besser andere Reifen zu gehen, die lange halten und somit längere Fahrten ermöglichen. Aktuell ist nach einer Runde keine Verbesserung mehr möglich, weil die Pirelli-Slicks zu schnell ihren Grip verlieren. Sind die Gummis härter, könnten die Piloten länger ihr Tempo halten.
Hamilton lehnt altes System ab
"Als Racing-Fan hoffe ich, dass sie nicht einfach zu dem zurückgehen, was wir vorher hatten", sagte Lewis Hamilton: "Das war nicht spektakulär. Wir sollten etwas Neues probieren. Es gibt keinen Grund, bei den nächsten vier oder fünf Rennen an jedem Wochenende ein neues System zu probieren."
Eins muss dabei aber jedem Zuschauer bewusst sein: An der Spannung wird kein System etwas ändern. Spannend wäre das Qualifying für die meisten Fans nur, wenn mehrere Teams auf einem Leistungsniveau fahren und gegeneinander um die Pole Position kämpfen. Das kann kein Format der Welt erreichen.
Ecclestone fordert Zeitstrafen für Erfolg
Deshalb brachte Bernie Ecclestone bei Autosport seine ursprüngliche Idee wieder auf den Plan, nachdem er die Melbourne-Quali als "ziemlichen Dreck" deklariert hatte: "Ich wollte das Resultat des letzten Rennen nehmen. Wer das Rennen gewonnen hat, würde Sekunden oder Zehntelsekunden zu seiner Qualifying-Zeit addiert bekommen. Das würde den Mann auf Pole eventuell zum Sechsten oder Siebten (in der Startaufstellung, Anm. d. Red.) machen. So würden wir eine gemischte Startaufstellung bekommen und etwas gutes Racing zumindest in der ersten Hälfte des Rennens."
Kurzum: Ecclestone will Zeitstrafen für Erfolg. Dieser Plan war übrigens der Grund, warum die Strategiegruppe mit einer Hauruckaktion kurz vor der Saison an den Start kam. Das neue Format scheint allerdings alleine beim kurzen Blick in die sozialen Medien bereits jetzt gefloppt zu sein. Mal sehen, ob Ecclestone seine Idee für Bahrain nun durchdrückt.