Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 7: Der Kanada-GP in Montreal.
Platz 1, Felipe Massa: Der Erstplatzierte steht für mich in Kanada eindeutig fest: Nach zwei Rennen ohne Punkte, räumt Massa dieses Mal fast die volle Punktzahl ab. Mich hat besonders seine Startphase nach dem unverschuldet schlechten Qualifying beeindruckt.
Der Brasilianer arbeitete sich von Startplatz 15 auf den härteren Reifen direkt nach vorn. An den Renault-Autos flog er dank der Mercedes-Powerunit mühelos vorbei, doch gerade das fast unspektakuläre Ausbeschleunigen von Sergio Perez und Pastor Maldonado war sehenswert. Der Höhepunkt: Das Rad-an-Rad-Duell mit Marcus Ericsson durch die Kurvenpassage nach dem Start.
Statt mit der Brechstange vorzugehen, spielte Massa seine Erfahrung aus. Routiniert, abgeklärt, ohne Risiko machte er Platz für Platz gut und kam als Sechster ins Ziel. Dabei schaffte er es, den superweichen Slick im zweiten Stint 33 Runden lang am Leben zu halten.
Platz 2, Lewis Hamilton: Der Weltmeister mauert weiter an seinem Legendenstatus. In Runde 16 des Kanada-GP 2015 überholte er Nigel Mansell. Von 143 Fahrern aus dem Vereinigten Königreich, die in der Geschichte der Formel 1 bei einem Rennen antraten, hat er jetzt die meisten Runden geführt. 2143 Umläufe um genau zu sein. Mansell kam als bisheriger Spitzenreiter auf 2089. Anders als der kämpfende Löwe bewies Hamilton in Montreal abermals seine Weitsicht - oder die seiner Ingenieure.
Der Polesitter geriet nie in echte Gefahr, seine Führung zu verlieren. Selbst als Rosberg nach den Stopps aufholte, war das vom Hamilton-Lager geplant. Der Engländer sparte Benzin, in dem er weit vor dem Bremspunkt den Fuß vom Gas nahm und die restlichen 50 bis 100 Meter segelte. Eigentlich hätte er den extremen Einsatz der "Lift and Coast"-Technik gar nicht nötig gehabt.
Mercedes hatte das Auto gar nicht mit der maximal erlaubten Spritmenge betankt. Rosberg kam aber nie in Schlagdistanz. Er musste aus dem Windschatten raus, um seine Bremsen zu kühlen. Das Problem hatte Hamilton bei freier Fahrt nicht, er spulte mit minimalen Wacklern auf der Bremse sein Programm herunter. Schon seine 44. Pole Position war stark, schließlich hatte er zuvor durch Regen und technische Probleme kaum schnelle Runden gedreht.
Platz 3, Valtteri Bottas: Wer den Finnen am Sonntag aus den Augen verloren hatte, machte nichts falsch. Er fuhr in seinem Williams mit Respektabstand hinter Kimi Räikkönen her, bis der sich direkt nach seinem Boxenstopp drehte und dem Landsmann Platz 3 überließ. Ist Bottas daraus ein Vorwurf zu machen?
Nein. Er nutzte die Geschwindigkeit seines Autos, kam im Qualifying bis auf eine Zehntel an den schnelleren Ferrari ran und sprang dann nach seinem fehlerfreien Rennen erstmals in der Saison 2015 aufs Podium. Ruhig, abgeklärt, kontrolliert. Und ziemlich schnell.
Platz 4, Nico Hülkenberg: Was für Massa und Bottas gilt, zählt auch beim deutschen Force-India-Fahrer. Hülkenberg fuhr in Montreal überlegt und wurde dafür endlich wieder belohnt. Der achte Platz war sein erstes Resultat in den Punkten seit dem Saisonauftakt. Mehr ging nicht. Er wusste schon nach dem Qualifying, dass Massa und Sebastian Vettel ihn einholen würden. Also beschränkte er sich auf das, was möglich war.
Hülkenberg nahm Pastor Maldonado in der Startphase mit einem beherzten Angriff auf der Außenbahn Platz 6 ab. Letztlich war es ein Manöver ohne Auswirkung. Zwar hielt er den schnelleren Lotus-Piloten bis zum Stopp hinter sich. Weil Maldonado dann freie Fahrt hatte, konnte der Deutsche aber nichts mehr ausrichten.
Drei Plätze vor dem eigenen Teamkollegen im Ziel, in Q3 eine halbe Sekunde auf Sergio Perez herausgefahren. Das kann sich sehen lassen. Lediglich als Sebastian Vettel zum Überholmanöver ansetzte, machte er einen kleinen Fehler. Den Dreher hätte er vermeiden sollen. Trotzdem: Mit diesem Resultat kann er am kommenden Wochenende gut gelaunt in Le Mans für Porsche starten.
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Platz 5, Nico Rosberg: Eines muss ich dem Vizeweltmeister lassen: Er flüchtet sich nicht in Ausreden. Klar und deutlich räumte er seine Niederlage gegen Lewis Hamilton nach dem Rennen ein und gab als Grund das Qualifying an.
Damit lag er goldrichtig. Im baugleichen Auto ist Überholen nun mal schwer. Wer im entscheidenden Teil der Qualifikation drei Zehntel auf seinen Teamkollegen verliert, muss sich die Niederlage selbst ankreiden. Selbst wenn er im Rennen auf Augenhöhe fährt.
Platz 6, Daniil Kvyat: Der Red-Bull-Pilot konservierte seine gute Form vom Monaco-Wochenende und brachte sie mit über den großen Teich. Er qualifizierte sich vor seinem durchweg enttäuschenden Teamkollegen Daniel Ricciardo und fiel im Rennen nur einen Platz zurück. Beim Australier waren es gleich vier.
Da die Renault-befeuerten Bullen-Teams auf den langen Geraden immer noch von jedem Konkurrenten außer McLaren-Honda nach Belieben zersägt werden, hatte Kvyat kaum Chancen, sich nach vorne zu orientieren. Immerhin hielt er Romain Grosjean und Sergio Perez hinter sich.
Platz 7, Sebastian Vettel: Von 18 auf 4, allein dafür hätte der WM-Drittplatzierte eine sehr gute Platzierung verdient. Das Ausscheiden in Q1 ist ihm nicht anzukreiden, weil der Ferrari-Antrieb streikte. Ohne zurückgewonnene Energie fehlte zu viel Leistung.
Trotzdem bekommt Vettel von mir deutliche Abzüge. Durch sein illegales Überholmanöver unter Roten Flaggen handelte er sich eine Strafversetzung um fünf Plätze ein. Wäre das Qualifying normal verlaufen, hätte er dadurch die Chancen für eine Attacke auf die Silberpfeile schon vor dem Start verspielt gehabt.
Platz 8, Fernando Alonso: Ob der zweifache Weltmeister Roberto Blanco kennt? Ein bisschen Spaß gönnte er sich jedenfalls und lehnte es ab, mitten in den Zweikämpfen der ersten Rennhälfte Benzin zu sparen. Damit sorgte er in einem vergleichsweise langweiligen Kanada-GP ohne Safety-Car-Phasen für Aufsehen. Eineinhalb Runden Verteidigungskampf gegen Vettel, viel mehr war allerdings nicht drin.
Der vierte Ausfall beim sechsten Start seit der Rückkehr zu McLaren mag Honda aussehen lassen wie Amateure. Für Alonso gilt das allerdings nicht. Er qualifizierte sich für Q2 und drängte sich zwischen die beiden Ferrari-befeuerten Sauber. Dass ein Problem mit dem Auspuff sein Rennen beendete, ändert nichts an der guten fahrerischen Leistung.
Platz 9, Pastor Maldonado: Es geht doch! Der Venezolaner brachte seinen Lotus nach fünf Ausfällen in den ersten sechs Rennen endlich in die Punkte. Es war erst das dritte Mal in den letzten 46 Grands Prix, das beste Resultat seit dem Abu-Dhabi-GP 2012. Wie er das schaffte?
Maldonado hielt sich von Startplatz 6 aus jedem Disput heraus und wechselte früh auf die soften Slicks, um wieder an Hülkenberg vorbeizukommen. Anschließend machte er den Marathon-Maldonado: 53 Runden lang hielt er auf dem zweiten Reifensatz durch. Beachtenswert.
Platz 10, Kimi Räikkönen: Butter bei die Fische: Für mich ist der Iceman selbst schuld, dass er das Podium verpasst hat. Der Dreher in der Haarnadel war völlig überflüssig und vermeidbar. Räikkönen hätte wissen müssen, wie sein Motor beim Herausbeschleunigen reagiert.
Zwölf Sekunden verlor er und schenkte Bottas Platz 3, weil er die Leistung des Motors unterschätzte. Zur Erklärung: Das Motoren-Mapping wird nach dem Boxenstopp genauso aggressiv eingestellt wie beim Start. Das Reglement schreibt vor, dass diese Einstellung 60 Sekunden lang nicht verändert werden darf. Weil Räikkönen dann auch noch seine Reifen durchs Vollgas beim Wendemanöver zerstörte, bekommt der im Qualifying überzeugende Finne von mir einen deutlichen Abzug.
Immerhin gab es einen kleinen Grund zur Freude: Räikkönen fuhr in Montreal die 42. schnellste Rennrunde seiner Karriere und ist nun Zweiter der ewigen Bestenliste. Bis zum Rekordhalter Michael Schumacher fehlen allerdings noch ein paar: Schumi kam im Laufe seiner Karriere auf 77.
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Der Formel-1-Kalender 2015 im Überblick