Sebastian Vettel: Flügel runter für die Aufholjagd

Alexander Maack
03. November 201223:56
Sebastian Vettel wird nach der Strafe durch die Rennkommission in Abu Dhabi aus der Box startenGetty
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Der Schock kam spät: Kurz vor 23 Uhr Ortszeit gab die FIA die Strafversetzung von Sebastian Vettel bekannt. Der Doppelweltmeister müsste sich ans Ende der Startaufstellung stellen. Doch Red Bull reagierte prompt und will den Heppenheimer aus der Box ins Rennen schicken. Dadurch darf das Auto noch einmal umgebaut werden. Mehr Topspeed soll eine Aufholjagd ermöglichen.

Der Samstag hätte für Sebastian Vettel nicht schlimmer enden können. Statt von Position drei ins Rennen zu gehen, muss der Heppenheimer eine fulminante Aufholjagd hinlegen, um den Vorsprung in der Fahrer-WM auf Fernando Alonso zu verteidigen. 13 Punkte trennen die Kontrahenten aktuell. Weil 250 Milliliter zu wenig Benzin im Tank seines RB8 waren, dürften es nach dem Großen Preis von Abu Dhabi wesentlich weniger sein.

Trotzdem steckte Red Bull nicht auf. "Wir werden das Auto aus dem Parc Fermé zurückziehen, um die Ursache weiter untersuchen zu können. Sebastian wird das morgige Rennen also aus der Boxengasse in Angriff nehmen", erklärte Teamchef Chrsitian Horner direkt nach der FIA-Erklärung.

Dadurch hat Vettel zwei Vorteile. Zum einen kann Red Bull neben einem neuen Getriebe auch einen neuen Renault-Motor einbauen. Viel wichtiger ist aber, dass das Set-up des Wagens komplett umgebaut werden darf.

Red Bull baut "Abbey" um

Vettel kann dadurch mit wesentlich flacheren Flügeln ins Rennen starten und die Getriebeübersetzung anpassen, was wiederum Überholmanöver erleichert. Mit 311,4 Stundenkilometern hatte Vettel im Qualifying die schlechteste Höchstgeschwindigkeit aller Fahrer.

Der WM-Führende übt sich in der offiziellen Pressemitteilung seines Teams in Zweckoptimismus: "Einer der besten Skispringer aller Zeiten hat einmal gesagt: 'Jeder Rückschlag ist eine Chance.' Und was uns betrifft, gibt es morgen jede Menge Chancen." Allen voran geht es für Vettel im Wüstenemirat um Schadensbegrenzung.

Horner sieht das ähnlich. Auf die Auswirkungen auf den Titelkampf angesprochen, erklärte der Teamchef, dass dies schwierig einzuschätzen sei: "Wir haben ein langes Rennen vor uns und es gibt eine Chance. Wir werden ins Rennen gehen und angreifen. Ich bin sicher, dass Sebastian allen zeigen wird, warum er ein großer Rennfahrer ist."

Alonsos Wunsch geht in Erfüllung

Durch die ärgerliche Strafe hat sich unterdessen Alonsos Wunsch aus Indien erfüllt. In Neu Delhi wollte er die Red Bull unter Druck setzen, "damit wir auf einen kleinen Fehler warten können. Ein Problem in der Box, mit der Verlässlichlichkeit oder irgendwas anderes."

Der Spanier hatte bis zur Verkündung der Strafe in der Box ausgeharrt und stellte sich danach gutgelaunt den Medienvertretern. "Diese Chance muss ich nun aber auch nutzen", sagte der Spanier. Seine Chancen stehen mehr als gut.

Auf Rang drei startet Pastor Maldonado im Williams, der auf die Renndistanz immer für einen Fehler gut ist. Außerdem trennen ihn Kimi Räikkönen und Jenson Button im zweiten McLaren von einem Platz auf dem Podium.

Der WM-Zweite hofft, durch die neuen Teile am F2012 im Rennen noch schneller zu sein. "Die Updates waren in Ordnung und sie haben gut funktioniert. Danke ans Team, denn sie arbeiten mit Vollgas", so Alonso, dessen Mechaniker am Donnerstag und Freitag auch in der Nacht am Auto arbeiteten. Nur viermal pro Saison dürfen die Teams während der Sperrstunde in der Box weiterarbeiten.

Die Ferrari-Zeiten bei den Volltanktests deuteten an, dass die Verbesserungen auch im Rennen anschlagen. Alonso konnte die Zeiten der McLaren und der Red Bull unterbieten. Allerdings vermuteten viele Experten, dass die Scuderia mit weniger Benzin im Tank fuhr.

Hamilton ist Favorit auf den Sieg

Von den Turbulenzen um Vettel unbeeindruckt war Lewis Hamilton. Der McLaren-Pilot legte ein bärenstarkes Qualifying hin und hatte in allen drei Teilen mehr als zwei Zehntel Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Trotz der Überlegenheit will Hamilton einen Sieg noch lange nicht fest einplanen. Er fürchtet, die Führung zu Beginn des Rennens direkt wieder abgeben zu müssen.

"Das Rennen morgen wird hart. Am Start liegt es am Team, sicherzustellen, dass die Kupplung eine perfekte Leistung hergibt. Es wird unglaublich wichtig sein, gut vom Fleck zu kommen", sagte der Brite. Dabei gilt Webber, der schräg hinter ihm als Zweiter ins Rennen geht, als der schlechtere Starter.

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So dämpfte Webber die Lobhymne des Briten erstmal ein wenig ab und hob stattdessen die Leistung des Polesetters hervor. "Die Starts von Lewis waren zuletzt phänomenal. Wir müssen abwarten, ob das morgen wieder so ist", so Webber: "Aber ich orientiere mich nach vorne."

Die ausgeglichene Renn-Pace gibt Webber allen Grund dafür. Bei den Volltanktests am Freitag lagen die Spitzenteams fast ausnahmslos in einem ähnlichen Zeitfenster. Lediglich Ferrari erweckte den Eindruck mit wensentlich weniger Gewicht zu fahren. Hamilton macht sich jedenfalls auf einen harten Kampf gefasst: "Es wird schwierig sein, vor ihnen zu bleiben, besonders aufgrund der doppelten DRS-Zone."

Ein-Stopp-Strategie wahrscheinlich

Dabei zeichnete sich Abu Dhabi in den letzten Jahren durch eine geringe Anzahl an Überholmanövern aus. Verschiedene Strategien wird es aller Voraussicht nach dagegen kaum geben. Pirelli nominierte konservativ und entschied sich für die Reifenmischungen soft und medium, weil der Reifenhersteller im WM-Kampf zwischen Vettel und Alonso nicht das entscheidende Zünglein an der Waage sein will.

Pirelli erwartet eine Ein-Stopp-Strategie, da der Reifenverschleiß durch glatten Asphalt und geringe Temperaturen niedrig ist. "Die ersten Stopps dürften dementsprechend rund um die Hälfte des Rennens kommen. Der Unterschied zwischen den Teams ist jener, wie sie die unterschiedlichen Reifenmischungen zum Arbeiten bekommen", sagt Motorsportdirektor Paul Hembery.

McLaren auf Medium-Slicks überlegen

Während McLaren auf der härteren Mischung viel schneller schien als die Konkurrenz, verkleinerte sich der Abstand bei soften Slicks. Ein Grund ist die Startzeit des Grand Prix, der um 17 Uhr Ortszeit erfolgt. Wenig später geht die Sonne unter und die Strecke kühlt merklich ab. Einige Teams hatten in der Dunkelheit Probleme, die Medium-Slicks an der Vorderachse auf Arbeitstemperatur zu bringen und kämpften daher mit Untersteuern.

Das wiederum könnte sich als Vorteil für Mercedes erweisen. Die Silberpfeile haben immer wieder mit überhitzenden Reifen Probleme. Regelmäßig ermahnt Nico Rosbergs Renningenieur Tony Ross seinen Schützling, doch bitte weniger aggressiv zu fahren, um die Temperatur der Pneus zu senken.

Zu viel versprechen will Rosberg dennoch nicht. "Es wird für uns keine einfache Aufgabe sein, im Feld nach vorn zu kommen, ich freue mich jedoch auf das Rennen. Schauen wir mal, was wir erreichen können."

Das Ergebnis des Abu-Dhabi-Qualifyings in der Übersicht