Die neuen Autos aller etablierten Formel-1-Teams für die Saison 2010 sind da. Zuletzt haben in Jerez Red Bull und Force India ihre Boliden vorgestellt. Obwohl sich die Aerodynamik-Regeln kaum geändert haben, weisen einige Autos deutlich sichtbare Modifikationen auf. Wer ist bei der Entwicklung die radikalsten Wege gegangen? SPOX vergleicht die Autos 2010 mit ihren Vorgängern von 2009.
Die Nase von Red Bull, die Seitenkästen zu Briefschlitzen geschrumpft, eine riesige Finne über der Motorabdeckung: Die etablierten Teams haben sich bei der Konstruktion ihrer neuen Autos einige Änderungen einfallen lassen.
Aber welche sind das und wofür sollen sie gut sein? SPOX hat die aktuell vorgestellten Autos von Ferrari, Mercedes, Red Bull, McLaren, Sauber, Renault, Williams, Toro Rosso und Force India unter die Lupe genommen, mit ihren Vorgängern verglichen und klärt auf.
Ferrari: Immer der Nase nach
Der neue F10 hat sich beim Red Bull von 2009 bedient. Die Nase ist höher und gebogen. Die markanten Höcker sind deutlich erkennbar. Sinn der hohen Nase ist die bessere Anströmung des Unterbodens samt Doppel-Diffusor. In den hat Ferrari die meiste Arbeit gesteckt. Vielleicht auch deshalb wirkt die Aerodynamik des F10 etwas bieder. Im Bereich der Seitenkästen und des Hecks sind andere Teams radikalere Wege gegangen.
Weitere Auffälligkeiten: Im Vergleich zum F60 von 2009 wurde der Radstand wegen des größeren Tanks verlängert und die Kühlöffnung an der Airbox über dem Cockpit noch einmal verkleinert. Sie ist flacher, daher die kantige Finne ganz oben, um die geforderte Mindesthöhe des Autos zu erreichen. Front- und Heckflügel des Boliden werden bis zum Saisonstart in Bahrain am 14. März mit Sicherheit noch modifiziert.
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Mercedes: Das Modell Banane
Als Modell Banane kann man die Frontpartie des Mercedes bezeichnen. Auch hier sind die Anleihen vom Red Bull unverkennbar. Allerdings ist der Knick in der Nase noch deutlich markanter als beim Ferrari. Seitenkästen und Heck sehen dem Brawn von 2009 sehr ähnlich. Der Heckflügel hat etwa auch beim Mercedes keine Mittelstrebe zur Befestigung.
Markante Neuerung ist die Kühlöffnung an der Airbox. Sie ist sehr flach und dreieckig. Folglich braucht Mercedes eine noch höhere Finne als Ferrari, um die Mindesthöhe des Autos zu erreichen. Obwohl der große Tank eigentlich mehr Platz beanspruchen sollte, ist der Mercedes im Vergleich zur Konkurrenz das kürzeste Auto. Die Motorabdeckung öffnet sich sehr weit vorne und gibt den Blick auf die Hinterradaufhängung frei. Aerodynamische Nachteile befürchtet man dadurch offenbar nicht.
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Red Bull: Sparsam zum Titel?
Vom neuen Red Bull gibt es im Vergleich zum Vorjahresauto kaum Änderungen zu berichten. Zwar ist der RB6 etwas länger, aber das sind alle anderen Autos auch. Und die Nase ist ebenfalls noch einen Tick mehr gewölbt als 2009.
Die wichtigste Änderung ist nicht sichtbar. Der Doppel-Diffusor, den Red Bull 2009 nachrüsten musste, ist diesmal von Anfang an in das Fahrzeugkonzept integriert. Um trotzdem das Red-Bull-typische schmale und flache Heck beibehalten zu können, setzt Star-Designer Adrian Newey an der Hinterradaufhängung wieder auf Zugstreben als Verbindung zum Chassis, während die Konkurrenz Druckstreben verwendet. Einen Vorteil erhofft sich Red Bull vom Renault-Motor. Er ist einer der sparsamsten im Feld und könnte so dafür sorgen, dass man weniger Benzin mitnehmen muss.
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McLaren: Zu groß für den Lastenaufzug
Das wahrscheinlich am stärksten veränderte Auto. Als erstes fällt die unglaubliche Länge auf. Um den Tank zu verstauen, ist man in Woking in die Länge gegangen anstatt in die Breite. Der MP4-25 ist so lang, dass er nicht mehr in den Lastenaufzug des Werks passte.
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Auch der McLaren trägt die Nase höher als der Vorgänger, verzichtet aber auf die Red-Bull-Höcker. Dafür gibt es 2010 die bis zum Heckflügel durchgehende Finne an der Motorabdeckung. Viel spannender sind aber die Kühleinlässe an den Seitenkästen. Die sind so schmal wie Briefschlitze und lassen nur sehr wenig Luft an den Motor. McLaren muss großes Vertrauen in die Haltbarkeit der Mercedes-Motoren haben. Denn bei Hitzerennen könnte das problematisch werden. Nach hinten sind die Seitenkästen im Vergleich zur Konkurrenz sehr stark tailliert. Die Länge des Autos macht's möglich.
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Sauber: Nasen-OP für mehr Luft
Der Sauber ist wie der McLaren ein ganzes Stück länger geworden. Das hat es auch den Hinwilern ermöglicht, die Seitenkästen stark zu taillieren. Die lange Heckfinne gab es auch schon beim BMW-Sauber des Vorjahres.
Einen ganz eigenen Weg geht Sauber aber bei der Nase. Keine Spur von Höckern, dafür ist die Nasenspitze im Vergleich zum Vorgänger um 60 Millimeter angehoben worden. Alles zum Wohle der Anströmung des Unterbodens. Die ersten Tests haben angedeutet, dass das aerodynamische Konzept funktionieren sollte.
Renault: Die breite Hüfte
Der Renault fällt im Vergleich zu den anderen neuen Autos optisch aus der Reihe. Was daran liegt, dass er seinem Vorgänger ziemlich ähnelt. Die Nase ist bei weitem nicht so hoch wie bei der Konkurrenz, dazu ist sie breit, platt und verzichtet auf den Red-Bull-Höcker.
Ebenfalls sehr ausladend sind die Seitenkästen, die Hüfte, wenn man so will. Renault wollte das Auto so wenig wie möglich verlängern, daher hat man in die Breite gebaut.
Einzige interessante Veränderung gegenüber dem Vorgänger ist der geschwungene Heckflügel, der nur von einer Mittelstrebe gehalten wird. Sollte der so bleiben, würde er sich stark von den Lösungen der Konkurrenz abheben.
Williams: Red Bull steht Pate
Der Williams hat im Vergleich zum Vorgänger sowohl eine deutlich längere und höhere Nase als auch ein wesentlich schlankeres Heck.
Dafür hat der Red Bull Pate gestanden, wie Technikchef Sam Michael zugibt. Erreicht wurde das schlanke Heck durch stark abfallende Seitenkästen. Wie beim Mercedes gibt auch beim Williams die Motorabdeckung den Blick auf die Hinterradaufhängung frei.
Im Gegensatz zu allen anderen Teams verzichtet Williams an der Airbox auf jeglichen Schnickschnack. Es gibt weder eine große Finne bis zum Heckflügel noch die kleinere kantige Variante von Mercedes oder Ferrari. Eine ganz normale Airbox eben.
Toro Rosso: Eigenregie ohne Überraschungen
Zum neuen Toro Rosso gibt es nicht viel zu sagen. Obwohl er offiziell erstmals in Eigenregie konstruiert wurde, sieht er dem Red Bull frappierend ähnlich. Auch Toro Rosso hat die Höhe der Höcker auf der Nase noch einmal vergrößert. Das Heck ist flach und schmal, die Finne reicht bis zum Heckflügel. Keine Überraschungen also.
Warum auch? Schließlich lief der Red Bull 2009 ausgezeichnet. Dass der Toro Rosso 2010 davon profitieren kann, zeigten die ersten Testzeiten bereits.
Force India: Platz für den Tank
Das Team von Adrian Sutil hat sich darauf konzentriert, das Auto aerodynamisch so zu modifizieren, dass es im Gegensatz zu 2009 nicht mehr nur auf Highspeed-Kursen schnell ist, sondern überall. Der Radstand wurde wegen des Tanks von 3,2 auf 3,5 Meter verlängert.
Wie bei Red Bull war es auch bei Force India eine wesentliche Aufgabe, über den Winter den 2009 nachgerüsteten Doppel-Diffusor perfekt ins Auto einzupassen. Die ersten Testergebnisse waren vielversprechend.