Seit einiger Zeit ist Andreas Bergmann aus dem Blickfeld der größeren Öffentlichkeit verschwunden. Nach Stationen im Profi-Fußball beim FC. St. Pauli, Hannover 96, dem VfL Bochum und Hansa Rostock trainiert der 64-Jährige seit 2020 den Oberligisten Altona 93.
Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Bergmann über die Andersartigkeit des Hamburger Kult-Klubs, bei dem beispielsweise die Fans der Mannschaft eine Reise zu einem Testspiel nach London bezahlen.
Der Coach blickt zudem auf seine einstige Entscheidung für St. Paulis Erzrivalen Hansa Rostock zurück, bemängelt eine folgenschwere Übersättigung im kommerziellen Fußball und erinnert sich an Robert Enke zurück, dessen Tod er als Trainer in Hannover hautnah miterleben musste.
Herr Bergmann, Sie arbeiteten zwischen 2001 und 2006 beim FC St. Pauli. Dort waren Sie Nachwuchskoordinator, Trainer der U19, der zweiten Mannschaft und schließlich über zweieinhalb Jahre der Profis. Stimmt es denn, dass Sie es waren, der einst als Pauli-Nachwuchschef Eric Maxim Choupo-Moting beim Hamburger Traditionsklub Altona 93 entdeckt und ihn ans Millerntor geholt hat?
Andreas Bergmann: Ja. Ich fand ihn damals als Spieler mit seinen Anlagen sehr spannend. Man konnte sehen, dass er ein außergewöhnlicher Junge ist. Daher habe ich den Kontakt gesucht. Seine Familie saß später bei mir, da haben wir den Wechsel beschlossen. Ich habe mit seinem Vater heute noch Kontakt. Und Eric Maxim hat im Oktober 2022 ja auch unser Sondertrikot vor dem Derby gegen den SC Victoria designt.
Choupo-Moting spielte jedoch nur die Saison 2003/2004 bei St. Pauli. Anschließend zog es ihn ins Nachwuchsleistungszentrum des Hamburger SV. Warum so schnell?
Bergmann: Ich wurde 2004 Cheftrainer der Profis. Dadurch hatte ich nicht mehr die Zeit und den Fokus für den Nachwuchs. Wie mir sein Vater erklärte, fand er das schade. Daraufhin hat auch er sich umorientiert.
Hätten Sie gedacht, dass er eine solche Karriere hinlegen würde?
Bergmann: Das ist so früh immer schwer vorherzusagen, welchen Weg die Jungs am Ende wirklich gehen werden. Ich habe viele sehr talentierte Spieler wie Alexander Meier, Marcel Halstenberg oder Leon Goretzka in ihrer Entwicklung begleitet, aber nicht alle schaffen den Weg zum Profi. Man muss vor allem auch mental und charakterlich gefestigt sein, um all die Erwartungen und Einflüsse gesund zu verarbeiten.
Seit Sommer 2020 trainieren Sie Altona nun selbst in der Oberliga Hamburg. Zudem sind Sie dort Sportlicher Leiter der Fußballjugend, der Frauen und der Mädchen. Das klingt nach einem arbeitsreichen Job.
Bergmann: Das stimmt, ich bin ja auch nicht umsonst Diplomsport- und Fußballlehrer geworden. (lacht) Ich möchte etwas bewirken, aufbauen und entwickeln. Für mich ist die Aufgabe entscheidend und nicht die öffentliche Wahrnehmung. Natürlich haben unsere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Grenzen. Doch die Werte und Ziele, die Altona vertritt, passen wunderbar zu mir. Ich mag es, wie dort Fußball gelebt wird. Hier zählt nicht nur das Ergebnis, sondern auch das Wie. Viele sind mit vollem Herzblut dabei. Wir mussten in der Regionalliga-Saison viele Niederlagen ertragen, aber die Unterstützung unserer Fans war immer da, wenn die Leidenschaft und Einsatzbereitschaft stimmte. Ich fühle mich wirklich sehr wohl.