Viele Fans und Experten fordern Niclas Füllkrug, aber Bundestrainer Julian Nagelsmanns vertraut im Sturmzentrum Kai Havertz - und zwar aus guten Gründen. Der 25-Jährige ist ganz unabhängig von Toren wichtig für das deutsche Spiel.
14 Tore schoss Frankreich auf dem Weg zum WM-Titel 2018. Kein einziges davon erzielte Mittelstürmer Olivier Giroud. Spätestens da war klar, dass es im sogenannten modernen Fußball keine treffsichere Neun mehr braucht, um große, ja sogar größtmögliche Erfolge wie einen WM-Titel zu erringen. Es braucht Systeme, die zu Toren führen. Und selbstverständlich auch Spieler, die sie schießen - aber darum muss sich nicht mehr zwangsläufig der Mittelstürmer kümmern.
Vielen Fans erscheint diese Tatsache unverständlich, ja fast schon ungeheuerlich. Ganz besonders Deutschen! Wer will es ihnen verdenken, sie wurden schließlich in einem echten Neuner-Land fußballerisch sozialisiert. Gerd Müller, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Miroslav Klose: Vom Bomber der Nation bis Il Bomber hatte Deutschland stets treffsichere Mittelstürmer, die mit ihren Toren für allerhand Titel sorgten.
Mit Niclas Füllkrug verfügt das DFB-Team zwar auch bei dieser Heim-EM über einen torgefährlichen Mittelstürmer klassischer Prägung. In 20 Länderspielen - oft mit nur kurzen Einsatzzeiten - gelangen ihm 13 Tore. Eine starke Quote. Doch entgegen aller Forderungen von Fans und gerne auch Experten, die einst mit echten Mittelstürmern spielten und siegten, ist Füllkrug nur Reservist. Stattdessen spielt unter Bundestrainer Julian Nagelsmann immer Kai Havertz, gelernter Mittelfeldspieler mit schlechterer Torquote.
Gewissermaßen ist Havertz bei dieser EM der deutsche Giroud. Deutschland spielt zwar anders als Frankreich 2018 und Havertz ist auch ein anderer Spielertyp als Giroud, ein spielfreudiger Schlaks und kein wuchtiger Brecher wie der Franzose. Die beiden eint aber, dass sie als Mittelstürmer auch ohne Tore aus dem Spiel heraus und ungeachtet chronischer Unterschätzung wichtige Rollen in erfolgreichen Mannschaften spielen können.