Diese EM in Deutschland vereint vieles, wofür Fußball und Europa stehen sollten. Eine Liebeserklärung nach der ersten Turnier-Woche.
Kieran hatte sein Handy verloren. Er ist einer von zehntausenden friedlichen schottischen Fan-Soldaten, die sich seit über einer Woche durch Deutschland trinken, tanzen und singen. Aber jetzt hat er sein Handy wieder, der Kieran. Eine Gruppe deutscher Fans fand es, machte schnell noch ein Selfie und gab es dann bei der Polizei ab. Auf ihrem Twitter-Account postete die Tartan Army diese Geschichte samt Foto und resümierte: "What a country!"
Darunter kommentieren unzählige Schotten, wie geil sie Deutschland finden. Und ähnlich viele Deutschen, wie geil sie die Schotten finden. "Können wir einen direkten Tunnel bauen? Oder eine riesige Brücke?" "Deutsche sind Schotten ohne Schottenröcke!" "Wir brauchen euch zurück in der EU." "Ich habe fast geheult, das ist so herzerwärmend." Oh ja, man fühlt es sehr.
Diese Geschichte symbolisiert die Vibes dieser EM ganz wunderbar. Zumindest für den Moment ist sie eine europäische Erfolgsgeschichte in einer Zeit, in der Europa seine größte Identitätskrise seit dem Zweiten Weltkrieg durchlebt. Der länderübergreifende Erfolg der Rechtspopulisten bei der Europawahl kurz vor dem Turnierstart unterstrich die Bestrebung vieler Menschen, den europäischen Gedanken zu Gunsten eines stärkeren Fokus auf die eigene Nation aufzugeben.
Womöglich ist es ein bisschen eine Verklärung, vielleicht ist es zu hochtrabend - aber diese EM zeigt bisher, dass auch beides geht: Die eigene nationale Identität zu betonen mit Schottenröcken, Lederhosen, albanischen Qeleshen oder niederländischen Klompen und dennoch friedlich und ohne Hass aufeinander gemeinsam eine überragende Zeit zu haben. Und sich notfalls ein verlorenes Handy zurückzugeben.