Adriano: "Auf der Straße bin ich glücklich"

Florian Bogner
15. Dezember 200911:12
Adriano gewann 2009 mit Flamengo die brasilianische MeisterschaftImago
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Im April dieses Jahres verließ er Italien zum zweiten Mal. Es ging nicht mehr. Die Lebensfreude war weg. Adriano und Inter lösten den Vertrag auf. Der 27-Jährige nahm eine Auszeit vom Fußball. Doch inzwischen ist er zurück. Bei Flamengo Rio de Janeiro, wo er als Siebenjähriger mit dem Fußballspielen anfing, feierte er ein starkes Comeback - und ist wieder ein glücklicher Mensch. Bei SPOX verrät Adriano, warum er in Europa scheiterte und was er zum Glück braucht.

SPOX: Adriano, seit Ihrem Abschied aus Europa hörte man nicht mehr allzu viel von Ihnen. Jetzt sind Sie Meister geworden und haben in 30 Spielen 19 Tore geschossen. Was ist passiert?

Adriano: Ich hatte einfach die Freude am Fußball verloren. Ich glaube, jeder hat das Recht, glücklich in seinem Job zu sein - und ich war nicht glücklich. Also habe ich mir Gedanken über meine Karriere gemacht. In Brasilien fühle ich mich wohl mit meiner Familie und meinen Freunden um mich herum. So kam es zu der Entscheidung, zu Flamengo zurückzukehren. Dort habe ich wieder zu meiner alten Stärke gefunden.

SPOX: In Mailand lief es nicht für Sie. Erzählen Sie uns ein bisschen über die letzte Zeit dort...

Adriano: Ach, da standen so viele Sachen in den Zeitungen. Alles, was ich getan habe, war wohl überlegt. Ich sprach mit meiner Familie, meinen Freunden und meinem Berater. Ich machte mir viele Gedanken um meine Gefühlswelt. Ich habe nichts gegen Inter, ich bin nur in Italien nicht zurechtgekommen. Ich stand unter großem Druck. Seit ich 18 Jahre alt bin, bin ich großem Druck ausgesetzt. Viele Menschen verstehen das nicht. Das ist eine böse Situation, da ist eine Leere, das ist nicht so einfach.

SPOX: Wie haben Sie zum Fußball zurückgefunden? Welche Menschen waren wichtig für Sie?

Adriano: Das Trikot von Flamengo zu tragen, hat mir den Spaß zurückgebracht. Die Lebensfreude ist wieder da. Ich habe nie an Rücktritt gedacht. Ich brauchte nur eine Auszeit und wollte meine Familie und meine Freunde wieder in meiner Nähe haben.

SPOX: Ist der Medienrummel in Brasilien geringer und fühlen Sie sich deshalb befreiter?

Adriano: Leider ist es oft so, dass man sich nicht mehr frei bewegen kann, wenn man prominent ist. Das nehme ich so hin. Aber ich werde nicht damit aufhören zu tun, was ich will. Ich gehe in die Armenviertel, weil ich ein Mensch wie jeder andere bin. Trotz aller Unterschiede ist der Druck in Brasilien auch sehr hoch. Wenn ich mit meiner Mutter einkaufen gehe, steht das nicht in der Zeitung. Da kommt nur rein, wenn es etwas Brisantes gibt, was man zum Skandal ausschlachten kann. Aber das kümmert mich nicht, ich werde weiter so leben, wie ich es für richtig halte.

SPOX: Warum konnten Sie in Europa nicht glücklich werden? Lag es an Italien, an Mailand oder wäre es anderswo auch schief gegangen?

Adriano: Ich fühle mich einfach wohler in meiner vertrauten Umgebung. Ich komme von der Straße und hier bin ich glücklich. Barfuß und in Shorts. Ich habe keinen Kontakt mit Drogendealern oder so, aber ich weiß, dass es Leute gibt, die einen anderen Lebensweg eingeschlagen haben und dennoch gute Menschen sind. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich noch nie einen Verbrecher gesehen habe. Das Entscheidende ist aber, dass da Leute sind, auf die man sich verlassen kann. In Europa war ich einsam. Ich fühlte mich unglücklich und verlor den Spaß am Fußball.

SPOX: Welche Rolle spielten Inter-Präsident Massimo Moratti und Trainer Jose Mourinho? Sie haben sich immer sehr um Sie gekümmert. Hatten Sie ein schlechtes Gewissen, als Sie Mailand verließen?

Adriano: Ich habe mit Moratti gesprochen. Er sagte, er würde sich freuen, wenn ich wieder glücklich wäre. Ich bin gegangen, weil ich mich in dem Land nicht wohl gefühlt habe. Das hatte nichts mit dem Klub zu tun. Ich habe eine Entscheidung für mein Leben getroffen.

SPOX: Es gibt viele Gerüchte, dass Sie nach Europa zurückkehren könnten. Der AS Rom taucht immer wieder in Spekulationen auf. Können Sie sich vorstellen, wieder hier zu spielen?

Adriano: Ich habe Angebote. Viele. Ich spiele mit offenen Karten und lüge niemanden an. Aber das Wichtigste ist mir meine eigene Zufriedenheit. Deshalb werde ich mir sehr gut überlegen, was ich in Zukunft mache.

SPOX: Falls Sie noch mal wechseln sollten: Kommt dann Italien überhaupt in Frage? Wie wäre es denn mit Deutschland?

Adriano: Flamengo ist meine Heimat. Es ergibt keinen Sinn, irgendwo hinzugehen und das dann zu bereuen. Geld spielt keine Rolle, nur mein persönliches Glück. Deshalb werde ich mich nicht an Spekulationen beteiligen.

SPOX: Die Weltmeisterschaft in Südafrika steht vor der Tür. Wie gut sehen Sie Ihre Chancen, dort für die Selecao aufzulaufen? Stehen Sie in Kontakt mit Nationaltrainer Carlos Dunga?

Adriano: Bei Flamengo zu spielen, bringt mich der Selecao sehr nah. Aber natürlich hängt alles von meiner Leistung ab. Ich habe zu allen, auch zu Dunga, ein sehr gutes Verhältnis. Wenn ich gut spiele, stehen meine Chancen sehr gut.

SPOX: Sie haben eine neue Freundin. Welche Rolle spielt Sie in Ihrem Leben?

Adriano: Cassia ist mein Ruhepol. Sie gibt mir den Raum, meinem Beruf nachzugehen und richtet sich so langsam in meinem Leben ein. Ich hoffe, dass unsere Beziehung eine große Zukunft hat. Wir spielen schon ein bisschen mit dem Gedanken zu heiraten (lacht).

Adriano feiert mit Flamengo die Meisterschaft