Alois Schwartz ist beim SV Sandhausen so etwas wie die eierlegende Wollmillchsau. Trotz geringer finanzieller Mittel und wiederholter Punktabzüge hält der Trainer den Dorfklub seit 2013 in erstaunlich sicherem Fahrwasser. Im Interview vor dem Spiel beim Karlsruher SC (18.30 Uhr im LIVETICKER) spricht Schwartz über die Arbeit auf dem Dorf, Siege gegen RB Leipzig und seinen nächsten Karriereschritt.
SPOX: Herr Schwartz, gehört Ihr Büro in Sandhausen inzwischen Ihnen ganz alleine oder müssen Sie es wie Ihre Vorgänger an jedem zweiten Wochenende räumen, weil es bei Heimspielen zur Schiedsrichterkabine umfunktioniert wird?
Alois Schwartz: Zum Glück habe ich mittlerweile ein anderes Büro bekommen und nicht mehr die Schiedsrichterkabine wie früher. Ich bin in ein kleineres Büro gezogen und muss dort das Feld nicht mehr räumen.
SPOX: Trotzdem merkt man anhand dieser Geschichte bereits, dass bei Ihrem Klub die Uhren ein wenig anders ticken. Ist Sandhausen ein Paradies für Fußballromantiker?
Schwartz: (lacht) Das ist eine gute Frage. Das muss jeder für sich beantworten. Ich denke, dass wir ein kleiner Ausreißer sind, der bei den Großen mitspielen darf.
SPOX: Sie sind in Sandhausen nicht nur Trainer, sondern in Personalunion auch Chefscout und verantwortlich für die Gegnerbeobachtung. Wie bekommt man das alles unter einen Hut?
Schwartz: Gegenüber anderen Klubs sind wir natürlich ganz anders aufgestellt, deswegen bin ich auch selber viel unterwegs. Das mache ich auch gerne, denn wenn ich den Gegner selber vor Ort beobachte, kann ich der Mannschaft auch viel mehr Input geben. Wie ich das unter einen Hut bekomme? Viel, viel Arbeit, das ist klar. Aber damit muss man klarkommen, wenn man in Sandhausen arbeitet.
SPOX: Ihre Frau ist davon wahrscheinlich wenig begeistert...
Schwartz: Es gehört natürlich dazu, dass die eigene Frau das Ganze auch mitträgt, wir haben uns da arrangiert. Sie akzeptiert das voll und ganz, das ist unheimlich wichtig. Ab und zu nehme ich sie auch mit, dadurch sind wir nicht permanent getrennt.
SPOX: Blicken wir zurück auf Ihre Anfänge in Sandhausen: Als Sie den Job 2013 antraten, war der Kader eigentlich auf die 3. Liga ausgerichtet, nur durch den Duisburger Lizenzentzug durfte der Klub in der 2. Liga bleiben. War es im Nachhinein ein Vorteil, ohne jeglichen Druck an die Aufgabe heranzugehen, weil die Erwartungshaltung so gering war?
Schwartz: Es kommt immer darauf an, was man von sich erwartet. Ich hatte trotz allem den Anspruch an mich selbst, mit dem Klub die Liga zu halten. Dadurch gab es von Anfang an durchaus Druck, den ich mir selber auferlegt habe. Man tritt immer an, um Erfolg zu haben. In Sandhausen besteht dieser Erfolg Jahr für Jahr darin, die Liga zu halten. Natürlich war es äußerst schwer, nach einer Saison mit 26 Punkten und 66 Gegentoren eine schlagkräftige Truppe hinzubekommen. Aber wir haben es bis jetzt gut hingekriegt, mit viel Arbeit, viel Fleiß und mit ganz viel Herz.
SPOX: Diese Arbeit hat dazu geführt, dass Sie in Ihrer ersten Saison gleich für mächtig Furore gesorgt haben, etwa mit dem Einzug ins Pokal-Achtelfinale.
Schwartz: Das war natürlich sehr schön, so viel Wertschätzung dafür zu bekommen, was wir mit unserem kleinen Etat von Beginn an geleistet haben. Wir haben uns schnell als Team gefunden und freigestrampelt.
SPOX: Um Sie herum wurden in den letzten Wochen mal wieder mehrere Trainer vor die Tür gesetzt. Wie groß ist Ihr Verständnis als Coach für derartige Manöver in der entscheidenden Saisonphase?
Schwartz: Ich finde es entscheidend, dass der Trainer immer zur generellen Vereinsphilosophie passt. Und wenn es nicht passt, muss man eben auch mal knallhart die Konsequenzen ziehen. Aber das muss jeder Verein für sich selbst entscheiden.
SPOX: Wie ist es Ihnen damals ergangen? Bei Ihrer allerersten Station in Erfurt wurden Sie schließlich nach kurzer Zeit als Co-Trainer ebenfalls ins kalte Wasser geworfen.
Schwartz: Das stimmt, ich hatte gerade meine aktive Zeit beendet und war erst seit vier Monaten Co-Trainer. Da Erfurt aber finanziell in großen Schwierigkeiten war, blieb dem Klub nach der Entlassung von Michael Feichtenbeiner gar nichts anderes übrig.
SPOX: Entsprechend hatten Sie damals wenig Zeit, Ihren eigenen Stil als Trainer zu finden. An welchen Vorbildern haben Sie sich orientiert?
Schwartz: Mein Ziel ist es, den Trainer zu verkörpern, den man sich als Spieler damals selbst gewünscht hätte. Früher ist man nicht viel auf den Menschen eingegangen. Man hat immer nur den Spieler gesehen, ich versuche auch immer den Menschen dahinter einzubeziehen. Damit kann man aus jedem Einzelnen auch mehr herausholen.
SPOX: Ihre Art kommt in Sandhausen seit drei Jahren sehr gut an, Sie haben den Klub inzwischen fest auf der Landkarte etabliert. Mit wie viel Stolz blicken Sie auf das zurück, was Sie hier bislang mit solch geringen Mitteln geleistet haben?
Schwartz: Natürlich kann man stolz darauf sein, was wir hier auf die Beine gestellt haben. Wir haben den kleinsten Etat aller Teams und schon zum zweiten Mal infolge die Hypothek, mit drei abgezogenen Punkten spielen zu müssen. Das bedeutet viel Arbeit und kostet unheimlich viel Kraft und Energie. Auch von der Psyche her muss man enorm stark sein, von daher kann man auf unseren Erfolg sehr stolz sein.
SPOX: Bereits im letzten Jahr haben Sie in der entscheidenden Phase der Saison einen ganz wichtigen Sieg im Duell der Gegensätze gegen Leipzig eingefahren, in diesem Jahr haben Sie den Coup wiederholt. Warum ist Leipzig so ein gutes Pflaster für Sie?
Schwartz: Ich kann es Ihnen gar nicht sagen. Wir mussten unbedingt punkten, gegen einen großen Klub wie Leipzig ist das natürlich eine besondere Sache. Es ist schön zu sehen, dass man gegen solche Teams mithalten kann, wenn man geschlossen auftritt und seine Stärken ausspielt. Das haben wir in den drei Jahren immer ganz gut hinbekommen.
SPOX: Ein Sieg in Leipzig ist doch bestimmt eine ganz besondere Genugtuung. Allein mit der Ablösesumme eines Davie Selke könnten Sie Ihren gesamten Kader finanzieren...
Schwartz: Von besonderer Genugtuung möchte ich nicht unbedingt reden. Aber solche Siege tun natürlich gut. Weil es zeigt, was mit harter Arbeit möglich ist, auch gegen scheinbar übermächtige Gegner.
SPOX: Der Weg in die Bundesliga ist natürlich auch ohne das große Geld möglich, wenn man etwa auf Darmstadt 98 blickt. Der Klub war vor nicht allzu langer Zeit in einer ähnlichen Situation wie Sie und hat es nun bis nach ganz oben geschafft. Hat Sie das Märchen vom Böllenfalltor dazu animiert, selbst vom "Hardtwaldt-Märchen" zu träumen?
Schwartz: Vor Darmstadt muss man den Hut ziehen, was dort mit Willenskraft, Geschlossenheit und Charakterstärke geleistet wurde. Das kann man auf einer anderen Ebene durchaus mit uns vergleichen. Aber im Gegensatz zu Darmstadt fehlt uns die Tradition. Dort ist das Stadion ausverkauft, daraus entwickeln sich andere Möglichkeiten. Auf solche Sachen können wir nicht zurückgreifen. Natürlich haben wir auch eine gewisse Tradition, aber die stammt aus dem Oberligabereich. Da gibt es noch einiges an Arbeit, vor allem, was die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung betrifft.
SPOX: Trotz aller Umstände geben Sie seit Jahren eine hervorragende Visitenkarte ab. Fühlen Sie sich langfristig zu Höherem berufen? Ihr Name wurde ja unter anderem bereits in Hannover, Stuttgart und Frankfurt gehandelt.
Schwartz: Mein Ziel ist es auf jeden Fall, so hoch wie möglich zu trainieren. Ich möchte mich selber ausreizen und sehen, wie weit ich damit kommen kann. So ehrgeizig bin ich schon. Wann und wo das aber sein wird - keine Ahnung. Da lass' ich mich mal selbst überraschen.
SPOX: Sie gelten als äußerst bescheidener Arbeiter, nicht als großer Lautsprecher. Steht Ihre Art einem möglichen Job in der Bundesliga möglicherweise ein wenig im Weg, weil Sie sich nicht selbst inszenieren und damit ins Licht der Öffentlichkeit rücken?
Schwartz: Das kann ich selbst nicht beurteilen, ich möchte einfach meine Arbeit sprechen lassen. Ich bin doch kein Schauspieler, ich bleibe authentisch. Das ist mir ganz wichtig, sowohl den Spielern, als auch den Medien gegenüber. Ich sehe es nicht als Vorteil, da jetzt den großen Lautsprecher zu machen.
SPOX: Ist es überhaupt möglich, diese wie Sie selbst sagen äußerst kräftezehrende Arbeit in Sandhausen über einen langen Zeitraum durch zu ziehen? Im Sommer steht wieder viel Arbeit bevor, mit dem Abgang Ihres Topstürmers Aziz Bouhaddouz sind Sie erneut gezwungen, angesichts des fehlenden Geldes in die Trickkiste zu greifen.
Schwartz: Es ist natürlich nicht einfach. Wir können nun einmal nicht mit Geld um uns schmeißen und schauen uns daher viel nach Dritt- und Viertligaspielern um, die über die Qualität verfügen, uns weiterzuhelfen. Da muss man auch mal ein bisschen Fantasie haben, wohin sich ein Spieler entwickeln könnte. Man sieht es ja bei Aziz Bouhaddouz: Wir haben ihn aus der vierten Liga geholt und jetzt sucht er nach dem nächsten Schritt für sich selber. Es wird immer Spieler geben, die den SV Sandhausen überholen.
SPOX: Wenn Sie sehen, wie es Ihrem ehemaligen Zweitligakollegen Andre Breitenreiter momentan bei Schalke ergeht: Ist Ihnen da die Dorfidylle vielleicht doch manchmal lieber als das Haifischbecken Bundesliga?
Schwartz: Natürlich gibt es immer Vor- und Nachteile. Aber trotz allem möchte man doch, deswegen bin ich auch Fußballlehrer geworden, so hoch wie möglich trainieren und vielleicht einmal die Möglichkeit bekommen, auf höchstem Niveau zu arbeiten. Alles andere gehört zum Job einfach dazu.
SPOX: Um nochmal beim Thema Ruhrgebiet zu bleiben, schließlich haben Sie in Ihrer aktiven Zeit selbst dort gespielt: Wäre es ein Traum, in diese fußballverrückte Region als Trainer zurückzukehren?
Schwartz: Es war schon eine schöne Zeit in Duisburg und Essen. Aber wo es denn im Endeffekt sein sollte, wenn es soweit kommt, da habe ich mir noch gar keine Gedanken drüber gemacht. Ich lasse die Dinge einfach auf mich zukommen.
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