Schalke: Zum Glück war es Lyon

Thomas GaberThomas Jahns
15. September 201011:21
Benedikt Höwedes (Nummer 4) wurde gegen Lyon früh mit Rot vom Platz gestelltGetty
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Der FC Schalke 04 hat nach den drei Pleiten in der Bundesliga auch den Auftakt in der Champions League bei Olympique Lyon vergeigt. Michel Bastos (21.) erzielte Tor beim 1:0 (1:0)-Sieg der Franzosen. Der Schalker Benedikt Höwedes sah noch vor der Pause die Rote Karte (37.). Christoph Moritz war wegen seines Fehlers untröstlich.

Vor 35.000 Zuschauern im Stade Gerland war Schalke klar unterlegen. Torhüter Manuel Neuer verhinderte eine höhere Niederlage.

Nachbetrachtung:

Es gab sie, die eine Konterchance für zehn Schalker in der zweiten Halbzeit. Jefferson Farfan lief mit dem Ball über die Mittellinie und suchte einen Mitspieler. Völlig planlos spielte der Peruaner einen Querpass, mitten in die Füße von Gegenspieler Pjanic. Lyon spielte den Angriff sauber aus, nur eine Glanztat von Manuel Neuer verhinderte den vorzeitigen K.o.

Die Szene Mitte der zweiten Halbzeit war symptomatisch für den Auftritt einer krankhaft ungefährlichen und verstörten Mannschaft. Das Bemühen ist den Knappen nicht abzusprechen. Wenn dem so wäre, könnten alle gleich einpacken.

Aber die Art und Weise, wie der Vizemeister derzeit Fußball spielt, stimmt nachdenklich. Auch nach dem vierten verlorenen Spiel behält Trainer Felix Magath seine Gelassenheit. Die Pleite sei kein Beinbruch, schließlich habe man eine Niederlage beim angeblich stärksten Vorrundengegner einkalkuliert und überhaupt sei ja der Schiedsrichter der Hauptschuldige.

BLOGS@SPOX Die Analyse des Spiels: Angsthasenfußball

Magath ist drauf und dran, sich in eine Sackgasse zu verirren, aus der er keinen Ausweg mehr findet. Statt in der Schlussphase auf Risiko zu setzen und noch einen offensiven Mann zu bringen, wechselte Magath nacheinander Joel Matip, Peer Kluge und Lukas Schmitz ein.

Im Endeffekt kann Schalke sogar froh sein, dass der Gegner Lyon hieß. In der derzeitigen Form hätte Königsblau auch gegen Benfica und Tel Aviv große Probleme gehabt. Und vergebene Punkte gegen die vermeintlich schwächeren Gegner hätten doppelt wehgetan.

Reaktionen:

Trainer Felix Magath: "Das Spiel war nach der Roten Karte leider entschieden. Bis zur Hinausstellung haben wir sehr gut verteidigt und kaum etwas zugelassen. Moritz war in der Szene beim Gegentor zu sorglos. Raul hat die Bälle gut verteilt und seine Aufgabe erfüllt."

Christoph Moritz (Schalke): "Man kann es nicht auf meine fehlende Erfahrung schieben. Ich muss den Ball einfach härter zu Manuel köpfen. Es tut mir leid, dass wir wegen diesem Scheiß-Tor verloren haben."

Analyse: Schlimmer Abend für Königsblau

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Schalke im 4-4-2 mit flacher Vier und Deac im linken Mittelfeld. Plestan ersetzt den verletzten Metzelder in der Innenverteidigung, Moritz verteidigt rechts.

Lyon muss auf den gesperrten Abwehrchef Chris und den angeschlagenen Rechtsverteidiger Cissokho verzichten. Dafür spielen Lovren und Kolodzieczak.

11.: Riesenparade von Lloris! Durch Zufall kommt Farfan im Strafraum frei zum Schuss und wuchtet den Ball aus 10 Metern per Dropkick in Richtung des Lyon-Gehäuses. Lloris macht sich ganz lang und fischt das Leder mit den Fingerspitzen raus.

21., 1:0, Bastos: Moritz köpft den Ball vom linken 16er-Eck zurück zu Neuer. Bastos riecht den Braten, ist schneller und spitzelt die Kugel über den Keeper. Höwedes versucht zu retten und grätscht den Ball samt Bastos über die Linie.

37., Höwedes: Überharte Entscheidung! Briand ist schneller am Ball als der Schalker. Der macht eine unorthodoxe Bewegung und trifft Briand mit dem Fuß an der Schulter. Gelb ok, aber kein Rot!

67.: Übler Fehlpass von Farfan an der Mittellinie. Die Franzosen nehmen dankend an und Briand trägt den Ball in Richtung des S04-Tores, zeigt im Strafraum große Übersicht und legt quer auf den mitgelaufenen Pjanic. Der Schuss des Mittelfeldspielers streift nur Zentimeter am linken Pfosten vorbei.

90.: Lopez tanzt Moritz aus und wuchtet die Pille aus 16 Meter haarscharf über das Tor.

Fazit: Völlig verdienter Sieg für ein gutes, aber keineswegs brillantes Lyon gegen naive Schalker. Am Ende war's ein Klassenunterschied.

Der Spieler des Spiels: Michel Bastos. Der Flügelspieler ragte aus einer durchschnittlichen Lyoner Mannschaft heraus. Mit seinem pfeilschnellen Antritt entwischte Bastos immer wieder der Schalker Abwehr. Beim 1:0 bewies er seine Schlitzohrigkeit.

Die Gurke des Spiels: Ciprian Deac. Undankbare Aufgabe für den jungen Rumänen, ausgerechnet in einem Champions-League-Auswärtsspiel in eine verunsicherte Mannschaft zu kommen. Deac war dementsprechend überfordert. Nach zwei Minuten spielte er einen Fehlpass mit der Hacke und bekam dafür gleich einen Fön von Magath. Der Rumäne hatte kaum eine vernünftige Aktion und ließ sich im Zweikampf immer wieder plump abkochen. Wurde noch vor der Pause ausgewechselt, in Folge seiner schwachen Leistung und aus taktischen Gründen nach dem Platzverweis für Höwedes.

Die Pfeife des Spiels: Ivan Bebek aus Kroatien. Der junge Referee (33) hatte die Partie zunächst im Griff, übertrieb es aber deutlich mit der Roten Karte für Höwedes. Es blieb Bebeks einziger Fehler. Ansonsten ein angenehm unauffälliger Schiedsrichter.

Die Lehren des Spiels: In der Königsklasse Wunden lecken und Selbstvertrauen holen für das Derby gegen Dortmund war Schalkes Plan in Lyon. Fazit nach 90 Minuten: Mission nicht erfüllt. Im Stade Gerland trat eine stark verunsicherte Mannschaft auf, ohne echten Leader und ohne erkennbare Strategie.

Erschreckend, wie selten die Schalker den Ball über mehrere Stationen in den eigenen Reihen halten konnten und wie naiv sie teilweise in die Zweikämpfe gingen. Im Aufbauspiel leisteten sich die Knappen unerklärlich viele leichte Abspielfehler. Rakitic und Jones wirkten gegen Gourcuff, Toulalan und Pjanic wie kleine Kinder, denen man das Spielzeug weggenommen hat.

Der lange Ball sollte oft als Alternative herhalten - ein völlig unbrauchbares Mittel. Raul und Huntelaar hingen in der Luft. Raul ließ sich oft ins Mittelfeld zurückfallen, doch auch ihm gelang es nur in Ausnahmefällen, das Schalker Spiel zu ordnen.

Dabei war Lyon keineswegs furchteinflößend. Die Verlegenheits-Viererkette zeigte immer wieder Schwächen, vor allem bei Standardsituationen.

Nach der Roten Karte für Höwedes versuchte Magath mit den Einwechslungen Matip, Kluge und Schmitz das Mittelfeld zu stabilisieren und auf die eine entscheidende Chance zu hoffen. Allerdings lief Schalke in der zweiten Halbzeit nur hinterher. Die knappe Niederlage ist für Schalke noch schmeichelhaft.

Im Moment deutet nichts daraufhin, dass Schalke diese Krise bald überstehen wird. Da hilft wohl nur ein Derby-Sieg...

Olympique Lyon - Schalke 04: Daten zum Spiel