Anthar Yahia: "Es war Hölle, Krieg und Terror"

Daniel BörleinChristian Bernhard
18. November 200910:31
Vor dem Spiel in Kario. Halliche (o. Reihe l.) und Lemmouchia konnten nur mit Kopfverband antretenGetty
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Das von schweren Ausschreitungen überschattete WM-Qualifikationsspiel zwischen Ägypten und Algerien (2:0) sorgt für Schlagzeilen. Die Rede ist von Verletzungen durch Steinwürfe und Schikane in der Kabine. Der Algerier Anthar Yahia war mittendrin. Vor dem Entscheidungsspiel um das WM-Ticket im Sudan (18.30 Uhr) spricht der Bochumer über den Horror in Kairo und die Angst ums eigene Leben.

SPOX: Was ist in Kairo vor und während des Spiels genau vorgefallen?

Anthar Yahia: Wir wurden auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel von zwei Polizeiwagen eskortiert, die auf einmal das Weite gesucht haben. Unser Busfahrer, ein Ägypter, fuhr in einen Kreisverkehr und stoppte den Bus mittendrin. Plötzlich kamen von überall her Leute und haben den Bus mit Steinen beworfen. Das waren Riesendinger! Die Szenen wurden von einem unserer Spieler mit einer Handykamera festgehalten.

Yahia: Die Rede war von Blut und Panik.

SPOX: Mehrere Spieler wurden verletzt, einige schwer. Sie konnten daher auch nur mit Kopfverbänden spielen, einer musste früher als geplant ausgewechselt werden.

SPOX: Wie war es während des Spiels?

Yahia: Im Stadion waren mindestens 100.000 Menschen, es war die Hölle. Niemand hat uns und unsere Fans geschützt, im Gegenteil: Die Polizei hat den wütenden Mob noch unterstützt. Hinterher waren wir fast ein bisschen froh, dass wir verloren hatten. Nicht auszudenken, was mit uns passiert wäre, wenn Ägypten ausgeschieden wäre.

SPOX: Es gab Vorwürfe von beiden Seiten: War es wirklich so schlimm, dass man das Spiel hätte absagen müssen oder wurde von der algerischen Seite dramatisiert?

Yahia: Da ist nichts dramatisiert worden. Es war kein Fußballspiel, es war Krieg! Wir mussten um unser Leben fürchten.

SPOX: Karim Matmour sagte, er hatte "Angst und möchte so etwas nie mehr erleben". Khaled Lemmouchia erzählte, dass "einige Spieler bei uns leichenblass waren, andere wie gelähmt". Wie haben Sie das ganze erlebt?

Yahia: Bei Auswärtsspielen in Afrika erlebt man die seltsamsten Dinge, aber ich habe noch nie Angst um mein Leben gehabt. Das war Terror pur.

SPOX: Wie darf man sich die Rivalität beider Länder vorstellen?

Yahia: Vor zwanzig Jahren gab es ein Spiel, bei dem wir vergleichbare Dinge gemacht haben. Seitdem gibt es eine große Rivalität. Aber so etwas hätte ich nie erwartet. Beim Hinspiel haben wir alle Ägypter mit einer Blume empfangen.

SPOX: Warum?

Yahia: Damit wollten wir zeigen, dass es eine gute Beziehung zwischen den beiden Ländern gibt. Vor dem Rückspiel sagte der Präsident des ägyptischen Verbands dann: "Jeder Algerier bekommt einen Stein von uns." Das steht in der Presse, genauso wie seine Aussage, dass die Ägypter mit uns machen können, was sie wollen.

SPOX: Haben Sie Befürchtungen, dass beim Entscheidungsspiel im sudanesischen Omdurman erneut etwas passiert? Schließlich wollte Ägypten den Sudan als Austragungsort.

Yahia: Nein. Die meisten Leute dort sind für Algerien. Der Sudan wurde lange Zeit von Ägypten besetzt und unterdrückt, von daher hat die Bevölkerung nicht viel für die Ägypter übrig. Am Mittwoch wird es für uns auch aus diesem Aspekt einfach, denn Ägypten hat definitiv kein Heimspiel. Die Sudanesen jedenfalls haben gesehen, was passiert ist und werden uns unterstützen.

SPOX: Glauben Sie wie viele andere Algerier auch, dass die FIFA lieber Ägypten als Algerien bei der WM sehen will?

Yahia: Die FIFA ist dazu da, gerecht zu urteilen. Das ist nach dem Spiel in Ägypten wichtig.

SPOX: Was würde eine WM-Teilnahme für Algerien bedeuten?

Yahia: Das ganze Land steht hinter uns. Wenn sie könnten, würden alle Algerier in den Sudan reisen, um uns zu unterstützen. Und für mich würde mein größter Traum in Erfüllung gehen.

SPOX: Wie stehen die Chancen?

Yahia: Wir sind bereit und ich bin hundertprozentig überzeugt, dass wir das Spiel gewinnen werden.

SPOX: Wie bereiten Sie sich als Team auf ein so brisantes Spiel vor?

Yahia: Wir wollen einen sportlichen Sieg, nicht einen Sieg des politischen Drucks, wie das in Ägypten der Fall war. Dort trug man das Spiel vom Sport in die Politik - das gehört sich nicht. Vor der Partie hatten beide Länder keine Probleme miteinander, und jetzt gibt es fast diplomatische Verwicklungen. Wir haben alles abgespeichert, was in Ägypten vorgefallen ist und vergessen nichts.

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