Veilchenzucht kein Selbstläufer

Richard Rother
15. November 200714:09
SPOXGetty
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 München - Wenn sie im Herbst blühen, entfalten sie sich im folgenden Frühjahr später. Sie symbolisieren Demut, Treue und Bescheidenheit: Die Stiefmütterchen - oder besser bekannt als Veilchen.

Diese Attribute ließen sich wohl auch dem leidenschaftlichen Gärtner Gerd Schädlich zuschreiben, der den Kultverein Erzgebirge Aue, kurz: die Veilchen, trainiert. Zumindest macht er das mit seiner Aussage "ich glaube nicht, dass wir das Potential haben, ganz vorne mitzuspielen", gegenüber SPOX.com deutlich.

Kampf gegen die Landflucht

In der letzten Saison spielten die Veilchen lange ganz oben in der 2. Liga mit. Doch jetzt - im vermeintlich stärksten Unterhaus aller Zeiten - kämpfen die Erzgebirgler nicht nur mit einem mehr als bescheidenen Etat, sondern auch um den Klassenerhalt.

Aue muss mit 5,1 Millionen Euro mit dem geringsten Budget der Liga auskommen. Zum Vergleich: Mönchengladbach kann sich mit einem 40-Millionen-Etat Koryphäen wie Oliver Neuville leisten, während die sächsische Kleinstadt heftig gegen die Landflucht ankämpft.

"Wenn einer nach Aachen oder Duisburg geht kann ich das verstehen, aber dass einer aus finanziellen Gründen nach Paderborn geht, war für uns ein Genickschlag", so Schädlich. David Siradze wechselte ablösefrei nach Paderborn, Andzrej Juskowiak beendete seine Karriere und Dimitar Rangelow spielt mittlerweile für Cottbus.

Das Pech spielt mit

Dafür kam Jiri Kaufmann vom KSC ins Erzgebirge. Doch Schädlich ist mit der Leistung des Tschechen noch unzufrieden: "Unter dem Strich hat er bei uns den Durchbruch noch nicht geschafft." Nach dem 5. Spieltag verbuchte der Stürmer bereits drei Treffer auf seinem Konto, seither blieb er torlos.

Der sächsische Fußballzwerg hielt gegen die Goliaths der Liga dennoch immer gut mit. Zuletzt stand Köln im heimischen Stadion mit dem Rücken zur Wand, doch der neu formierten Mannschaft von Schädlich fehlte zumeist das entscheidende Quäntchen Glück.

"Bei Köln beispielsweise haben alle Statistiken für uns gesprochen, nur das Torverhältnis leider nicht. Die Kölner haben ja nicht mal eine Ecke zustande gebracht", sagte der 54-Jährige.

Schauen Sie mal nach München 

Doch am Ende einer kampfstarken Partie ohne Punkte dazustehen, nagt an der Halbwertzeit eines jeden Trainers, auch wenn Schädlich im Fußballosten längst Kultstatus besitzt.

"Schauen Sie doch mal nach München. Wenn Hitzfeld mal drei, vier Spiele nicht gewinnt, geht gleich das große Theater los", so Schädlich, der den Druck auf sich zwar wachsen, aber seinen Trainerposten so nüchtern wie möglich sieht: "Man muss schließlich wissen, wo man Trainer ist und dafür braucht man realistische Ziele."

Seit 1999 leitet Schädlich immerhin schon die sportlichen Geschicke der Veilchen. Doch er wird seinem Verein noch bis mindestens Juni 2009 die Treue halten und bis dahin versuchen, die Euphorie aufrecht zu erhalten. "Es wird nicht einfach, den Profifußball hier zu halten."

Der Umkehrschluss gibt Auftrieb

Am 14. Spieltag empfängt Aue im Erzgebirgsstadion den FC St. Pauli. Nach zwei Heimsiegen in Folge "müssen wieder drei Punkte her". Die relative Heimstärke kaschiert allerdings eine verheerende Auswärtsbilanz, denn von sieben Spielen konnte lediglich eines gewonnen werden. Doch für Schädlich ist das nichts Ungewöhnliches, denn die Schlusslichter der Liga holen sich ihre Punkte vorwiegend daheim.

Die Aufzucht der Veilchen ist auf dem harten sächsischen Boden scheinbar "kein Selbstläufer". Schädlich jedenfalls wird insgeheim auf den Umkehrschluss der Anleitung zum Pflanzen hoffen: Wenn sie im Herbst nicht blühen, entfalten sie sich im Frühjahr umso schneller.