Austria Klagenfurt: München-Niederlassung am Wörthersee

Nino Duit
01. April 202211:27
Leihgabe vom FC Bayern München: Alex Timossi Andersson überzeugt bei Austria Klagenfurt.imago images
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Der Überraschungsklub der österreichischen Bundesliga entwickelte sich in mehrerer Hinsicht zu einer kleinen Niederlassung des Münchner Fußballs: Die sportlichen Geschicke von Austria Klagenfurt leiten ehemalige 1860-Angestellte und im Kader stehen zwei Leihspieler des FC Bayern München. Eigentümer ist ein Hamburger Unternehmer, dem auch ein deutscher Profiklub gehört.

Das Klagenfurter Wörthersee-Stadion kann seit seiner Eröffnung 2007 auf eine abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken. Es hat EM-Spiele, Pokalfinals und Konzerte beherbergt, 2018 tatsächlich einen Sieg der österreichischen Nationalmannschaft gegen die deutsche und im Rahmen eines Kunstprojekts zwischenzeitlich sogar einen Mischwald. Neuerdings fungiert es als kleine Niederlassung des Münchner Fußballs.

Bei der Eröffnung des Stadions gab es zwei Profiklubs in der Stadt, doch bald waren beide pleite. Als Heimstätte nutzte es fortan der neugegründete SK Austria Klagenfurt mit Berufung auf den einst gleichnamigen aufgelösten Traditionsklub.

Die Mannschaft pendelte zwischen der zweiten und dritten Liga, weshalb sich nur wenige hundert Fans für die Spiele interessierten. In der rund 30.000 Menschen fassenden Arena waren sie kaum zu finden. Mittlerweile sind die Fans schon etwas sichtbarer. Seit dem erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga im vergangenen Sommer zog das Zuschauer-Interesse an.

Zu sehen bekommen sie im Wörthersee-Stadion unter anderem: ehemalige Angestellte des TSV 1860 München an der Seitenlinie und einen Leihspieler des FC Bayern München auf dem Platz. Ein zweiter könnte bald sein Debüt feiern, weitere womöglich folgen.

Drei ehemalige Löwen bei Austria Klagenfurt

Vater des sportlichen Erfolgs ist Peter Pacult, ein Wiener Trainer ganz alter Schule. Der 62-Jährige steht für Schmäh und eine harte Gangart. Gelernt hat Pacult das Trainer-Handwerk einst beim TSV 1860, wo er zuvor auch gespielt hatte. Zwischen 1996 und 2003 bekleidete Pacult verschiedene Trainerpositionen, letztlich coachte er die Profimannschaft in der - tatsächlich! - Bundesliga.

Nach etlichen meist eher kurzen Stationen nah und fern übernahm Pacult Anfang vergangenen Jahres das Traineramt bei Austria Klagenfurt. Zunächst führte er die Mannschaft in die Bundesliga, dann direkt in die Meistergruppe. Dort duellieren sich die sechs bestplatzierten Klubs nach Punktehalbierung aus dem Grunddurchgang um die Europapokal-Startplätze, der Titel ist selbstverständlich für Red Bull Salzburg reserviert. Klagenfurt ist aktuell zwar Letzter, der Rückstand auf Platz zwei beträgt aber nur sechs Punkte.

Pacults Co-Trainer ist der langjährige Leiter der 1860-Nachwuchsabteilung Wolfgang Schellenberg. Als Geschäftsführer Sport fungiert Matthias Imhof. Er verfügt ebenfalls über 1860-Vergangenheit, sowohl als Spieler als auch als Funktionär.

Peter Pacult war einst sowohl als Spieler als auch als Trainer für den TSV 1860 München tätig. Seit Januar 2021 trainiert er Austria Klagenfurt.imago images

Andersson und Liu: Münchner Leihspieler in Klagenfurt

Die Verantwortungsträger bei der Austria haben also reichlich München-Bezug, genau wie der aktuelle Nachwuchs-Chef des FC Bayern Österreich-Bezug hat. Vor seinem Wechsel nach München war Jochen Sauer lange für RB Salzburg tätig, wo er mit dem heutigen Klagenfurter Chefscout Manfred Linzmaier zusammenarbeitete. Man kennt sich, man blieb im Gespräch - und mittlerweile pflegt man beste Beziehungen.

Der FC Bayern hat schon länger Interesse an einem Partner im österreichischen Fußball für regelmäßige Leihgeschäfte. Vor etwa einem Jahr wurde die Chance auf eine Zusammenarbeit mit dem mittlerweile abgestiegenen SKN St. Pölten verstreichen gelassen.

Statt die Verhandlungen mit Nachdruck zu führen, verlieh die Klubführung des FC Bayern dem Thema nach Informationen von SPOX und GOAL damals nicht die oberste Priorität. Der VfL Wolfsburg grätschte dazwischen und verkündete seinerseits eine Zusammenarbeit mit St. Pölten. Aktuell spielen drei Wolfsburger Talente per Leihe in St. Pölten.

Beim FC Bayern wanderten die Blicke Richtung Süden, Richtung Klagenfurt. Als erstes wurde der Schweden Alex Timossi Andersson (21) von der eigenen Reserve an die Austria verliehen. Er erarbeitete sich auf Anhieb einen Stammplatz auf Rechtsaußen, hatte großen Anteil am Aufstieg und steht in dieser Saison schon bei zehn Scorerpunkten. Wegen der guten Erfahrungen mit Andersson folgte mit dem chinesischen Keeper Shaoziyang Liu (18) in diesem Winter das nächste Talent. Aufgrund einer fehlenden Spielberechtigung kam er aber noch nicht zum Einsatz, seine Leihe läuft bis 2023.

FC Bayern München: Die Situationen der Kooperationen

Liu war erst kurz vor seinem Transfer nach Klagenfurt vom FC Wuhan Three Towns nach München gewechselt. Mit dem chinesischen Klub unterhält der FC Bayern eine offizielle Kooperation, genau wie mit dem FC Dallas aus der US-amerikanischen MLS. Deren Mittelfeld-Talent Thomas Roberts (20) sammelt aktuell übrigens erste Europa-Erfahrungen in Klagenfurt.

Der Weg leuchtet ein: Dank der Kooperationen mit Wuhan und Dallas bekommt der FC Bayern Zugriff auf Talente aus den großen Märkten China und USA, dank einer Zusammenarbeit mit einem Klub aus einer mittelklassigen europäischen Liga wie der österreichischen könnten diese Talente unproblematisch erste Profierfahrungen sammeln. Die eigene Reserve spielt aktuell bekanntlich nur in der viertklassigen Regionalliga Bayern.

Eine offizielle Kooperation im Stile von Wuhan und Dallas ist zwischen dem FC Bayern und Klagenfurt nach Informationen von SPOX und GOAL aktuell aber noch nicht spruchreif, genauso wenig wie mit einem zuletzt in einem Bericht des kicker ungenannten belgischen Erstligisten. Weitere Schritte könnten sich erst nach finaler Ausarbeitung des Projekts FC Bayern AHEAD ergeben, das der neue Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn vorantreibt.

Die guten Beziehungen nach Klagenfurt dürften aber unabhängig davon weiterhin für Leihgeschäfte genutzt werden. "Sollte sich in Zukunft die Konstellation ergeben, dass der FC Bayern junge talentierte Burschen verleihen und auf gutem Niveau zu mehr Spielpraxis verhelfen will, sind wir immer offen für Gespräche, da sich mit der Zeit ein sehr vertrauensvolles und freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hat", sagte Klagenfurts deutscher Geschäftsführer Harald Gärtner im Zuge des Liu-Transfers. Auch Sauer betonte die "konstruktiven und vertrauensvollen Gespräche" zwischen den beiden Klubs.

Leihgabe vom FC Bayern München: Alex Timossi Andersson überzeugt bei Austria Klagenfurt.imago images

FIFA verkündet neue Regeln für Leihspieler

Eine noch intensivere Zusammenarbeit könnten aber die neuen FIFA-Regeln bezüglich Leihgeschäften behindern. Wie der Weltverband jüngst beschlossen hat, dürfen ab der kommenden Saison prinzipiell zeitgleich nur mehr drei Spieler an den gleichen Klub verliehen werden. Die Gesamtzahl an Leihen pro Klub soll künftig außerdem auf sechs beschränkt werden.

Das trifft vor allem englische und italienische Klubs, die sich in den vergangenen Jahren teilweise wahre Leihspieler-Armeen aufgebaut haben. Aber auch der FC Bayern stieg zuletzt intensiver in das Geschäft ein. Anders als früher werden mittlerweile nämlich nicht mehr nur Spieler der Profimannschaft verliehen, sondern auch der Reserve - aktuell sind es neun.

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Tomislav Karajica: Austria und zwei deutsche Profiklubs

Zurück ins Wörthersee-Stadion mit seinem geschwungenen Dach, das ein bisschen an die sanften Wellen des nahen Gewässers erinnert. Zurück nach Klagenfurt, der Zwischenheimat von Andersson und Liu, die neuerdings auch die Heimat von Patrick Hasenhüttl ist. Der 24-jährige Stürmer kam im Winter von der SpVgg Unterhaching, davor spielte er beim nun insolventen Türkgücü München. Sein Vater Ralph ließ seine Karriere einst bei der Reserve des FC Bayern ausklingen, heute trainiert er den FC Southampton.

Klagenfurt bediente sich in jüngerer Vergangenheit auffällig oft aber nicht nur in München, sondern in ganz Deutschland. Insgesamt stehen neun Deutsche im Kader, was auch mit dem seit 2019 amtierenden Besitzer zu tun haben dürfte. Dem Hamburger Unternehmer Zeljko Karajica gehört über eine Firma neben der Austria auch der ambitionierte Fußball-Drittligist Viktoria Berlin, seinem Bruder der BBL-Klub Hamburg Towers.

Außerdem betreut Zeljko Karajica den kroatischen Schwergewichtsboxer Filip Hrgovic. Über Erfahrungen im Kampfsport verfügt der 50-jährige Karajica auch selbst: In den 1990er-Jahren war er mehrfacher deutscher Karatemeister.