Paradoxon in Grün und Weiß

Stefan RommelJorge Peixoto
20. Dezember 200812:30
Wie die Kinder: Liedson, Helder Postiga und Joao Moutinho (v.l.) feiern einen Sporting-TrefferImago
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Kein Klub wie jeder andere: Bayerns Achtelfinalgegner Sporting Lissabon ist ein eigenartiger Verein, dessen größtes Plus zugleich auch sein größtes Problem ist.

Wie immer herrscht hektische Betriebsamkeit in der Academia de Alcochete. Die Auslosung zum Champions-League-Achtelfinale stand an und eine bunte Kugel mit dem Inhalt Sporting Lissabon war diesmal ausnahmsweise immer noch mit dabei beim Roulette im schweizerischen Nyon.

Größtes Internat Portugals

Im größten und bekanntesten Jugendinternat Portugals flimmerten die Bilder von der Zeremonie in die Stuben und als der FC Bayern München aus der Kristallvase gezogen wurde, war es für einen Moment muksmäuschenstill.

Dabei ist eigentlich immer etwas los in der Academia de Alcochete, schließlich beherbergt das Areal vor den Toren Lissabons rund 200 Kinder und Jugendliche.

Kinder von der Republik Sao Tome und Principe oder aus Guinea bereiten sich dort auf ihre spätere Laufbahn vor, aber das sind Ausnahmen. Über 90 Prozent der angehenden Jungprofis sind Portugiesen, sie kommen aus allen Teilen des Landes.

Die Alcochete ist die Akademie des Sporting Club de Portugal, deutschen Ohren ist Sporting Lissabon geläufiger. Es ist ein eigenartiger Verein, dieser Sporting CP.

Futre, Figo, Quaresma und Ronaldo

Fulminante Spieler brachte der Klub, oder besser: die Akademie, hervor. Von Paulo Futre und Luis Figo über Ricardo Quaresma und Hugo Viana bis Cristiano Ronaldo und Nani.

SPOXSPOXAlle lernten sie in der Alcochete vor den Toren der großen Stadt das Fußballspielen und brachten dem Klub in Form von horrenden Ablösesummen Millionen Euro, Dollars und englische Pfund.

Und trotzdem ist der Verein mit über 100.000 Mitgliedern notorisch klamm. Seit Jahren ist Sporting deshalb auf Alimente der Grupo Stromp angewiesen, einer fast schon illuminatengleichen Vereinigung fanatischer Fans.

Erst wer mindestens zehn Jahre seine Mitgliedsbeiträge an Sporting entrichtet, wird zur Aufnahme zugelassen.

"Moralische Resource Sporting"

Die "moralische Resource Sportings" nennt sich die Grupo Stromp, die selbst zwar keine oder wenig Gelder beschafft, aber aufgrund ihres enormen Einflusses immer wieder potente Geldgeber an Land zieht, die dann in Kooperation mit dem Hauptsponsor Telecom Portugal einspringen.

In unschöner Regelmäßigkeit ist das der Fall. Die Talentschmiede produziert neben einer beträchtlichen Zahl von Absolventen nämlich auch einen großen Batzen an Kosten, der Sportings Kreditrahmen immer wieder sprengt.

Böser Kreislauf

Es ist ein böser Kreislauf, in dem sich der Klub befindet. Stars werden nicht gekauft, sondern selbst ausgebildet. Die Akademie spuckt auch reihenweise Spieler aus, die aber nicht langfristig gehalten werden können und früher oder später verkauft werden müssen.

Das intelligente und flächendeckende Scouting in Südamerika und Afrika lindert die finanziellen Schmerzen nur bedingt, schließlich wollen die 14- oder 15-Jährigen noch jahrelang ausgebildet werden, bevor der Klub unter Umständen seine Kosten refinanzieren kann. Was nicht immer gelingt.

Nur ein internationaler Titel

Demzufolge halten sich internationale Erfolge und Renommee sehr im Rahmen. Das höchste der Gefühle war bisher der Gewinn des Pokalsiegerwettbewerbs 1964 und die Finalteilnahme 2005 im UEFA-Cup. Höchste Weihen erfuhr lediglich Carlos Lopez bei seinem Olympiasieg 1984. Allerdings war Marathonläufer Lopez Mitglied von Sportings Leichtathletik-Abteilung.

Im nationalen Ranking hat Sporting deshalb gegen die Granden Benfica und FC Porto auch keine Chance, trotz 18 Meistertiteln und 15 Pokaltriumphen.

Derzeit liegen die grün-weißen Löwen in der portugiesischen SuperLiga auf Rang vier, in der Champions League gelang der Einzug in die K.o.-Runde durch je zwei Siege gegen Schachtjor Donezk und den FC Basel.

Trainer Bento zuversichtlich

Trainer Paulo Bento, der auf dem unruhigen Pflaster Lissabon gefühlt alle vier Wochen vor dem Rauswurf steht, lässt traditionell im 4-4-2 spielen.

Nach der Auslosung zeigte sich der 39-Jährige respektvoll, aber nicht ehrfürchtig vor dem großen Los FC Bayern. "Die Bayern haben ein sehr gutes Team, das technisch und körperlich auf höchstem Standard spielt. Jedes Jahr nehmen sie den Gewinn der Champions League ins Visier, das gehört bei den Bayern schon zur guten Tradition. Es werden zwei enge Spiele, aber wir haben ein ganz klares Ziel vor Augen: Das Viertelfinale - und das gehen wir mit jeder Menge Optimismus an."

Aus Bentos ausgeglichenem Kollektiv mit insgesamt acht Akteuren aus der eigenen Jugend ragen lediglich Mittelfeldspieler Joao Moutinho und Stürmer Liedson heraus.

Moutinho als schlampiges Genie

Moutinho gilt als eines der größten Talente des Landes. Der 22-Jährige stand schon als Jugendlicher des Öfteren vor einem Wechsel ins Ausland, ehe es Sporting zu bunt wurde und der Klub sein Juwel mit einem Sechsjahresvertrag ausstattete.

Also darf Moutinho seinen Spielstil weiter kultivieren und sich in einer Liga austoben, in der Mittelfeldspielern noch immer Raum, Zeit und Freiheit gewährt werden und in der die Raumzusteller und Spielverhinderer des Gegners handzahmer sind als in den Topligen Europas. Nicht wenige vergleichen ihn mit all seiner Finesse aber auch seiner Launenhaftigkeit mit Landsmann Deco.

Gegenpart zur Philosophie

Torjäger Liedson aber ist die spektakulärste Figur bei Sporting. Vielleicht auch deshalb, weil er so gar nicht in die Vereinsphilosophie passt. "Levezinho" wird der schmächtige Brasilianer genannt, das Leichtgewichtlein.

Liedson entstammt nicht der Akademie, er hatte bis zu seinem 24. Lebensjahr mit Profi-Fußball so viel zu tun wie Arminia Bielefeld mit der deutschen Meisterschaft.

In seiner brasilianischen Heimat Prudentopolis, einer Kleinstadt ganz im Süden, ging Liedson einem anständigen Allerweltsberuf nach. Im Supermarkt an der Ecke räumte er ganz unspektakulär Lebensmittel in Regale ein.

Sporting Lissabons Weg ins Achtelfinale