Benjamin Pavard spielt beim FC Bayern München in dieser Saison so gut wie lange nicht mehr, sorgt aber auch für reichlich Turbulenzen. Die neuesten Entwicklungen: Nach dem Ausfall von Noussair Mazraoui wird der 26-Jährige auf ungeliebter Position noch wichtiger - ein Abschied gleichzeitig aber immer konkreter.
Bereits kurz vor Weihnachten 2021 hat Benjamin Pavard ziemlich proaktiv einen Wechsel eingeleitet. In der Schlussphase des Bundesligaspiels gegen den VfL Wolfsburg stürmte der Verteidiger des FC Bayern München plötzlich vom Platz Richtung Katakomben. Pavard "kam raus und hat auf Französisch gesagt, dass er aufs Klo muss", berichtete Julian Nagelsmann anschließend, "das habe ich mit meinem bescheidenen Schul-Französisch verstanden".
Der Trainer musste jedenfalls kurzerhand umplanen: Statt wie eigentlich angedacht Jamal Musiala für den am Spielfeldrand bereitstehenden Malik Tillman auszuwechseln, nahm Nagelsmann eben Pavard runter. Ausgerechnet Musiala bereitete das Tor zum 4:0-Endstand vor.
Aktuell scheint Pavard wieder mal auf einen Wechsel zu drängen - diesmal aber nicht auf dem Platz, sondern auf dem Transfermarkt. Kurz vor der Weltmeisterschaft in Katar gab er der italienischen Gazzetta dello Sport und der französischen L'Equipe Interviews, in denen er offen mit einem Abschied vom FC Bayern kokettierte. "Ich bin nicht abgeneigt, eine neue Herausforderung anzunehmen. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Warum nicht ein neues Land, eine neue Kultur entdecken?", sagte der 26-jährige Franzose.
Pavards Vertrag läuft bis 2024, bisher verweigerte er eine vom FC Bayern angestrebte Vertragsverlängerung. Sofern das so bleibt und noch eine ordentliche Ablösesumme erwirtschaftet soll, muss er im kommenden Sommer verkauft werden. "Wir werden versuchen, dieses Thema frühzeitig zu lösen - egal in welche Richtung", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic kürzlich der Sport Bild.
An potenziellen Abnehmern mangelt es nicht: Schon so gut wie jeder europäische Topklub wurde bereits mit Pavard in Verbindung gebracht. Als besonders interessiert gilt der FC Barcelona: Wie der kicker am Freitag berichtete, besteht sogar schon Kontakt zwischen Barça und Pavards Berateragentur. Einer entsprechenden Nachfrage wich Salihamidzic bei einer Pressekonferenz am Samstag aus, betonte aber, dass sich der Spieler in München angeblich "sehr wohlfühlt".
imago imagesBenjamin Pavard drängt in die Innenverteidigung
Es kann schon sein, dass der Rechtsverteidiger - so will er selbst übrigens auf keinen Fall genannt werden - ein neues Land und eine neue Kultur entdecken will. Vor allem aber will er endlich fest auf seine Lieblingsposition wechseln: in die Innenverteidigung, wo er beim FC Bayern kaum spielen darf. Pavard kam 2019 für 35 Millionen Euro vom VfB Stuttgart nach München und spricht seitdem in ungefähr jedem Interview davon, endlich fest ins Abwehrzentrum rücken zu wollen.
In seinen bisher dreieinhalb Jahren beim FC Bayern war Pavard als Rechtsverteidiger aber zumeist unersetzlich. Als er sich nach einer starken Premierensaison vor dem Champions-League-Finalturnier 2020 eine Bänderverletzung zuzog, herrschte höchste Alarmstufe beim FC Bayern. Mangels Alternativen musste letztlich Mittelfeldmotor Joshua Kimmich rechts hinten aushelfen, der das womöglich sogar noch weniger gern macht als Pavard.
In den beiden darauffolgenden Spielzeiten zeigte Pavard nur durchschnittliche Leistungen, in der Allianz Arena hing bei einem Spiel sogar ein Banner mit der Aufschrift "Pavard = Kreisliga". Álvaro Odriozola und Bouna Sarr wurden ihm aber trotzdem nie gefährlich.
FC Bayern: Benjamin Pavard spielt eine starke Saison
Erst mit der Verpflichtung von Noussair Mazraoui im Sommer 2022 bekam Pavard einen ernsthaften Konkurrenten für die Rechtsverteidiger-Position. Wäre das für andere Spieler womöglich ein Ärgernis, dürfte es für ihn eine Erleichterung gewesen sein.
Das Resultat war durchaus erstaunlich: Pavard behielt zunächst seinen Platz rechts hinten und zeigte dort seine besten Leistungen seit langem. Vor allem im Offensivspiel, traditionell eher eine seiner Schwächen. Gegen Ende der Hinrunde durfte Pavard doch noch in der Innenverteidigung spielen, ermöglicht durch Verletzungen seiner Rivalen Matthijs de Ligt und Lucas Hernández sowie von Linksverteidiger Alphonso Davies. Wie zum Saisonstart rechts hinten, überzeugte Pavard auch innen.
Der 26-Jährige absolviert seine beste Saison seit seiner ersten in München 2019/20, gleichzeitig aber auch seine wohl turbulenteste. Permanent steht er wegen Themen abseits seines Kerngeschäfts Fußball in den Schlagzeilen - nicht nur in Bezug auf seine öffentlich formulierten Wechselabsichten (Position und Klub).
Benjamin Pavard: Seine Leistungsdaten beim FC Bayern
Saison | Pflichtspiele | Einsatzminuten | Tore | Assists |
2019/20 | 47 | 3978 | 4 | 7 |
2020/21 | 36 | 2924 | 1 | 2 |
2021/22 | 36 | 2935 | - | 2 |
2022/23 | 21 | 1520 | 4 | - |
Benjamin Pavard wiederholt in den Schlagzeilen
Im September sprach Pavard offen über psychische Verstimmungen während der Corona-Zeit. "Ich mag das Wort Depression nicht, aber das war es", sagte er Le Parisien. Er habe es "vor allen verheimlicht, aber heute geht es mir viel besser. Ich bin als besserer Mensch aus der Sache hervorgegangen. Es hat mich verändert." Solch offene Aussagen sind wichtig für die Enttabuisierung dieses schwierigen Themas. Werder Bremens Niklas Schmidt animierte Pavard somit gar, mit ähnlichen Problemen selbst an die Öffentlichkeit zu gehen.
Seiner Vorbildwirkung nicht gerecht wurde Pavard dagegen mit einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss, weshalb er im Herbst seinen Führerschein abgeben musste und eine klubinterne Strafe kassierte. "Er hat den Fehler eingesehen", sagte Nagelsmann später.
Nach einem Bankplatz beim Spiel gegen den FSV Mainz 05 Ende Oktober sei Pavard missmutig aufgetreten. "Er war sicher sauer auf mich, auch berechtigt", erklärte Nagelsmann. Vergleichbare Vorwürfe tauchten bei Pavard bereits mehrfach auf: Im Kreise der französischen Nationalmannschaft soll er wiederholt schlechte Stimmung verbreitet haben. Während der EM 2021 sei Pavard französischen Medienberichten zufolge mit Paul Pogba und Raphael Varane aneinandergeraten, wenig später attackierte ihn Pogba sogar vor den Augen der Öffentlichkeit auf dem Platz.
Bei der WM in Katar verlor Pavard seinen Startplatz nach dem Auftaktspiel gegen Australien. "Ich gehe nicht ins Detail, aber er war nicht im richtigen Zustand zu spielen", erklärte Nationaltrainer Didier Deschamps. "Mental wie körperlich hat ihm das erste Spiel nicht gutgetan." Ohne Pavard stürmte Frankreich ins WM-Finale, verlor dort aber im Elfmeterschießen gegen Argentinien.
FC Bayern München: Wie geht es rechts hinten weiter?
Bei Pavards Vorstellung im Juli 2019 sprach Sportvorstand Hasan Salihamidzic davon, dass der trotz seines noch jungen Alters bereits "die Extreme des Fußballs" kennengelernt habe. Er war damals schon Weltmeister mit Frankreich und Absteiger mit Stuttgart.
Seit seinem Wechsel zum FC Bayern setzt sich Pavards Hang zu Extremen gewissermaßen fort. Trotz seiner öffentlich geäußerten Wechselabsichten ist er wegen Mazraouis Ausfall und der generell angespannten Personallage in der Defensive aktuell wichtig wie noch nie in dieser Saison. Der Marokkaner erkrankte bei der für ihn so erfolgreichen WM an Corona, spielte aber dennoch und muss nun wegen einer Herzbeutelentzündung voraussichtlich vier bis sechs Wochen passen.
Einzige Alternative zu Pavard für die Rechtsverteidigung ist bis auf weiteres Eigengewächs Josip Stanisic. Der FC Bayern sondiert aber schon den Markt für potenzielle Neuzugänge - und bereitet sich somit auch auf einen möglichen Pavard-Abgang im Sommer vor. Als Kandidat gilt Axel Disasi (24), für den die AS Monaco aber angeblich über 50 Millionen Euro verlangt. Auch Inter Mailands Denzel Dumfries (26) und Olympique Lyons Malo Gusto (19) wurden schon gehandelt.