"Wie Hirsch, der aus Wald kommt"

SPOX
29. April 201411:18
"Gullit ist wie Hirsch, der aus Wald kommt" - Copyright by Vujadin Boskovgetty
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In England sorgen ein großer und ein vermeintlich großer Trainer für die Schlagzeilen. In Italien erinnert man sich an die besten Sprüche des verstorbenen Vujadin Boskov. In Spanien wurden Barcelona-Drogen gefunden.

Premier League

Von Raphael Honigstein

Ausrutscher des Spieltags: Aus gegebenem Anlass muss an dieser Stelle - leider - an die Worte von Steven Gerrard nach dem 3:2-Sieg gegen Man City vor zwei Wochen erinnert worden. "This does not fucking slip now", hatte der Liverpooler Kapitän seine Leute ermahnt, auf Deutsch: "Keine verdammten Ausrutscher jetzt".

Gegen Chelseas Betonmischer kam es am Sonntag, wie es kommen musste. Gerrard rutschte aus, verlor den Ball an Demba Ba und es stand 1:0 für die Londoner. Willian erhöhte kurz vor Schluss auf 2:0. Da ManCity wenig später bei Crystal Palace gewann, haben es die Reds nun nicht mehr in eigener Hand, Meister zu werden.

Während sich Brendan Rodgers bitterlich über die "zwei Busse" beschwerte , die Chelsea vor dem Tor der Gastgeber geparkt hatte, versicherte Jose Mourinho, dass die Seinen "keine Chance" auf den Titel hätten, sich allerdings darüber freuen dürften, sowohl City als auch Liverpool zwei Mal geschlagen zu haben.

Warum es trotzdem nicht für den Titel reichen soll, wollte der Portugiese nicht beantworten. "Ihr wisst schon Bescheid", entgegnete er. Soll heißen: Chelsea wurde von bösen Mächten (FA, Premier League, Schiedsrichter, NSA, CIA) benachteiligt. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr für seine Mannschaft war der grippekranke Portugiese übrigens alleine an die Mersey gereist. "Man muss sehr, sehr vorsichtig mit den Bakterien sein", sagte er und blies demonstrativ Luftküsse in Richtung der Reporter. So schön kann Fußball sein.

Statue des Spieltags: Die Scherzkekse von Paddy Power, einem britischem Buchmacher, hatten vor dem Stadion an der Anfield Road eine Statue von David Moyes aufgestellt. "Für Verdienste um Liverpool FC", stand auf dem Sockel. Der echte Moyes drehte derweil alleine Runden am Strand von Miami und im Old Trafford feierte Ryan Giggs sein Debüt als Interimstrainer von ManUnited mit einem 4:0 gegen Norwich City.

Der ganze Klub lag dem Waliser zu Füßen, nach dem Ende der Moyes-Zeit sind Optimismus und Stolz zurück gekehrt. Giggs' erstes Match auf der Bank geriet so gut, dass viele englische Zeitungen ihn als Dauerlösung ins Spiel brachten, doch Louis "warmer Mantel" van Gaal wird wohl im Sommer die Geschicke übernehmen.

Interimscoach Giggsy hat bis dahin ganz andere Probleme. Er muss zum Beispiel dem allseits beliebten Veteran Ryan Giggs, 40, sorgfältig klar machen, dass dessen Zeit auf dem Platz endgültig abgelaufen ist.

Und sonst? Noch mehr Druck hat Sam Allardyce. Der Trainer von West Ham United hat zwar den Abstieg so gut wie vermieden, musste sich aber bei der 0:1-Niederlage bei West Brom von den eigenen Fans beschimpfen lassen ("Fuck off, Sam Allardyce") und ein Banner anschauen, auf dem "Fat Sam killing WHUFC" ("Der Dicke bringt West Ham um") stand.

Die Anhänger der Hammers können den stumpfen Defensivfußball und die vielen langen Bälle nach vorne nicht mehr länger ertragen. "In dem Moment, wo mich solche Kritik berührt, muss ich meine Koffer packen", sagte Allardyce, der sich ja bekanntlich eher als Trainer für Spitzenteams sieht. Wahrscheinlich übernimmt in der Sommerpause der Verein das Kofferpacken für ihn.

Dann könnte auch Luis Suarez auf Reisen gehen. Der Uruguayer wurde am Sonntag ziemlich exakt ein Jahr nach seiner Bissattacke gegen Bratislav Ivanovic von der Spielergewerkschaft zum Spieler des Jahres gewählt. Sogar Patrice Evra, der von ihm rassistisch beleidigte Franzose von ManUnited, hatte für den Torschützenkönig in spe (30 Ligatore) gestimmt. Mit der Auszeichnung dürfte Suarez' Rehabilitation komplett sein. Der eine oder andere Spitzenklub wird es im Sommer garantiert wieder versuchen, ihn loszueisen. Mal schauen, ob er beziehungsweise Liverpool diesmal anbeißt.

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Serie A

Von Oliver Birkner

Trauer des Spieltags: Triste Stimmung herrschte in Italien, als der Tod von Vujadin Boskov am Sonntag bekannt wurde. Er hatte nach mehreren Titeln in Spanien lange Jahre als Coach auf der Halbinsel verbracht, unter anderem Francesco Totti in der Serie A debütieren lassen und bei Sampdoria mit dem kongenialen Sturmduo Roberto Mancini/Gianluca Vialli die Meisterschaft 1991 geholt, später dann knapp das Landesmeisterfinale gegen Barcelona in Wembley 0:1 verloren.

In Italien besitzt "Onkel Vuja" bis heute Kultstatus vor allem durch seine schier endlose Spruchsammlung in seinem stets amüsanten Akzent. "Grazie Mister für den Start eines unglaublichen Abenteuers", kommentierte Totti. "Auch aus dem Himmel wirst du sicher noch einige witzige Kommentare bereithalten."

Und so wird man Boskov heute wohl am besten mit einem "Best of" gerecht: "Der Ball geht rein, wenn Gott will. - Spieler gewinnen, Trainer verlieren. - Ein großer Spieler sieht Autobahnen, wo andere nur kleine Gassen sehen. - (Nach dem Wechsel von Ruud Gullit zu Sampdoria): Gullit ist wie Hirsch, der aus Wald kommt. - (Nach dessen Rückkehr zu Milan): Gullit ist wie Hirsch, der in Wald zurückgeht. - (Über Spieler Pergomo vom Stadtrivalen Genoa): Wenn ich meinen Hund von der Leine lasse, spielt er besser als Pergomo. (Später präzisierte Boskov): Ich sagte nie, Pergomo spiele wie mein Hund. Ich sagte: Der kann höchstens in meinem Garten mit meinem Hund spielen. - Ne Wurst bleibt 'ne Wurst, egal ob Mann- oder Raumdeckung. - 2:0 ist ein 2:0. Wenn am Ende 2:0 für dich, hast du gewonnen. - Spieler muss mit zwei Augen Ball kontrollieren, mit den anderen beiden Gegner. - Wenn ein Mann mehr die Frau liebt als kaltes Bier vor dem TV mit Champions-League-Finale, dann ist's vielleicht große Liebe, aber er vielleicht kein echter Mann." Addio, grande Mister!

Balotelli des Spieltags: Der Balotelli des Wochenendes geht an Mario Balotelli. Zuerst ein grunzendes Vaffanculo an einen Mitspieler, der seinen Hackentrick nicht verstanden hatte. Dann eine tumbe Leistung beim 0:2 gegen Milan, später bei der Auswechslung "Warum immer ich?" zu Coach Clarence Seedorf.

Beim "Sky"-Interview sprach er Journalisten und Ex-Profis die Ahnung ab, zischte "Wenn der AC verliert, ist es stets meine Schuld. Und falls ich keine fünf Tore mache, habe ich mich nicht bewegt. Ich bin eben kein Top-, sondern ein normaler Player" und verschwand erzürnt.

Morgens um vier Uhr gab es noch Twitter-Time: "Zum Glück liegt Fanny neben mir, die verständnisvoll ist. Komisch, dass viele in Italien gegen mich sind, im Ausland hingegen fast alle für mich." Was zu beweisen wäre.

Und sonst? Unter der Woche ließ Monaco-Coach Claudio Ranieri Dampf darüber ab, dass seine vorherigen Trainer-Stationen wie Chelsea, Juventus, Roma oder Inter nicht immer in wohliger Harmonie endeten. "Trainer sind meistens wie gehörnte Ehemänner, die immer als letzte von der Affäre der Frau erfahren." Hätte durchaus von Boskov sein können.

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Primera Division

Von Frank Oschwald

Glückspilz des Spieltags: Ohne Frage, Ruben Castro ist sicherlich ein begabter Kicker. Mit 27 Buden schoss er Betis vor drei Jahren in die Primera Division und traf in den darauffolgenden Jahren stets zweistellig. Auch in der aktuellen Saison kann man ihm mit neun Buden in 21 Spielen nicht die Hauptschuld am inzwischen feststehenden Abstieg von Betis geben.

Was man ihm und seinen Beratern vielleicht ankreiden könnte, ist die bisherige Vereinswahl. Nach den Abstiegen mit Las Palmas (2002), Albacete (2005) und Gimnastic (2007) steht er mit dem Klub aus Sevilla nun bereits zum vierten Mal unter dem Strich. Ob falsche Zeit, falscher Ort oder doch eher ein fürchterliches Händchen, sei dahingestellt.

In Spanien wird er inzwischen von vielen in Hinblick auf Miguel Lotina nur noch Ruben "Lotino" Castro gerufen. Der Trainer bekam nämlich das Kunststück fertig, mit vier seiner letzten fünf Teams abzusteigen. Zwei Mal mit einem aktuellen Champions-League-Teilnehmer.

Verschwörungstheorie des Spieltags: Seit Wochen zerbricht man sich in Spanien über die seltsame Übelkeit von Lionel Messi den Kopf. Erst vor dem Spiel gegen Bilbao in der letzten Woche musste sich der kleine Floh im Spielertunnel wieder übergeben und machte im Anschluss so weiter, als wäre nichts gewesen. Die Ärzte und Messi höchstpersönlich sind ratlos.

Er selbst kann vielmehr froh sein, dass er im Profisport unterwegs ist. Bring' so eine Aktion mal Woche für Woche in der Kreisliga. Dann spricht sich schnell rum, dass der Kollege sich am Vorabend wieder acht bis vierzehn Bier in den Kopf geschraubt hat und deshalb wieder mit Halbgas über das Spielfeld turnt.

Tollkühne Barca-Fans haben die Übelkeit des Superstars nun mit etwas ganz anderem in Verbindung gebracht. In Alicante entdeckte die ansässige Polizei bei einer Drogenkontrolle neben einer ganzen Ladung Koks, Marihuana und anderem Quatsch auch 300 Gramm halluzinierende Drogen in Form des Barca-Logos. Das jedoch in Verbindung mit Messis Übelkeit zu setzen, ist - sagen wir mal - eine gewagte These. Der Spürhund der Polizei hat dennoch eine ganz klare Meinung zu diesem Thema.

Per sempre etern, Tito! Ganz Fußball-Europa stand nach dem plötzlichen Tod von Ex-Barca-Coach Tito Vilanova unter Schock und nahm durch Schweigeminuten und zahlreiche Gesten Anteil. Rund ums Camp Nou erwiesen rund 50.000 Barca-Fans dem 45-Jährigen mit einem Meer aus Schals und Kerzen die letzte Ehre.

Den vielleicht bewegendsten Moment gab's bei der B-Jugend der Katalanen zu sehen. Diese liefen allesamt mit einer Grußbotschaft an einen ihrer Mitspieler auf dem T-Shirt aufs Feld. Darauf war zu lesen: "Wir sind bei dir, Adri". Eine Nachricht an Adrian Vilanova, Titos Sohn.

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