Die Boca Juniors aus der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires sind global gesehen der wohl berühmteste Fußball-Klub außerhalb Europas. Großen Anteil daran hatte der Weltpokalsieg vor 20 Jahren gegen Real Madrid.
Den Mund aufgerissen, die Arme ausgebreitet und um den Körper wehend ein unverschämt schönes Trikot. Blauer Hintergrund, gelber Brustring, darauf das geschwungene Logo der Brauerei Quilmes, das deutlich besser aussieht als ihr Bier schmeckt. So rannte Torjäger Martin Palermo in der sechsten Spielminute los, um seinen zweiten und vorentscheidenden Treffer auf Vorarbeit des magischen Regisseurs Juan Roman Riquelme zu bejubeln.
28. November 2000. Japan, Tokio. Weltpokal, wie die Klub-WM bis zur weltweiten Teilnehmererweiterung 2005 hieß. Hier der Sieger der südamerikanischen Copa Libertadores Boca Juniors. Dort der Champions-League-Sieger Real Madrid, die "Galacticos" von Trainer Vicente del Bosque mit Iker Casillas, Roberto Carlos, Luis Figo und Raul, die vermeintlich beste Mannschaft der Welt, der große Favorit.
Roberto Carlos verkürzte zwar noch auf 1:2, der Ausgleich sollte Real aber nicht mehr gelingen. Nach sechs Jahren setzte sich beim interkontinentalen Wettstreit mal wieder der südamerikanische Vertreter durch. Nach dem Abpfiff verwandelte sich das National Stadium von Tokio vor den Augen von Millionen TV-Zuschauern in ein blau-gelbes Jubelmeer - auf dem Platz und auf den Tribünen, wo die um den halben Erdball gereisten Boca-Fans optisch und akustisch dominierten.
Dank aufregender Spieler wie dem Rekordtorschützen des Klubs Palermo (damals 27) und Riquelme (22), vor allem aber dank der greifbaren Leidenschaft der Fans und wohl auch dank der einprägsamen Farben vergrößerte sich die globale Bekannt- und Beliebtheit der Boca Juniors durch diesen Triumph schlagartig.
gettyBoca Juniors: Synonym für südamerikanische Leidenschaft
Marketing-Direktor Orlando Salvestrini sagte später, dass sich sein Klub auch wegen des Weltpokalsieges von 2000 (und dem erneuten Gewinn 2003 gegen den AC Milan) zu einer "globalen Marke" entwickelt habe. Bocas Merchandise-Einnahmen stiegen deutlich an und das kurz darauf im Stadion La Bombonera eröffnete Klubmuseum avancierte bald zu einem der am meisten besuchten Touristenziele von Buenos Aires.
"Dieses Spiel ist weltweit übertragen worden und hat aus einem nationalen einen internationalen Kultklub gemacht. Seitdem gilt La Bombonera als Mekka für Fußballtouristen aus allen Ländern", sagte ein Vertreter aus Bocas Fanszene dem österreichischen Fußballmagazin ballesterer. Er hat in den Jahren darauf aus nächster Nähe miterlebt, wie immer mehr europäische Fußballfans nach Buenos Aires pilgerten, um sich den Traum vom Stadionbesuch im La Bombonera zu erfüllen.
Blitzende Pyrotechnik, bunte Konfetti, rhythmische Gesänge: Die Boca Juniors wurden zum Synonym für unregulierte südamerikanische Fußball-Leidenschaft, ihre Farben blau und gelb gleichzeitig zum stolz getragenen Bekenntnis zu dieser Einstellung. In Europa ist wohl kein Trikot eines Klubs von einem anderen Kontinent präsenter als das von Boca, kein Logo bekannter als das blau-gelbe mit den vielen kleinen Sternen.
Mauricio Macri legte die Grundlagen für den Hype
Die strukturellen Grundlagen für diesen Hype legte der damalige Klub-Präsident Mauricio Macri bereits vor dem Weltpokalsieg von 2000. Der Sohn eines erfolgreichen Geschäftsmannes studierte in den USA Wirtschaft und jobbte im Familienunternehmen, ehe er 1995 die Kontrolle bei Boca übernahm und zwölf Jahre behalten sollte. Anschließend wurde er Bürgermeister von Buenos Aires und argentinischer Staatspräsident.
Bei Macris Ankunft litt der Klub unter finanziellen Problemen und Erfolglosigkeit, hatte seit dem Abschied von Idol Diego Armando Maradona - der Boca vor der Globalisierung des Fußballs erstmals internationale Aufmerksamkeit beschert hatte - 1982 nur einen Meistertitel gewonnen. Der stets nüchtern kalkulierende Macri sah aber das große Vermarktungspotenzial des stark emotionalisierten Arbeiterklubs aus dem Hafenviertel La Boca, der in Buenos Aires seit jeher das Gegenstück zum betuchteren Rivalen River Plate bildet.
Macri richtete eine eigene Marketingabteilung ein, ließ La Bombonera renovieren, mit VIP-Boxen und später dem Klubmuseum ausstatten, schloss unter anderem mit Ausrüster Nike wegweisende Sponsorendeals ab und verpasste Boca als erstem Klub Argentiniens einen eigenen TV-Sender.
Während Macri die Strukturen eines Weltklubs zu schaffen begann, blieb die Mannschaft zunächst eher erfolglos. Sportlich bergauf ging es erst, als Carlos Bianchi das Traineramt übernahm - dann aber richtig! Ungeschlagener Meister 1998, zwei Titelverteidigungen, 2000 der erste Copa-Libertadores-Sieg seit 22 Jahren, dann der Triumph im Weltpokal gegen Real. "Es ist nicht nur ein Sieg für Boca, sondern für ganz Argentinien", sagte Bianchi nach dem Finale. Für Boca war es dagegen nicht nur ein Sieg, sondern viel mehr als das. Es war der Auslöser eines Hypes.
gettyBoca Juniors und die Rückkehr der alten Helden
Die Mannschaft ließ in den darauffolgenden Jahren nicht nach und verstärkte diesen Hype trotz regelmäßiger Verkäufe der besten Spieler nach Europa mit weiteren nationalen Titeln, drei weiteren Siegen in der Copa Libertadores und vor allem einem weiteren Weltpokal. 2001 musste sich Boca dem FC Bayern München knapp in der Verlängerung geschlagen geben, ehe sich die Mannschaft um den damals 19-jährigen Carlos Tevez zwei Jahre später gegen Milan durchsetzte.
Seitdem gewann den Wettbewerb nur dreimal ein nicht-europäischer Vertreter. Anders als zuvor Boca konnten die jeweils aus Brasilien kommenden Sieger ihre Triumphe aber nicht für eine nachhaltige Bekanntheitssteigerung nutzen. Boca selbst verlor nach einem weiteren Sieg in der Copa Libertadores 2007 mit den zwischenzeitlich nach Europa verkauften und wieder heimgeholten Palermo und Riquelme bei der anschließenden Klub-WM gegen Milan.
Auch Tevez kehrte zum Ende seiner Karriere zu Boca zurück, erreichte 2018 noch einmal das Copa-Libertadores-Finale, verlor dieses mit seiner Mannschaft jedoch dramatisch gegen den ewigen Erzrivalen River Plate, deren einziger Weltpokalsieg von 1986 datiert. An den globalen Machtverhältnissen änderte diese Niederlage nichts: Während sich die beiden Klubs in Sachen Beliebtheit in Argentinien seit jeher auf Augenhöhe begegnen, liegt Boca weltweit gesehen klar vorne - auch dank der einprägsamen Bilder von 2000.
Alle Weltpokal-/ Klub-WM-Sieger seit 2000
Jahr | Sieger | Finalist |
2000 | Boca Juniors (Argentinien) | Real Madrid |
2001 | FC Bayern München | Boca Juniors (Argentinien |
2002 | Real Madrid | Olimpia Asuncion (Paraguay) |
2003 | Boca Juniors (Argentinien) | AC Milan |
2004 | FC Porto | Once Caldas (Kolumbien) |
2005 | FC Sao Paulo (Brasilien) | FC Liverpool |
2006 | Internacional Porto Alegre (Brasilien) | FC Barcelona |
2007 | AC Milan | Boca Juniors (Argentinien) |
2008 | Manchester United | LDU Quito (Ecuador) |
2009 | FC Barcelona | Estudiantes de La Plata (Argentinien) |
2010 | Inter Mailand | Tout Puissant Mazembe (Kongo) |
2011 | FC Barcelona | FC Santos (Brasilien) |
2012 | Corinthians Sao Paulo (Brasilien) | FC Chelsea |
2013 | FC Bayern München | Raja Casablanca (Marokko) |
2014 | Real Madrid | San Lorenzo (Argentinien |
2015 | FC Barcelona | River Plate (Argentinien) |
2016 | Real Madrid | Kashima Antlers (Japan) |
2017 | Real Madrid | Gremio Porto Alegre (Brasilien) |
2018 | Real Madrid | al Ain Club (Vereinigte Arabische Emirate) |
2019 | FC Liverpool | Flamengo Rio de Janeiro (Brasilien) |