Denk' ich an Brügge...

Florian Bogner
15. Dezember 201013:07
August 2003: Amoroso scheitert an Brügges Butina - Dortmunds finanzielle Talfahrt beginntImago
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Borussia Dortmund eilt in der Bundesliga von Sieg zu Sieg und ist bereits großer Favorit auf den Meistertitel. In der Europa League muss jedoch für den Einzug in die Runde der letzten 32 ein Sieg beim FC Sevilla her (Mi., 20.45 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sat.1). In vermeintlichen K.o.-Spielen zog der BVB jedoch in den vergangenen sieben Jahren oft den Kürzeren - wie ein Blick auf Cottbus, Brügge und Co. beweist.

Angesichts der Niederlagen-Serie der Andalusier und der eigenen bombastischen Form reist der BVB selbstbewusst nach Sevilla. "Jetzt geht es darum, der Gruppenphase die Krönung zu verleihen. Wir wollten das Finale, und so werden wir uns präsentieren", schickt Trainer Jürgen Klopp voraus - auch wenn Sevilla laut Nuri Sahin "eine Mannschaft von Champions-League-Kaliber" hat.

Für Manager Michael Zorc ist klar: "Da gibt es kein Taktieren." Ein echtes K.o.-Spiel eben, mit denen Dortmund in der Vergangenheit allerdings so seine Probleme hatte. Jedenfalls zog der BVB in den letzten sieben Jahren im entscheidenden Moment verdächtig oft den Kürzeren.

Das Bizarre: Nach 90 Minuten lag Dortmund in den wichtigen Spielen nie in Rückstand - es reichte trotzdem nicht. Zur Warnung: Auch in Sevilla würde ein Remis nicht reichen.

18. April 2010: Borussia Dortmund - 1899 Hoffenheim 1:1 (0:0)

Bundesliga: 31. Spieltag. Die Champions League ruft! Mit einem Sieg wäre der BVB auf Platz drei gesprungen. Doch auf dem Platz läuft alles schief: Sahin und Zidan müssen mit Nasenbeinbruch bzw. Kreuzbandriss noch vor der Halbzeit runter.

Nach der Pause bringt Valdez die Hausherren zwar in Führung (57.), eine Minute vor Schluss macht Ibisevic jedoch den Ausgleich. Hajnal hatte den Gegentreffer mit einem Fehlpass eingeleitet. "Ich habe mich in der Kabine bei der Mannschaft dafür entschuldigt. Ich fühle mich sehr schlecht", sagt der Ungar hinterher kleinlaut.

Der BVB ist zwar auch böse auf Schiedsrichter Wolfgang Stark, der ein Tor von Barrios zu Unrecht wegen Abseits' nicht anerkannte, sucht die Schuld aber vor allem bei sich selbst.

"Das Einzige, was gegen uns war, waren heute wir", sagt Klopp später. Die Saison geht mit einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage zu Ende - Dortmund ist zum Saisonabschluss "nur" Fünfter.

23. Mai 2009: Bor. Mönchengladbach - Borussia Dortmund 1:1 (0:0)

Bundesliga: 34. Spieltag. Die Europa League ruft! Klare Ausgangslage: Dortmund braucht einen Sieg für die Europa-League-Qualifikation, Gladbach einen Punkt für den Nicht-Abstieg. In der ersten Halbzeit hat die heimische Borussia nichts zu bestellen, geht nach der Pause aber durch einen Kopfball von Dante nach einer Ecke in Führung (57.).

Für zittrige Dortmunder springt anschließend nicht mehr als der Ausgleich von Blaszczykowski (64.) raus. Das Schlimme: Das Remis hätte bis zur Nachspielzeit für Europa gereicht, dann schießt Trochowski den HSV im Fernduell in Frankfurt (3:2) aus einer Abseitsposition doch noch auf Platz fünf.

Beim BVB liegen nach Abpfiff die Nerven blank, Weidenfeller und Kehl fetzen sich noch auf dem Spielfeld. "Alles, was schieflaufen kann, ist schiefgelaufen. So war es vor dem 1:0 keine Ecke. Und wäre Santana nicht draußen behandelt worden, wäre dieses Tor sicherlich so nicht gefallen. Wir sind unglaublich traurig", konstatiert Geschäftsführer Watzke.

Und ein enttäuschter Klopp meint: "Wir müssen lernen, dass man nicht immer alles kriegt, wenn man alles gibt." Einen Rüffel gibt es für Streithahn Weidenfeller: "Man muss da ein anderes Bild abgeben. Das habe ich ihm auch gesagt."

2. Okt. 2008: Udinese Calcio - Bor. Dortmund 0:2 n.V. (0:2, 0:1), 4:3 i.E.

UEFA-Cup: 1. Runde, Rückspiel. Verpasstes Wunder. Es ist Dortmunds erstes Europacup-Auswärtsspiel seit 2003 (von zwei peinlichen UI-Cup-Auftritten mal abgesehen), doch die Chancen auf den Einzug in die Gruppenphase stehen nach dem ernüchternden 0:2 im Hinspiel mehr als schlecht.

Doch dann entwickelt sich im Friaul plötzlich ein munteres Spiel mit den klareren Chancen für den BVB. Dank Hajnal gelingt Dortmund der Coup: Der Ungar trifft jeweils in der Nachspielzeit beider Halbzeiten und schießt die Gäste damit in die Verlängerung.

Dort haben beide Teams Aktien auf den K.o.-Schlag, für den BVB vergibt der eingewechselte Sadrijaj in der 118. Minute eine Riesenchance.

Ins Elfmeterschießen geht Dortmund moralisch oben auf, doch ausgerechnet Hajnal scheitert gleich mit dem ersten Schuss an Udine-Keeper Handanovic. Domizzi läuft für Udine an - und jagt den Ball über den Querbalken.

Wieder ein gefühlter Vorteil für den BVB, doch Weidenfeller boxt sich den Elfmeter von Pepe beim Stand von 2:1 im Elfmeterschießen selbst rein. Direkt danach tritt Blaszczykowski an - und scheitert wie Hajnal am slowenischen Nationalkeeper. Lukovic verwandelt den letzten Elfer für Udine schließlich sicher.

Im Kabinengang gibt es dann kuriose Szenen: Italienische Sicherheitskräfte hindern Klopp und Kehl daran, deutschen Medienvertretern Interviews zu geben. Es kommt sogar zu Handgreiflichkeiten gegen Klopp, der am Arm festgehalten wird. "Wir werden für das, was wir investiert haben, im Lauf dieses Jahres belohnt werden", sagt Klopp hinterher - und irrt.

Teil 2: Verpasste Chancen - von Berlin bis Cottbus

19. April 2008: Borussia Dortmund - Bayern München 1:2 n.V. (1:1, 0:1)

DFB-Pokal: Finale in Berlin. Verpasster Titel. Der BVB hat die Chance auf den ersten Titel seit 2002, wird gegen Bayern aber nicht für eine couragierte Leistung belohnt. Petric gelingt zwar in der Nachspielzeit der 1:1-Ausgleich, doch Toni macht in der Verlängerung mit seinem zweiten Streich den Favoritensieg der Bayern perfekt (103.).

Blaszczykowski fliegt noch mit Gelb-Rot vom Platz (108.). "Nach dem Ausgleich waren wir sogar überlegen und dann kriegen wir so ein Duseltor", ist Petric anschließend entsetzt. "Ihr habt zwar keinen Pokal, aber jede Menge Sympathien gewonnen", ruft Watzke den Profis nach Mitternacht im Ballsaal des Ritz-Carlton dennoch aufmunternd zu.

Weil Bayern in der kommenden Saison in der Champions League spielt, darf sich Dortmund zumindest mit der Europa-League-Qualifikation trösten. Für Trainer Doll sind die Sympathien trotz des tollen Finals aufgebraucht: Er tritt einen Monat später nach dem 34. Spieltag zurück - zu enttäuschend verlief die Saison mit Platz 13.

22. Mai 2004: 1. FC Kaiserslautern - Borussia Dortmund 1:1 (1:0)

Bundesliga: 34. Spieltag. Die Revier-Schmach. Dortmund spielt eine gute Saison, muss am letzten Spieltag aber Platz fünf an den kleinen Nachbarn VfL Bochum abgeben.

Weil der VfL durch zwei Tore in der Schlussviertelstunde zuhause Hannover 3:1 schlägt, reicht Kollers Ausgleichstor (71.) auf dem Betzenberg nicht für einen internationalen Platz. Die Führung erzielte Lokvenc per Kopfball (7.). Dortmunds Pech: Kaiserslautern brauchte theoretisch noch einen Punkt für den Klassenerhalt, hielt deswegen voll dagegen.

"Ich war fest davon überzeugt, dass Dortmund es schafft. Ich habe unter der Woche mit zukünftigen VfL-Spielern telefoniert, die andeuteten, dass von Lautern nicht mehr viel zu erwarten sei", frohlockt Bochums-Coach Neururer - und tanzt ausgelassen vor der eigenen Fankurve den Neururer-Shuffle. BVB-Coach Sammer wechselt zum VfB Stuttgart.

27. August 2003: Bor. Dortmund - FC Brügge 2:1 n.V. (2:1, 1:1), 2:4 i.E.

Champions League: 3. Qualifikationsrunde, Rückspiel. Die große Blamage. Durch eigenes Verschulden (siehe Cottbus) muss der BVB in der Königsklassen-Vorschule ran - und versagt gegen den belgischen Meister auf ganzer Linie. Im Endeffekt bezahlt Dortmund für eine zu lasche Einstellung im Hinspiel.

In Brügge hatte Koller nach einem 0:2 immerhin für das wichtige Auswärtstor gesorgt, der BVB sich dann aber auf dem 1:2 ausgeruht. Im Rückspiel gelingt Amoroso nach nicht mal 180 Sekunden das 1:0, weil Keeper Butina eine Rückgabe zu weit vom Fuß springen lässt.

Doch wieder lässt die Konzentration nach, Mendoza verwandelt einen direkten Freistoß zum 1:1 (27.). In der zweiten Halbzeit rennen die Hausherren kopflos an und scheiden beinahe schon vorzeitig aus - bis Ewerthons Kopfball doch noch zur Verlängerung führt (86.).

Dort muss der spätere Hamburger Rozehnal auf Brügger Seite mit Gelb-Rot vom Platz (112.), Dortmund gelingt die Entscheidung aber trotz exzellenter Chancen nicht. Im Elfmeterschießen kommt es dann, wie es kommen muss: Butina wird vom Depp zum Helden, indem er die Elfmeter von Amoroso und Bergdölmo pariert.

Trainer Sammer präsentiert sich darauf "ziemlich leer" und resümiert: "Wir haben das Aus durch unsere Niederlage in Brügge zu verantworten." Damals ahnt noch niemand, dass der BVB durch das Versagen an diesem verhängnisvollen Abend in finanzielle Schieflage geraten wird. Die Folge: der Beinahe-Kollaps und fünf Jahre ohne internationalen Fußball.

24. Mai 2003: Borussia Dortmund - Energie Cottbus 1:1 (1:0)

Bundesliga: 34. Spieltag. Das Zitter-Spiel. Der amtierende deutsche Meister hat die Schale schon längst an den uneinholbar führenden FC Bayern abtreten müssen. Beckenbauer meint hämisch: "Trotz 18 Punkten Vorsprung haben wir die Liga ja nicht deklassiert."

Der BVB steht dennoch vor dem letzten Saisonspiel einen Punkt vor dem VfB Stuttgart auf Platz zwei. Ein Rang, der immerhin den direkten Zugang zur Champions League garantiert.

Zu Gast im Westfalenstadion: Der sichere Absteiger Cottbus, gleichsam Tabellen-Schlusslicht. 68.000 Zuschauer freuen sich auf einen versöhnlichen Saisonausklang - aber irgendwie will der Ball nicht ins Tor.

Zumindest Rosicky schafft es, Energie-Ersatzkeeper Berntsen mit einem Rechtsschuss nach Ricken-Vorarbeit zu überwinden (26.).

Rosicky köpft anschließend freistehend an die Latte, Ewerthon lässt das Gebälk mit einem Direktschuss aus acht Metern erzittern. Die Zuschauer werden unruhig. Ricken vergibt zu Beginn der zweiten Halbzeit zwei Riesenchancen, dann schleicht sich der Schlendrian ein.

Cottbus kommt nach 68 Minuten erstmals gefährlich vor das BVB-Tor. Sieben Minuten später findet Reichenbergers Flanke den Kollegen Rost frei vor dem Tor. Kopfball - 1:1! Dortmund wird hektisch, Sammer bringt Amoroso. Doch Berntsen macht das Spiel seines Lebens und verhilft dem VfB (2:0 gegen Wolfsburg) doch noch zu Platz zwei. Eine Blamage für Dortmund, die wenige Monate später gegen Brügge zur Katastrophe führte.

Real an BVB-Stürmer Barrios interessiert