Nur zwölf Tage nach der letzten Partie vor der Weihnachtspause nimmt die Bundesliga am Samstag mit dem 14. Spieltag wieder Fahrt auf. Höchste Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen. Das waren für SPOX und Goal die Verlierer der bisherigen Saison - und es waren auch Nicht-Schalker dabei.
Marcus Thuram (23, Borussia Mönchengladbach)
- 13 Bundesligaspiele
- 2 Tore, 3 Assists
Es war ohnehin noch nicht die Saison des Marcus Thuram. Zwei Tore und drei Vorlagen in 13 Spielen waren weit entfernt von seiner letzten Durchstartersaison, als er zum gleichen Zeitpunkt schon sechs Treffer und vier Assists auf der Habenseite hatte und mit seiner Dynamik, Mannschaftsdienlichkeit und Vielseitigkeit begeistert hatte.
Das Bild, wie er Ende Mai per Kniefall auf dem Platz Solidarität mit der Black-Lives-Matters-Bewegung zeigte, ging um die Welt. Spätestens da galt der Weltmeistersohn als sympathischer Profi, der über den Tellerrand und aus der eigenen Blase hinausblicken kann.
Dass er das Jahr nun mit einem ganz anderen Image beendet, hat er sich selbst zuzuschreiben. Seine Spuckattacke gegen Hoffenheims Stefan Posch am letzten Spieltag vor Weihnachten war schlicht widerlich, in Coronazeiten sogar mehr als das; dass er sich nicht unmittelbar nach dem Spiel dafür entschuldigte, sondern am Folgetag den gedrechselten Weg über Social Media wählte, schlicht schwach.
Mit der Geldstrafe von 40.000 Euro und sechs Spielen Sperre von Seiten des DFB war er noch gut bedient. Sein Klub zog ihm außerdem noch ein Monatsgehalt ab. Für die nächste Imagekorrektur muss er sich anstrengen.
Loris Karius (27, Union Berlin)
- 0 Bundesligaspiele
- 0 Tore, 0 Assists
Sein Wechsel war der lauteste aller Sommertransfers von Union Berlin - das ja bekanntlich auch Max Kruse holte. Doch die tragische Figur eines Champions-League-Finales war Kruse in seiner bewegten Karriere eben noch nicht. Und eine Lebensgefährtin, die auf dem Boulevard mindestens so berühmt ist wie er selbst hat er auch nicht. Wie Kruse kam auch Karius nach einem nicht ganz glücklichen Gastspiel in der Türkei zu Union.
Bei Besiktas war der Keeper, der immer noch beim FC Liverpool unter Vertrag steht, zwar Stammspieler gewesen, war aber (wie Kruse) eher selten bezahlt worden. Bei Union wollte der einstige U21-Nationalkeeper das Chaos hinter sich lassen und Spielpraxis sammeln. Dass seine Lebensgefährtin Sophia Thomalla Berlinerin ist, schadete bei der Entscheidungsfindung sicher auch nicht.
Aber in erster Linie wollte sich Karius in der Bundesliga wieder für höhere Weihen empfehlen. Sein Vertrag in Liverpool läuft zwar noch bis 2022, aber dort sind beide Planstellen auf der Position mit Alisson Becker und Caoimhin Kelleher bestens besetzt.
Doch auch bei Union kam der 27-Jährige bisher zu keinem Einsatz in der Bundesliga - und bei seinem Premierenspiel im Union-Trikot im DFB-Pokal scheiterten die Köpenicker prompt mit 2:3 an Paderborn. Karius war dennoch mit der beste Unioner und murrt generell nicht über die Rolle der Nummer 2 hinter Andreas Luthe. Laut Berliner Zeitung soll mittlerweile aber dennoch eine Trennung im Winter schon möglich sein.
Jochen Schneider (50, Sportvorstand FC Schalke 04)
Zugegeben: Kritische Bewertungen über Jochen Schneider zu schreiben, ist weder sonderlich kreativ, noch macht es Spaß. Aber es hilft ja nichts. Dass der Sportvorstand mehr und mehr zum Gesicht des Schalker Niedergangs wird, liegt natürlich auch daran, dass es nicht mehr allzu viele andere Gesichter gibt, die man mit der Krise in Verbindung bringen könnte.
Der Technische Direktor Michael Reschke, mit dem sich Schneider einen monatelangen Machtkampf geleistet hatte, ist ebenso wenig mehr da wie die Ex-Trainer David Wagner und Manuel Baum. Mit Reschke hatte sich Schneider übrigens vor allem über die Frage des richtigen Umgangs mit Wagner gestritten. Reschke hatte den Coach nach der erfolglosen Rückrunde 2020 vor die Tür setzen wollen, Schneider nicht.
Dass Schalke mit Wagner in die Saison gegangen ist, bezeichnet er mittlerweile als Fehler. Zur Trennung von Manuel Baum musste Schneider angeblich von Aufsichtsrat und Schalke-Retter vom Dienst Huub Stevens gedrängt werden; angeblich teilte Stevens Baum dessen Aus auch selbst mit.
Ob der auch für Kommunikation zuständige Schneider die Entscheidung nicht selbst mitteilen wollte oder konnte, ist nicht überliefert. Auf die Idee, den 66-jährigen Christian Gross, den er schon aus seiner Zeit beim VfB Stuttgart kannte, aus dem Ruhestand zu holen, wären sicher nicht viele andere Sportchefs gekommen. Retten sollte auch Gross ihn nicht.
Milot Rashica (24, Werder Bremen)
- 5 Bundesligaspiele
- 0 Tore, 1 Assist
Er war der einzige Lichtblick in der vergangenen, total missratenen Werder-Saison, in der erst die Relegation den Klassenerhalt sicherte. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass Milot Rashica seine besten Leistungen bei Werder und in der Bundesliga vor der Corona-Zwangspause zeigte.
Kein Wunder, dass die Interessenten Schlange standen, im allgemeinen Transferwahn vor Corona schienen festgelegte 38 Millionen Euro Ablöse beinahe schon schnäppchenhaft für ein hochveranlagtes Energiebündel, RB Leipzig und der AC Milan schienen die vielversprechendsten Optionen.
Doch dann kam Corona, dann kam die Formdelle, dann kamen fast schon demotivierende Leistungen - und ganz am Ende der Wechselperiode eine aus Zeitgründen doch noch recht peinlich gescheiterte Leihe nach Leverkusen. Hieß es anfangs noch, der Wechsel sei nur verschoben und werde im Januar vollzogen, erlosch das Leverkusener Interesse angesichts von Rashicas Darbietungen bald deutlich.
Im Dezember zog sich der Flügelspieler im Training auch noch eine Sehnenverletzung zu. Sicher ist ein monatelanger Ausfall. Ein Winterwechsel scheint fast unmöglich. Bitter für Rashica, bitter aber auch für Werder, das in Coronazeiten jeden Euro gebrauchen kann.
Axel Witsel (31, Borussia Dortmund)
- 13 Bundesligaspiele
- 0 Tore, 0 Vorlagen
Was sich in der vergangenen Saison schon andeutete, wurde in den letzten Wochen zur Gewissheit: Axel Witsel mag zwar noch immer genau der Führungsspieler sein, als den der BVB ihn 2018 geholt hat, aber schneller und dynamischer wird er in diesem Leben nicht mehr. Was nicht unbedingt ein Problem sein muss, forsche Jungdynamiker hat der BVB ja genug. Doch wenn die auch nicht so genau wissen, wohin mit ihrer Spielfreude, hilft einer, der das Spiel in letzter Zeit immer öfter verschleppte, eben auch nicht.
Und so ging Witsel in den letzten Wochen von Trainer Lucien Favre, als das Team der Hochbegabten einen Felsblock gebraucht hätte, an dem es sich festhalten konnte, einfach mit unter.
Und so bleibt das Problem des BVB nicht, dass es nicht genug Führungsspieler im Kader hat, sondern dass permanent zu viele von ihnen zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind und darüber das Führen vergessen. So wird es nichts mehr mit der Meisterschaft für den BVB.
Lars Windhorst (44, Mehrheitsgesellschafter Hertha BSC)
Vor Lars Windhorsts Einstieg im Sommer 2019 war Hertha BSC ein grauer, nichtssagender Klub ohne Geld, jetzt ist Hertha ein grauer, nichtssagender Klub mit Geld. Und Windhorst um ein paar Millionen ärmer. 274 Millionen Euro steckte er bereits in die Hertha. Eigentlich hätten es bereits 374 Millionen sein müssen, aber die im Oktober erwartete dritte Tranche über 100 Millionen Euro lässt weiter auf sich warten.
Klub und Investor vereinbarten einen neuen Zahlungsplan. Im Einvernehmen, heißt es zwar, dennoch knirscht es hinter den Kulissen gewaltig. Jens Lehmann, Jürgen Klinsmanns Nachfolger als Windhorst-Berater und -Vertreter im Aufsichtsrat, zeigt immerhin (bisher?) keine Ambitionen, die Mannschaft als Trainer übernehmen zu wollen.
Der aktuelle Trainer Bruno Labbadia rettete die Hertha zwar in der vergangenen Saison vorm Abstieg, fiel zuletzt aber vor allem mit schlechter Laune und einer minutenlangen Tirade gegen Matheus Cunha auf.
Der Brasilianer, einziger Spieler im Kader mit dem Potential für grell reflektierende Lichtblicke, tat aber tatsächlich einiges, um Labbadias Übellaunigkeit zu fördern. Seine Leistungen waren zumeist bestenfalls belanglos, zuletzt widersetzte er sich auch noch der Anweisung des Klubs, über Weihnachten wegen Corona auf Auslandsreisen zu verzichten, und jettete kurzerhand in die Schweiz. Immerhin: Cunha kehrte reumütig zurück - machte seiner Freundin eben in Berlin den Heiratsantrag.
Leroy Sane (24, Bayern München)
- 11 Bundesligaspiele
- 3 Tore, 3 Assists
Klar, Leroy Sane kam nach einer langen und komplizierten Verletzung zum FC Bayern. Ein dreiviertel Jahr hatte er nach seinem bei Manchester City erlittenen Kreuzbandriss kein Spiel bestritten, wegen einer Kapselverletzung verpasste er zudem fast den gesamten Oktober bei Bayern. Und doch hatten sich beide Seiten sicher mehr vorgestellt von den ersten Monaten Sanes beim FC Bayern.
Hatte der Nationalspieler doch Pep Guardiola und die Citizens verlassen, weil er eine richtige Hauptrolle in einer Spitzenmannschaft spielen wollte. Hatte Bayern ihn ja geholt, weil sie nach den Karriereenden von Franck Ribery und Arjen Robben mit einem Jahr Verspätung wieder echte Weltklasse auf den Flügeln sein wollten.
Derzeit hat Bayern einen Weltklassesflügelstürmer: Kingsley Coman, der nach seinem Triumphtreffer im CL-Finale von Lissabon förmlich explodiert ist. Bei Sane, der nur fünfmal in der Startelf stand, stimmen bisher nur die nackten Scorerzahlen. Aber ihn schon jetzt als Fehleinkauf abzustempeln, wäre arg verfrüht.
Leroy Sane: Seine bisherige Saison in Zahlen
Gespielte Minuten | 804 |
Tore | 5 |
Assists | 3 |
Kreierte Großchancen | 4 |
Vergebene Großchancen | 1 |
Versuchte/erfolgreiche Dribblings | 54/24 |
Passquote | 77,1 % |
Zweikampfquote | 39,8 % |
Manuel Baum (41, zeitweise FC Schalke)
Einen besseren Mann für den Job hätte man sich nicht einmal malen können. Das Amt war wie maßgeschneidert für Manuel Baum. Die Rede ist selbstredend von der Aufgabe, die Baum von Juli 2019 bis September 2020 bei DFB innehatte: Cheftrainer der U20-Nationalmannschaft und an der DFB-Akademie mit der Neugestaltung der Trainerausbildung betraut.
Baum ist ja nicht nur studierter Realschul- und Fußballlehrer, sondern arbeitete vor seiner Zeit als Cheftrainer des FC Augsburg im Nachwuchsbereich und betreute an einer Realschule angehende Fußballer. Und doch gab Taktiktüftler Baum die praktisch auf ihn maßgeschneiderte Position auf.
Vielleicht sehnte sich Baum wieder mehr ans Licht, vielleicht hatte er sich in seiner Doppelfunktion beim DFB dann doch etwas gelangweilt, ganz sicher war er davon überzeugt, Schalke schon wieder hinzukriegen. "Lasst mich mal machen", rief er bei seinem Amtsantritt jenen zu, die schon damals meinten, der Baum sei vielleicht etwas "zu klein für das Ganze."
Zehn Bundesligaspiele ohne Sieg und gerade mal vier Punkte später war Baum vielleicht nicht zu klein für Schalke, aber ohne Job. Und die Bundesliga dürfte eine ganze Weile ziemlich weit weg sein für Baum.
Reinier (18, BVB)
- 4 Bundesligaspiele
- 0 Tore, 0 Assists
Für zwei Jahre lieh der BVB im Sommer den Brasilianer von Real Madrid aus. Spielpraxis sollte der 18-Jährige in Deutschland sammeln, bei Real hatte der 30-Millionen-Mann schließlich fast sechs Monate lang kein Pflichtspiel mehr absolviert.
Beim BVB wurden es aber nicht viel mehr. Gerade mal vier Kurzeinsätze in der Bundesliga und weitere vier in den restlichen Wettbewerben bekam der offensive Mittelfeldspieler zugestanden. Dabei fiel er vor allem durch mangelnde Physis und fehlendes taktisches Verständnis auf.
Eine Corona-Infektion Ende November und anschließende muskuläre Probleme taten ihr Übriges zu den bisher eher unglücklichen ersten Monaten Reiniers in Deutschland.
Dass Youssoufa Moukoko mittlerweile nicht nur tatsächlich 16 Jahre alt geworden ist und seitdem tatsächlich auch spielt, macht es für Reinier natürlich auch nicht leichter, einen Kaderplatz zu ergattern. Man sollte sich nicht wundern, wenn Real Madrid die Leihe frühzeitig abbrechen sollte. Immerhin bei FIFA21 gehört er nicht zu den Verlierern.
Die Fußballfans
Natürlich eine Binsenweisheit, aber man kann es nicht oft genug sagen: Ohne Fans macht Fußball keinen Spaß. Die Geisterspiele sind eine Notwendigkeit, die man halt wie so vieles in dieser Pandemie hinnimmt; die Möglichkeit, den Teams beim In-Game-Coachen zuhören zu können, war zu Beginn sogar ganz interessant; und nachdem die ersten Spieltage Fürchterliches erahnen ließen, wurde das Spielniveau zuletzt auch wieder etwas besser.
Aber der Lustgewinn einer Methadontherapie dürfte auch nicht höher sein als diese synthetische Simulation des Fußballerlebnisses. Wer ernsthaft behauptet, keinen Unterschied ausmachen zu können zwischen Profispielen mit und ohne Zuschauern, der hält Schmähplakate gegen Milliardäre vermutlich auch für die größte Schweinerei und das größte Problem im Weltfußball.