Im Auftrag des BVB untersucht der Dortmunder Historiker Rolf Fischer aktuell die Rolle des Vereins im Nationalsozialismus. Seinen ersten Erkenntnissen zufolge handele es sich bei Borussia Dortmund um keinen "Vorzeige-Naziverein", wie er den Ruhr Nachrichten sagte.
"Als Vorzeige-Nazivereine werden in der Fachliteratur Vereine bezeichnet, deren Führung den eigenen Verein als Teil der nationalsozialistischen Bewegung ansahen. Nach allem, was wir bisher wissen, war der BVB keiner dieser Vereine", sagte Fischer. Stattdessen sei die Borussia ein "Arbeiterverein" gewesen, dessen "Sozialstruktur eine besondere" gewesen sei.
"In den Reihen der Funktionäre finden sich fast ausschließlich frühere Spieler. Das war in anderen Städten und bei anderen Vereinen ganz anders, dort war die gezielte Einflussnahme durch die Besetzung von Posten viel größer." Als Beispiele nannte Fischer den TSV 1860 München und den VfB Stuttgart.
Dabei schränkte er allerdings ein: "Eine durch und durch braune Führungsriege bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass alle Mitglieder in demjenigen Verein auch stramme Nazis waren." Es sei wichtig, "nicht vorschnell zu urteilen", denn: "Was sagt ein Vorsitzender aus der NSDAP aus über die Jungs, die nur Fußball spielen wollten?"
Beim BVB habe ein "enger Dreiklang aus Wohnstätte, Arbeitsstätte und Sportplatz für die Freizeit" geherrscht, was "sehr identitätsstiftend für den Verein und die Leute drumherum" gewesen sei. Die Folge: "Bereits als zweitklassiger Vereine hatte der BVB sehr hohe Zuschauerzahlen."
BVB setzt sich stark für Erinnerungskultur ein
Grund für die Untersuchungen ist auch die Tasache, dass Teilen der BVB-Fans in der Vergangenheit immer wieder Verbindungen ins rechtsradikale Millieu nachgesagt wurden, im April noch prangte auf dem Cover der rechtsextreme Zeitschrift N.S. Heute die Dortmunder Südtribüne. Michael Brück, Stadtrats-Mitglied für die Partei Die Rechte, schrieb darin von einer "gescheiterten linken Übernahme" beim BVB.
Der Verein selbst hat sich mit zahlreichen Aktionen gegen Rechts klar von etwaigen Tendenzen distanziert, unter anderem rief der BVB im vergangenen Jahr zum Protest gegen eine Nazi-Demo auf. Auch sonst setzt die Vereinsführung immer wieder klare politische Signale. So spendete der Klub beispielsweise gemeinsam mit vier großen deutschen Unternehmen im April des vergangenen Jahres eine Million Euro für den Ausbau der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.
"Der BVB ist ein sehr politischer Verein", erklärte Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der BVB-Geschäftsführung, damals. Gerade der Fußball könne im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus eine wichtige Rolle übernehmen: "Der Fußball bildet die Gesellschaft in seiner Gänze ab wie kaum etwas anderes. Es ist wichtig, dass es eine breite Masse erreicht", betonte Watzke
Dass sich der BVB so sehr für Aufklärung und eine Erinnerungskultur einsetzt, liegt auch an der eigenen Vereinshistorie. Dort kommt im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus immer wieder der Name August Lenz zur Sprache, erster Nationalspieler des BVB und Star in den 30er-Jahren.
Dieser war SA-Mitglied, warb 1936 für Adolf Hitler und trat 1937 der NSDAP bei. "Wir müssen noch erforschen, wie sehr er vereinnahmt worden ist. Wenn August Lenz nicht in Sachen involviert war wie Arisierungsfälle oder in Kriegsverbrechen an der Front, ist seine SA-Zugehörigkeit sehr abwägend zu beurteilen", sagte Fischer hierzu.
Es sei offen, "ob es sich um eine reguläre SA-Mitgliedschaft gehandelt hat oder eine Ehren- oder Pflicht-Mitgliedschaft". Womöglich seien 80 Prozent der BVB-Mannschaft Mitglied der SA gewesen.
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