BVB-Leihspieler Dzenis Burnic im Interview: "Bei Dembele dachte ich nur: Was geht denn bei dem ab?"

Jochen Tittmar
03. Juni 202013:36
Dzenis Burnic ist aktuell vom BVB an Dynamo Dresden ausgeliehen.imago images
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2006 wechselte Dzenis Burnic im Alter von acht Jahren zu Borussia Dortmund. Seit Januar 2019 ist der 22-Jährige in die 2. Liga zu Dynamo Dresden ausgeliehen. Sein Leihvertrag bei der SGD läuft noch bis zum 30. Juni - ob Burnic anschließend zum BVB zurückkehrt, ist noch unklar.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht Burnic vor dem Auswärtsspiel bei Hannover 96 (18.30 Uhr im LIVETICKER) über seine erste Profisaison bei Borussia Dortmund unter dem "fröhlichen" Thomas Tuchel und erklärt, weshalb ihn der Transfer von Axel Witsel überrascht hat.

Zudem äußert sich der defensive Mittelfeldspieler über seinen aktuellen Schwebezustand und den Traum von einer Zukunft beim BVB.

Herr Burnic, Sie haben einst bei Borussia Dortmund mit 16 Jahren Ihre ersten Trainingseinheiten bei den Profis unter Jürgen Klopp absolviert. Wie erinnern Sie sich daran?

Dzenis Burnic: Das war im Trainingslager in La Manga. Ich war parallel mit der U-Nationalmannschaft dort und wurde dann quasi einen Platz weiter zu den Profis beordert. Es war für mich eine komplett neue Welt. Plötzlich Männerfußball - das war geil, aber auch krass. Die Verbindung zu Kloppo war sofort eng. Er hatte immer ein Auge auf die jüngeren Spieler und hat sie in Schutz genommen. Das war schon auffällig. Aber auch das Team hat mich gut integriert. Ich hatte eigentlich mit allen ein gutes Verhältnis. Man half mir überall, gerade am Anfang, wo alles noch neu und voller Überraschungen für mich war.

Im Sommer 2016 wurden Sie als 18-Jähriger schließlich in den Profikader des BVB aufgenommen und kamen unter Trainer Thomas Tuchel zu Ihren Debüts in Bundesliga und Champions League.

Burnic: Das hat sich wieder ganz anders angefühlt, wenn man dann komplett dazugehört und alle Trainingseinheiten bei den Profis absolviert. Ich habe das alles auch anfangs gar nicht richtig realisiert und war teilweise sehr nervös. Ich bin erst mit der Zeit so wirklich angekommen und habe befreiter gespielt.

Burnic: "Bei Tuchel musstest du abliefern"

Wie sahen Tuchels Rückmeldungen Ihnen gegenüber aus?

Burnic: Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Er ist ein sehr präziser Trainer, bei ihm wurde auf jede Kleinigkeit geachtet. Da war es auch egal, ob du 18 oder 28 Jahre alt warst. Du musstest abliefern, aber es herrschte dabei ein positiver Druck. Ich weiß noch, wie wir eine eigentlich simple Passübung machten, die sich auf einmal richtig schwer anfühlte, weil man Dinge beachten sollte, an die man früher nicht dachte und die nun plötzlich sehr wichtig waren. Zum Beispiel, welchen Fuß des Mitspielers man anspielt. Er gab mir auch viele Hilfestellungen, wie ich mich am besten aufdrehen soll. Dass er immer alles sofort so klar benannt hat, hilft mir bis heute. Er ist vom Fußball besessen und hat mir gewissermaßen die Augen geöffnet, was die eigene Positionierung angeht und wie Fußball funktionieren kann. Dazu war er ein fröhlicher Typ, der viel gelacht hat.

Wie zufriedenstellend lief für Sie die erste Saison bei den Profis?

Burnic: Natürlich habe ich mir mehr Spiele und Minuten erhofft. Das ist ja auch normal. Ich bin aber sehr dankbar, dass ich meine beiden Debüt-Einsätze bekommen habe. Gerade die Premiere in der Champions League kann mir keiner nehmen. Und ich habe konstant bei den Profis mittrainiert, allein das hat mich schon vorangebracht.

Wie kam dann die Entscheidung zustande, sich in der nächsten Saison zum VfB Stuttgart ausleihen zu lassen?

Burnic: Ich stand mit den Verantwortlichen und Thomas Tuchel im Austausch und wollte mehr spielen. Mir war klar, dass die Chancen dazu bei einem der besten Vereine der Welt sehr gering sein werden. Dazu war Hannes Wolf als Trainer natürlich ein großer Faktor und Stuttgart ein sehr attraktiver Verein mit geilen Fans. Mein Ziel war es, dort weiter zu wachsen. Auch wenn die Zeit viele Höhen und Tiefen hatte, bin ich froh, dort gewesen zu sein, weil ich mich meiner Meinung nach wieder etwas weiterentwickelt habe.

Burnic über seine Zeit beim VfB Stuttgart

In Stuttgart kamen Sie nur auf acht Pflichtspiele und selten zu Startelfeinsätzen. Wie überrascht waren Sie damals, als Wolf zum Start der Rückrunde hinwarf?

Burnic: Wir hatten zwar eine Negativserie, aber haben es eigentlich nicht schlecht gemacht - nur die Punkte fehlten uns leider. Wir hatten auch alle ein gutes Verhältnis zu ihm. Für mich persönlich war das natürlich ziemlich blöd, auch weil ich bei ihm ja meine ganze Zeit als Jugendspieler verbracht habe.

Auch verletzungsbedingt waren Sie damals hinten dran und bekamen unter Wolfs Nachfolger Tayfun Korkut nicht eine Spielminute. Wie hat er das Ihnen gegenüber begründet?

Burnic: Der Zeitpunkt des Trainerwechsels war sehr ungünstig für mich. Ich hatte in Hamburg eine Rote Karte kassiert und war anschließend gleich mehrere Wochen verletzt. Danach wurde es fast unmöglich, wieder ins Team zu rutschen, weil es bei der Mannschaft lief. Nach der Saison habe ich mich mit dem Trainer zusammengesetzt. Er meinte, dass er mir sehr gerne mehr Spielzeit gegeben hätte, doch es gab für ihn unter diesen sportlichen Umständen nicht wirklich die Möglichkeit dazu.

Wie fühlte sich das damals für Ihre Psyche an, gewissermaßen erstmals in Ihrer Karriere so außen vor zu sein?

Burnic: Es war schwer, wenn man im Training immer Gas gibt, Bock auf Einsätze hat und quasi weiß, dass man es höchstens auf die Bank schafft. Ich konnte in dieser für mich neuen Situation auch auf meine Familie bauen, die mich währenddessen immer positiv begleitet hat. Es hat mir gezeigt, wie schnell es im Fußball tatsächlich gehen kann. Ich würde auch sagen, dass ich gestärkt daraus hervorgegangen bin, weil ich jetzt weiß, worauf es in solchen Momenten ankommt.

Dzenis Burnic während seiner Vorstellung bei Dynamo Dresden.imago images

Nach der Saison waren Sie wieder zurück in Dortmund - und wollten sich dem neuen Trainer Lucien Favre zeigen. Das entpuppte sich letztlich angesichts der Konkurrenz im defensiven Mittelfeld als aussichtsloses Unterfangen. War Ihnen das nicht klar, dass dort für Sie gerade nach den Transfers von Thomas Delaney und Axel Witsel kaum eine Chance besteht?

Burnic: Ich wollte den Schritt dennoch wagen und es versuchen, weil ich auch wusste, dass man unter Lucien Favre sehr viel lernen kann. Ich konnte auch die Gerüchte um Axel Witsel nicht so richtig einschätzen, denn um einen Top-Spieler wie ihn ranken sich ja immer viele Spekulationen. Als er dann wirklich kam, war ich schon überrascht und habe auch schnell erkannt, dass es nun trotz meiner guten Vorbereitung schwer für mich wird. Ich habe mir auch meine Gedanken gemacht und es gab ein paar Angebote, aber ich wollte nichts erzwingen. Letztlich war das halbe Jahr trotz allem positiv und ich war nicht enttäuscht, dass ich keine Spielzeit bekommen habe.

Wie war der Austausch mit Favre?

Burnic: Das Verhältnis zu ihm war gut. Er ist ein sehr respektvoller Mensch und war immer ehrlich zu mir. Wir haben gute Gespräche geführt, wo er dann auch meinte, ich müsse mehr spielen. Daher war es dann auch mein Ziel, dass es auf einen Transfer im Winter hinausläuft.

Dzenis Burnic: Seine Leistungsdaten für den BVB und Dynamo Dresden

VereinSpieleToreVorlagenMinuten
Borussia Dortmund U17531864616
Borussia Dortmund U195115174229
Borussia Dortmund2--90
Dynamo Dresden34222728

Das Leihgeschäft mit Dynamo Dresden wurde erst am letzten Tag im Januar 2019 bekannt gegeben. Weshalb - hatte sich das erst am Ende der Transferperiode konkretisiert?

Burnic: Es wurde dann erst verkündet, aber ich war schon ein paar Tage vorher dort und auch beim letzten Spiel zu Gast. Mir lagen damals mehrere Angebote vor, auch aus dem Ausland. Mittlerweile bin ich sehr froh, dass ich den Schritt nach Dresden gewagt habe. Dazu kommt die Atmosphäre bei Dynamo, die deutschlandweit bekannt ist.

Zum damaligen Zeitpunkt hatten Sie seit einem Jahr keinen Profi-Einsatz mehr absolviert. War das sozusagen ein Problem für manch interessierte Vereine?

Burnic: Das weiß ich nicht. Ich kam ja aber nicht von irgendwo her, sondern vom BVB, wo ich auf sehr hohem Niveau trainiert habe. Ich bin mir meiner Qualität bewusst und mir war klar, dass ich mich in der 2. Liga durchsetzen kann.

Mit wem vom BVB haben Sie heute noch den meisten Kontakt?

Burnic: Vor allem mit Marcel Schmelzer, mit dem ich häufig online Playstation spiele. Aber auch mit Gonzalo Castro, Ömer Toprak oder Nuri Sahin besteht immer wieder Kontakt. Ihnen kann ich auch hin und wieder Fragen stellen oder sie geben mir Tipps.

Burnic spricht über Witsel und Dembele

Und welcher Mit- oder Gegenspieler hat Ihnen am meisten imponiert?

Burnic: Ich habe beim BVB so viele Spieler mit ganz unterschiedlichen Stärken kennengelernt, das waren alles Granaten. Die Ruhe, die Axel Witsel am Ball ausstrahlt, ist schon außergewöhnlich. Bei den Dribblings von Ousmane Dembele dachte ich nur: Was geht denn bei dem ab? (lacht) Als wir mit Dresden im Sommer gegen Paris Saint-Germain gespielt haben, hat mich Marco Verratti schwer beeindruckt. Wenn du ihn im Fernsehen siehst, merkst du natürlich, dass er ziemlich gut ist. Ihn dann aber live vor sich zu haben, ist noch einmal eine ganz andere Liga.

Nicht einmal einen Monat nach Ihrem Wechsel nach Dresden wurde Trainer Maik Walpurgis entlassen. Wie schon beim VfB war also der Coach weg, unter dem Sie gewechselt waren. Was haben Sie gedacht?

Burnic: Trotz der sportlich schwierigen Situation kam es eher unerwartet für mich. Ich habe mich dann aber nicht groß damit beschäftigt, ob es nun unter einem neuen Trainer wieder schwieriger für mich werden könnte. Das hätte mich nur daran gehindert, mich zu konzentrieren und zu zeigen, was ich kann. Ich bin schon mit dem Gefühl nach Dresden gewechselt, mich dort etablieren zu können.

Sie fügten sich letztlich auch gut ein, kamen zu vielen Einsatzminuten und schossen gegen St. Pauli im Vorjahr Ihr erstes Tor als Profi, das gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Klassenerhalt war. Nach einem halben Jahr wurde die Leihe verlängert - und der BVB dehnte Ihren Vertrag bis 2021 aus. Was genau hat die Borussia mit Ihnen vor?

Burnic: Die Perspektive ist bei einem jungen Spieler wie mir immer offen und hängt vor allem von meiner weiteren Entwicklung ab. Das kann man ja vorher nie final absehen, in welche Richtung es gehen wird. Daher wollte der BVB den Dresdnern auch keine Kaufoption zusichern. Nachdem die Zeit bei Dynamo für mich wunderbar lief, wollte ich unbedingt meine dort gezeigten Leistungen bestätigen und weitere Spielpraxis sammeln.

Gab es damals auch Angebote für einen festen Wechsel?

Burnic: Ja, die gab es. Der BVB wäre dafür auch grundsätzlich offen gewesen und wollte mir keine Steine in den Weg legen. Letztlich kam für mich aber eigentlich auch nur Dresden in Frage, weil ich eben schon alles kannte und ja auch nur ein halbes Jahr dort war.

Burnic: BVB? "Ich will meinen Traum nicht aufgeben"

Ihr Leihvertrag mit Dynamo endet nun am 30. Juni. Ob bis dahin die Saison beendet wird, ist in Zeiten von Corona genauso unklar wie die Frage nach Ihrer Zukunft. Wie sehr fühlen Sie sich in der Schwebe?

Burnic: Die Corona-Krise hat definitiv alles verändert und vor allem verkompliziert. Die Situation ist schwierig für mich und natürlich mache ich mir auch Gedanken über meine Zukunft. Allerdings steht außer Frage, dass ich sie auch selbst beeinflussen kann. Wir haben jetzt noch acht Spiele vor der Brust und müssen uns nur darauf konzentrieren. Wir dürfen uns von Corona nicht besiegen lassen.

Insgesamt fünf positiv auf Covid-19 getestete Personen gab es bei der SGD, die nach den erforderlichen Quarantäne-Maßnahmen daher erst am vergangenen Wochenende wieder in die Saison einstieg und neun Spiele in 29 Tagen zu absolvieren hat. Ist das angesichts der abstiegsbedrohten Situation nicht unfair oder gar Wettbewerbsverzerrung?

Burnic: Es ist nicht abzustreiten, dass es für uns sehr schwierig wird. Was mich positiv stimmt, ist die Tatsache, dass sich jeder von uns freut, endlich wieder zu spielen. Wir haben alle Bock auf diesen Endspurt. Ich persönlich allein schon aus dem Grund, dass ich lieber spiele als zu trainieren. (lacht)

Sie sind bereits wie alle anderen Spieler, die der BVB derzeit verliehen hat, auf ominösen Streichlisten der Medien aufgetaucht. Ist der Verein nicht längst auf Sie zugekommen, um zu besprechen, wie es weitergeht?

Burnic: Nein. Es ist während der Corona-Krise gerade bei allen Vereinen so, dass die Gespräche ruhen, weil keiner weiß, wie es wirklich weitergehen wird. Ich muss dahingehend jetzt einfach geduldig bleiben.

Ist es denn noch Ihr Traum, sich beim BVB durchzusetzen?

Burnic: Natürlich ist das mein Traum. Den will ich auch weiterhin leben und ihn nicht aufgeben. Ich werde alles dafür geben, dass es vielleicht in ein paar Jahren damit klappt.

Können Sie ausschließen, bei einem Dresdner Abstieg mit in die 3. Liga zu gehen?

Burnic: Darüber haben wir uns noch nicht unterhalten. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ich keine Sekunde an den Abstieg denke.