Vier von fünf Spielen hat Borussia Dortmund unter Edin Terzic bislang gewonnen. Der Interimstrainer beschwört beim Wiederaufbau des BVB ein Mantra aus den Basiselementen des Fußballs.
Seit einem Monat ist Edin Terzic nun Interimstrainer von Borussia Dortmund. Fünf Pflichtspiele hat er geleitet, vier davon wurden gewonnen. Wirklich ansehnlichen Fußball hat der BVB dabei nur in 45 dieser 450 Minuten gespielt - zuletzt beim eminent wichtigen Sieg gegen RB Leipzig. Das ist jedoch erst einmal egal, einzig die gute Quote zählt im Moment.
Dass bei der Borussia in den letzten Monaten der Amtszeit von Lucien Favre einiges im Argen gelegen hat, sieht man jedoch weiterhin nicht nur an der spielerischen Armut auf dem Feld. Man hört es auch: Seit vier Wochen beinhalten so gut wie alle Aussagen Terzics dieselben Aspekte.
Der 38-Jährige betont durchgängig Basiselemente wie Intensität, Kampf, Leidenschaft, Emotion, Wille, Gier, Physis, die seine Mannschaft wahlweise gemeinsam, kollektiv oder zusammen an den Tag legen soll - noch mehr an ein neues Wir-Gefühl zu appellieren, geht kaum. Terzic begleitet dazu die Partien von der Seitenlinie sehr lautstark, auch von den Spielern gehen mittlerweile wieder höhere Dezibelwerte aus als noch in der Endphase der Lethargie unter Favre.
Dortmund soll unter Terzic fürs Erste also zurück zum Heavy-Metal-Fußball, wie es einmal ein ehemaliger Coach der Borussia nannte: Der Kampf gegen den Ball und die Lust aufs Verteidigen haben Vorrang vor spielerischen Akzenten. Erst nach Einhaltung dieser Reihenfolge könne laut Terzic wieder jene "Magie" entstehen, die man von der filigranen wie hochwertig besetzten BVB-Offensive auch erwarten kann und die beispielsweise beim Führungstor in Leipzig aufblitzte.
BVB: Spiel gegen den Ball intensiver und konzentrierter
Selbst wenn der von den Verantwortlichen als richtungsweisend deklarierte Januar noch nicht vorbei ist und neben den beiden Pflichtaufgaben Mainz und Augsburg noch sehr bedeutende Top-Spiele in Leverkusen und Gladbach warten, hat dieser Fokus auf Grundtugenden des Fußballspiels bislang gefruchtet. Dortmunds Spiel gegen den Ball ist intensiver und konzentrierter geworden, die Bereitschaft aller, bei dieser Art Wiederaufbau mitzuhelfen, ist offensichtlich.
Und sie verhalf auch dazu, Sorgenkinder wie die monatelang formschwach aufgetretenen Jadon Sancho und Marco Reus zu rehabilitieren: Sancho war an sieben, Reus an vier der zehn BVB-Tore unter Terzic direkt beteiligt. Terzic dazu, im typischen Duktus: "Sie machen es gut, so wie die anderen Teile der Gruppe auch. Die beiden haben sich zuletzt belohnt, mit Toren und Assists und alle werden sie weiterhin unterstützen, dass es genau so weitergeht."
Eine tiefgreifende Änderung muss Terzic nun aber vornehmen. Das Saisonaus von Axel Witsel (Achillessehnenriss) bedingt neue Personalplanungen im defensiven Mittelfeld, einer neuralgischen Stelle für den neuen Erwachsenen-Fußball der Borussia. Den Ausfall des Belgiers, der zuletzt nicht mehr der dominante Spieler seiner Anfangszeit beim BVB war, aber als Führungspersönlichkeit regelmäßig spielte, wollen die Westfalen intern kompensieren.
BVB-Sechser: Delaney könnte Fixpunkt werden
Das scheint durchaus machbar, Kandidaten und mögliche Pärchen gibt es genug. Spannend wird sein, wie gegnerabhängig Terzics Wahl jeweils ausfällt. Viel rotiert hatte er zuletzt nicht. Thomas Delaney war im wieder etablierten 4-2-3-1-System in den vergangenen drei Partien gesetzt, brachte viel Einsatz und Wucht ein und lieferte gute Leistungen ab.
Der Däne könnte mit seinem Spielerprofil ein neuer Fixpunkt werden. Nach statistischen Gesichtspunkten muss er es sogar: Spielte Delaney, holte Dortmund im Schnitt 2,63 Punkte pro Partie - ohne ihn waren es erstaunliche 1,63 Zähler weniger.
"Thomas ist ein absolut stabilisierender Faktor bei uns und er ist berechenbar: Du weißt, was du bei ihm bekommst. Er tut uns einfach unheimlich gut. In der öffentlichen Wertschätzung fliegt er vielleicht ab und an unter dem Radar, aber er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns", lobte Sportdirektor Michael Zorc zuletzt.
Denkt Terzic auf der Sechs gegen tief stehende Gegner um?
Ähnliche Eigenschaften wie Delaney bringt Emre Can mit, der am Samstag für Witsel ins Spiel kam. Kurz danach erhöhten sich Aggressivität und Mentalität im Dortmunder Spiel merklich, Cans Einwechslung war so etwas wie der Startschuss für den starken Umschwung in Halbzeit zwei. Ein Pärchen Delaney/Can, die beide mit vier Gelben Karten in die Begegnung gegen Mainz (Sa., 15.30 Uhr im LIVETICKER) gehen, würde somit gewiss für Stabilität und auch Härte sorgen.
Um vertikal in die Tiefe zu passen oder den Ball in die Offensive zu treiben, gerade gegen tief stehende Gegner wie den FSV, müsste Terzic möglicherweise jedoch umdenken. Dies gehört nicht zu den Stärken von Delaney oder Can, auch wenn Letzterer immer wieder ganz ordentliche Vorstöße initiieren kann.
Ein offensivstärkerer Sechserpart, der mehr als Achter positioniert ist, wäre Jude Bellingham. Der 17-Jährige hat im neuen Jahr verletzungsbedingt noch keine Minute gespielt, gegen Mainz wird er zumindest in den Kader zurückkehren. Bellingham paart Zweikampfstärke mit Kreativität und bringt auch eine gewisse Torgefährlichkeit mit.
Witsel-Ausfall: "Ich sehe da uns in der Verantwortung"
Auch der zum Bankdrücker verkommene Julian Brandt, der unter Favre als Achter teils tolle Leistungen zeigte, ist eine Möglichkeit. Dasselbe gilt für Mahmoud Dahoud, für den es nach dem Witsel-Ausfall zumindest wieder für den Spieltagskader reichen sollte. Zuletzt ließ ihn Terzic zweimal in Folge gänzlich zu Hause.
Für Terzic wird die Auswahl im defensiven Mittelfeld zwar nicht unerheblich sein. Wichtiger ist ihm jedoch, dass alle Mannschaftsteile sein Mantra weiter verinnerlichen und es konstant verfolgen.
Ein letztes Beispiel gefällig? Wie er den Ausfall von Witsel aufzufangen gedenke, wurde Terzic auf der Pressekonferenz am Donnerstag gefragt. "Das ist eine ganz einfache Antwort: Ich sehe da uns in der Verantwortung - wir als ganze Mannschaft, als ganze Gruppe sind dafür verantwortlich, dass wir das so gut es geht kompensieren und dass jeder seine Rolle findet, wie er der Mannschaft helfen kann", sagte er.
BVB: Die Bundesliga-Tabellensituation an der Spitze
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 15 | 46:24 | 22 | 33 |
2. | RB Leipzig | 15 | 26:12 | 14 | 31 |
3. | Bayer Leverkusen | 15 | 30:15 | 15 | 29 |
4. | Borussia Dortmund | 15 | 31:19 | 12 | 28 |
5. | 1. FC Union Berlin | 15 | 31:20 | 11 | 25 |
6. | Wolfsburg | 15 | 22:17 | 5 | 25 |
7. | Borussia M'gladbach | 15 | 28:24 | 4 | 24 |